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DER GERICHTSHOF UND DIE GLEICHBEHANDLUNG

Seit 1952 sorgt der Gerichtshof der Europäischen Union dafür, dass das Unionsrecht in den Mitgliedstaaten beachtet und richtig angewandt wird. In zahlreichen Urteilen hat er festgestellt, dass im Unionsrecht vorgesehene Diskriminierungsverbote nicht beachtet wurden, und diese Verbote gestärkt. In dieser Broschüre werden einige wichtige Urteile des Gerichtshofs, gegliedert nach der Art der Diskriminierung, dargestellt.

Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit

Das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ist der Eckpfeiler der europäischen Integration: Jeder Unionsbürger, der in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen seiner Staatsangehörigkeit rechtmäßig wohnt oder sich aufhält, kann sich in allen unter das Unionsrecht fallenden Situationen auf dieses Verbot berufen. Eine Diskriminierung kann unmittelbar in dem Sinne sein, dass eine Ungleichbehandlung direkt an die Staatsangehörigkeit anknüpft, oder mittelbar, wenn sich die Behandlung z. B. nach dem Land richtet, in dem der Betreffende wohnt. Der Gerichtshof hat sich in zahlreichen Fällen mit diesen Fragen beschäftigt.

1989 stellte der Gerichtshof fest, dass ein britischer Tourist, der in der Pariser Metro von Unbekannten überfallen und schwer verletzt worden war, genau wie ein französischer Staatsangehöriger das Recht hat, vom französischen Staat eine Entschädigung zu erhalten. Ein solcher Tourist muss nämlich Dienstleistungen außerhalb seines Landes in Anspruch nehmen können und kann sich deshalb auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit berufen (Urteil vom 2. Februar 1989, Cowan, 186/87).

Im berühmten Urteil Bosman von 1995 entschied der  Gerichtshof u.  a., dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit Regeln von Sportverbänden entgegensteht, nach denen die Fußballvereine bei den Spielen der von diesen Verbänden veranstalteten Wettkämpfe nur eine begrenzte Anzahl von Berufsspielern, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, aufstellen dürfen (Urteil vom 15. Dezember 1995, Bosman, C-415/93).

1998 stellte der Gerichtshof den Grundsatz auf, dass sich jeder Angehörige eines Mitgliedstaats auf seine Unionsbürgerschaft berufen kann, um sich gegen eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit durch einen anderen Mitgliedstaat zu wehren. So  entschied der Gerichtshof, dass sich eine spanische Mutter,  die rechtmäßig in Deutschland wohnt, auf dieses Diskriminierungsverbot berufen kann, wenn ihr das deutsche Erziehungsgeld verweigert wird, weil sie nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist, während von deutschen Staatsangehörigen ein solches Dokument nicht verlangt wird (Urteil vom 12. Mai 1998, Martinez Sala, C-85/96).

2004 entschied der Gerichtshof, dass ein Mitgliedstaat die Abiturienten anderer Mitgliedstaaten diskriminiert, wenn er es ihnen nicht ermöglicht, dass sie unter den gleichen Voraussetzungen wie die inländischen Abiturienten Zugang zum Hochschulunterricht haben (Urteil vom 1. Juli 2004, Kommission/Belgien, C-65/03).

Diskriminierung aufgrund der Sprache

Dass die EU 24 Amtssprachen hat, hat zwangsläufig Fragen sprachlicher Diskriminierung aufgeworfen, mit denen sich der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung beschäftigt hat.

2012 entschied der Gerichtshof, dass die Veröffentlichung von Stellenausschreibungen zur Einstellung von Beamten der Europäischen Union in drei Sprachen (Deutsch, Englisch und Französisch) und die Pflicht, die Auswahlprüfungen in einer dieser drei Sprachen zu absolvieren, eine Diskriminierung aufgrund der Sprache darstellen (Urteil vom 27. November 2012, Italien/Kommission, C-566/10).

Der Gerichtshof stellte außerdem wiederholt fest, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung es verbietet, dass Sprachkenntnisse, die für eine Stelle erforderlich sind, zwingend in dem betreffenden Mitgliedstaat erworben sein oder durch eine von diesem Mitgliedstaat ausgestellte Bescheinigung nachgewiesen werden müssen (Urteil vom 28. November 1989, Groener, C-379/87, und Urteil vom 6. Juni 2000, Angonese, C-281/98).

Außerdem entschied der Gerichtshof, dass ein Mitgliedstaat nicht unter Androhung der Nichtigkeit des Arbeitsvertrags vorschreiben kann, dass alle mit einem inländischen Unternehmen geschlossenen Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Charakter in der oder den Amtssprachen dieses Mitgliedstaats abzufassen sind (Urteil vom 16. April 2013, Las, C-202/11).

Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft

Das Unionsrecht bekämpft Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft insbesondere in der Arbeitswelt und beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Der Gerichtshof hat die Tragweite dieser Art von Diskriminierung in seiner Rechtsprechung erläutert.

2008 stellte der Gerichtshof fest, dass eine unmittelbare Diskriminierung vorliegt, wenn ein Arbeitgeber öffentlich kundtut, dass er keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft einstellt. Die Rechtssache ging auf öffentliche Äußerungen des Direktors eines Unternehmens zurück, wonach sein Betrieb keine Ausländer einstelle, da die Kunden Bedenken hätten, ihnen Zugang zu ihren privaten Wohnungen zu gewähren, wenn sie Garagentore einbauen ließen (Urteil vom 10. Juli 2008, Feryn, C-54/07).

2015 entschied der Gerichtshof, dass eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft vorliegen kann, wenn Stromzähler in einem Stadtteil, in dem vor allem Roma wohnen, in einer unzugänglichen Höhe (von sechs bis sieben Metern), in anderen Stadtteilen dagegen in einer zugänglichen Höhe angebracht werden. Eine solche Praxis bedeutet nicht nur, dass es für die Betroffenen außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich ist, ihren Stromzähler abzulesen, um ihren Verbrauch zu kontrollieren, sondern ist auch beleidigend und stigmatisierend. Der Gerichtshof stellt bei dieser Gelegenheit klar, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung nicht nur für Personen mit einer bestimmten ethnischen Herkunft gilt, sondern auch für Personen, die zwar selbst nicht die betreffende Herkunft aufweisen, die aber durch eine diskriminierende Maßnahme zusammen mit den Personen, die diese Herkunft aufweisen, weniger günstig behandelt werden (Urteil vom 16. Juli 2015, CHEZ Razpredelenie Bulgaria, C-83/14).

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts

Zum Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hat der Gerichtshof eine umfangreiche Rechtsprechung entwickelt.

Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz: allgemeine Grundsätze

Schon 1976 entschied der Gerichtshof, dass der unionsrechtliche Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer  und  Frauen unmittelbare Wirkung hat,  so dass er direkt gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden kann (Urteil vom 8. April 1976, Defrenne, 43/75).

Der Gerichtshof stellte fest, dass eine mittelbare Diskriminierung von Frauen vorliegen kann, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer von der betrieblichen Altersversorgung ausgeschlossen werden, und zwar dann, wenn dieser Ausschluss wesentlich mehr Frauen als Männer betrifft und er damit nicht objektiv durch Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (Urteil vom 13. Mai 1986, Bilka, 170/84).

Schließlich billigte der Gerichtshof die Möglichkeit, in behördlichen Geschäftsbereichen, in denen im jeweiligen Beförderungsamt einer Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind, bei gleicher Qualifikation bevorzugt Bewerberinnen zu befördern („positive Diskriminierung“), wenn der Vorteil nicht automatisch ist und die Bewerbungen von Männern nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern objektiv geprüft werden (Urteil vom 11. November 1997, Marschall, C-409/95).

Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz: schwangere Arbeitnehmerinnen

1990 entschied der Gerichtshof, dass sowohl die Weigerung, eine Frau einzustellen, weil sie schwanger ist, als auch die Entlassung einer Arbeitnehmerin aus diesem Grund eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts begründen (Urteile vom 8. November 1990, Dekker, C-177/88, und Handels- og Kontorfunktionaerernes Forbund, C-179/88). Der Gerichtshof erläuterte in der Folge, dass das Verbot, eine Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft zu entlassen, unabhängig davon gilt, ob der Arbeitsvertrag befristetet oder unbefristet geschlossen wurde. In diesem Sinne stellte der Gerichtshof auch fest, dass es diskriminierend ist, einen befristeten Arbeitsvertrag wegen der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin nicht zu verlängern (Urteile vom 4. Oktober 2001, Jiménez Melgar, C-438/99, und Tele Danmark A/S, C-109/00). Er entschied ferner, dass die Entlassung einer Frau während der Schwangerschaft wegen Fehlzeiten infolge einer durch die Schwangerschaft verursachten Krankheit eine Diskriminierung wegen des Geschlechts ist (Urteil vom 30. Juni 1998, Brown, C-394/96). Außerdem ist die Entlassung einer Frau wegen ihrer Schwangerschaft und/oder der Geburt eines Kindes auch dann rechtswidrig, wenn ihr die Kündigung erst nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz mitgeteilt wird (Urteil vom 11. Oktober 2007, Paquay, C-460/06).

Eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts liegt auch vor, wenn eine Arbeitnehmerin entlassen wird, die sich in einem vorgerückten Stadium einer In-vitro-Fertilisation befindet und deshalb zeitweilig abwesend ist, da eine solche Behandlung nur Frauen betrifft (Urteil vom 26. Februar 2008, Mayr, C-506/06).

Andere Beispiele für eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts: Versicherungen und Streitkräfte

Der Gerichtshof entschied 2011, dass die Berücksichtigung des Geschlechts des Versicherten als Risikofaktor in Versicherungsverträgen eine Diskriminierung darstellt. Deshalb gelten in der Union seit dem 21. Dezember 2012 geschlechtsneutrale Prämien und Leistungen (Urteil vom 1. März 2011, Association belge des consommateurs Test-Achats u. a., C-236/09).

Der Gerichtshof präzisierte 1999, dass bei Organisation und Führung der Streitkräfte der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu beachten ist, auch wenn der Zugang zu bestimmten Einheiten aufgrund ihrer speziellen Einsatzbedingungen (z. B. bei Kampfeinheiten) Männern vorbehalten werden kann (Urteil vom 26. Oktober 1999, Sirdar, C-273/97). Jedenfalls ist ein vollständiger Ausschluss von Frauen vom Dienst mit der Waffe nicht zulässig (Urteil vom 11. Januar 2000, Kreil, C-285/98).

Diskriminierung aufgrund des Wechsels der Geschlechtszugehörigkeit

1996 entschied der Gerichtshof, dass es eine Diskriminierung darstellt, wenn eine Person wegen einer durchgeführten oder beabsichtigten Geschlechtsumwandlung entlassen wird, da sie im Vergleich zu den Angehörigen des Geschlechts, dem sie vor ihrer Operation zugerechnet wurde, schlechter behandelt wird (Urteil vom 30. April 1996, P./S., C-13/94).

2004 stellte der Gerichtshof fest, dass eine nationale Regelung, die die neue sexuelle Identität von Transsexuellen nicht anerkennt und ihnen damit die Eingehung der Ehe verwehrt, mit dem Unionsrecht unvereinbar ist, wenn sie zur Folge hat, dass ihnen keine Hinterbliebenenrente gewährt werden kann (Urteil vom 7. Januar 2004, K.B., C-117/01). In diesem Sinne entschied der Gerichtshof 2018, dass eine Person, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, nicht gezwungen sein darf, ihre zuvor geschlossene Ehe für ungültig erklären zu lassen, wenn sie ab dem für Angehörige des erworbenen Geschlechts geltenden Alter eine Rente in Anspruch nehmen möchte (Urteil vom 26. Juni 2018, MB, C-451/16).

Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung

2015 befand der Gerichtshof, dass der dauerhafte Ausschluss von homosexuellen und bisexuellen Männern von der Blutspende eine Diskriminierung begründen kann, es sei denn, es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass für diese Personen ein hohes Übertragungsrisiko für schwere Infektionskrankheiten, wie insbesondere HIV, besteht, und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Ein Mitgliedstaat kann diese Personen daher nicht dauerhaft ausschließen, ohne geprüft zu haben, ob es nicht weniger belastende, aber ebenso wirksame Methoden gibt, um auch während des „diagnostischen Fensters“, d. h. des Zeitraums, der einer Virusinfektion folgt und in dem die im Rahmen des Tests der Blutspende verwendeten Biomarker trotz einer Infektion des Spenders negativ bleiben, HIV im Blut nachzuweisen. Außerdem ließe sich unter Umständen mit einem Fragebogen und einer persönlichen Befragung des Spenders das riskante Sexualverhalten genauer identifizieren (Urteil vom 29. April 2015, Léger, C-528/13).

Der Gerichtshof entschied ferner, dass ein Arbeitnehmer, der einen zivilen Solidaritätspakt (pacte civil de solidarité, PACS) mit einem Partner gleichen Geschlechts geschlossen hat, die gleichen Vergünstigungen, wie Sonderurlaubstage und eine Gehaltsprämie, erhalten muss, wie sie seinen heterosexuellen Kollegen aus Anlass ihrer Eheschließung gewährt werden, wenn homosexuelle Paare nicht heiraten dürfen und der PACS hinsichtlich dieser Sonderurlaubstage der Ehe rechtlich gleichgestellt ist (Urteil vom 12. Dezember 2013, Hay, C-267/12).

Diskriminierung aufgrund einer Behinderung

Der Gerichtshof hat den Begriff „Behinderung" erstmals 2006 definiert, diese Definition dann aber 2013 revidiert, um die im 2009 von der Union ratifizierten Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen enthaltene Definition aufzunehmen. Der Gerichtshof hatte immer wieder Fälle von Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, in der Regel im Zusammenhang mit einer Entlassung, zu prüfen.

Der Gerichtshof definiert „Behinderung“ als eine Einschränkung, die u. a. auf langfristige physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist, die den Betreffenden in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen und wirksamen Teilhabe am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, hindern können. Er hat außerdem betont, dass eine Krankheit nicht ohne Weiteres mit einer Behinderung gleichgesetzt werden kann. Falls die Krankheit (oder ein anderes Gesundheitsproblem) dagegen dieser Definition entspricht (was z. B. bei Adipositas der Fall sein kann), ist sie – unabhängig von ihrer Art und ihrem Ursprung – als Behinderung anzusehen.

Eine Person, die aus Gründen entlassen wird, die mit einer solchen Krankheit zusammenhängen, ist somit Opfer einer Diskriminierung aufgrund einer Behinderung (Urteile vom 11. Juli 2006, Chacón Navas, C-13/05, 11. April 2013, Ring und Skouboe Werge, C-335/11 und C-337/11, sowie 18. Dezember 2014, FOA, C-354/13).

Der Gerichtshof entschied ferner 2008, dass das Unionsrecht Arbeitnehmer schützt, die wegen der Behinderung ihres Kindes diskriminiert werden. Denn das Verbot einer unmittelbaren Diskriminierung ist nicht auf die Menschen mit Behinderung selbst beschränkt, sondern erfasst auch Arbeitnehmer, die ihr behindertes Kind pflegen müssen (Urteil vom 17. Juli 2008, Coleman, C-303/06).

Diskriminierung aufgrund des Alters

Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gilt im Wesentlichen in den Bereichen Beschäftigung und Beruf, und zwar sowohl bei der Einstellung wie auch bei der Ausübung der Tätigkeit und bei den Rentenansprüchen.

Seit 2010 hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass es im Allgemeinen nicht zulässig ist, für die Einstellung von Angehörigen bestimmter Berufe Altersgrenzen festzulegen. Etwas anderes gilt nur, wenn für die Ausübung eines Berufs bestimmte körperliche Fähigkeiten unerlässlich sind (wie z. B. bei Feuerwehrleuten, die unmittelbar zur Brandbekämpfung eingesetzt werden, oder bei Polizisten, die Aufgaben wahrnehmen, die die Anwendung körperlicher Gewalt erfordern) (Urteile vom 12. Januar 2010, Wolf, C-229/08, 13. November 2014, Vital Pérez, C-416/13, und 15. November 2016, Salaberria Sorondo, C-258/15).

Die Zwangsversetzung in den Ruhestand mit 65 Jahren kann dagegen zulässig sein, wenn damit der Beschäftigungszugang besser zwischen den Generationen verteilt und insbesondere die Arbeitslosigkeit eingedämmt werden soll und die Betroffenen über eine angemessene Altersrente verfügen (Urteil vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa, C-411/05). In diesem Sinne entschied der Gerichtshof ferner, dass die unionsrechtlich für im gewerblichen Luftverkehr zur Beförderung von Fluggästen, Fracht oder Post eingesetzte Piloten vorgesehene Altersgrenze von 65 Jahren gültig ist, da sie durch das Ziel der Gewährleistung der Sicherheit der Zivilluftfahrt gerechtfertigt ist (Urteil vom 5. Juli 2017, Fries, C-190/16). Dagegen stellt das absolute Verbot für Verkehrspiloten, über das vollendete 60. Lebensjahr hinaus ihrer Tätigkeit nachzugehen, eine Diskriminierung wegen des Alters dar, weil es über das zum Schutz der Flugsicherheit Notwendige hinausgeht (Urteil vom 13. September 2011, Prigge u. a., C-447/09).

Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass das Ziel, die berufliche Eingliederung arbeitsloser älterer Arbeitnehmer zu fördern, eine nationale Regelung nicht rechtfertigt, die uneingeschränkt den Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit allen Arbeitnehmern zulässt, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, gleichgültig, ob und wie lange sie vor Abschluss des Arbeitsvertrags arbeitslos waren (Urteil vom 22. November 2005, Mangold, C-144/04).

Eine Diskriminierung liegt auch vor, wenn einem Arbeitnehmer eine Entlassungsabfindung mit der Begründung vorenthalten wird, dass er eine Altersrente beziehen kann (Urteil vom 12. Oktober 2010, Andersen, C-499/08).

Schließlich wies der Gerichtshof darauf hin, dass ein nationales Gericht auch in einem Rechtsstreit zwischen Privaten sicherstellen muss, dass das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters beachtet wird, indem es erforderlichenfalls entgegenstehende Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt (Urteil vom 19. April 2016, Dansk Industri, C-441/14).

Diskriminierung aufgrund der Religion

Der Gerichtshof hat mehrere Urteile erlassen, die die Diskriminierung aufgrund der Religion bei der Einstellung und im Zusammenhang mit der Entlassung betrafen.

Was die Einstellung angeht, entschied der Gerichtshof, dass das Erfordernis, dass Bewerber um eine bei einer Kirche oder religiösen Organisation zu besetzende Stelle einer bestimmten Religion angehören, von staatlichen Gerichten wirksam überprüft werden können muss. Dieses Erfordernis muss notwendig und angesichts des Ethos der Kirche oder Organisation aufgrund der Art der in Rede stehenden beruflichen Tätigkeit oder der Umstände ihrer Ausübung objektiv geboten sein sowie mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen (Urteil vom 17. April 2018, Egenberger, C-414/16).

Im Zusammenhang mit einer Entlassung befand der Gerichtshof, dass die Kündigung eines katholischen Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen erneuter Eheschließung nach Scheidung eine verbotene Diskriminierung aufgrund der Religion darstellen kann. Denn die Anforderung an einen katholischen Chefarzt, den heiligen und unauflöslichen Charakter der Ehe nach dem Verständnis der katholischen Kirche zu beachten, erscheint nicht als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung. Der Gerichtshof stellte außerdem klar, dass das Verbot jeder Art von Diskriminierung wegen der Religion als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter hat, so dass es von einem Einzelnen in einem Rechtsstreit, der einen vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft, geltend gemacht werden kann (Urteil vom 11. September 2018, IR, C-68/17).

In Fällen, in denen Arbeitnehmerinnen entlassen worden waren,  weil  sie am Arbeitsplatz das islamische Kopftuch trugen, entschied der Gerichtshof, dass Unternehmen ihren Beschäftigten mit einer internen Regel grundsätzlich das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbieten dürfen. Ein solches allgemeines Verbot stellt keine unmittelbare Diskriminierung dar. Es kann allerdings eine mittelbare Diskriminierung begründen, wenn es dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion in besonderer Weise benachteiligt werden. Aber auch dann kann das Verbot gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber seinen Kunden gegenüber eine Politik der Neutralität verfolgt und das Verbot nur für die Arbeitnehmer gilt, die mit den Kunden in Sichtkontakt treten. Der Arbeitgeber muss gegebenenfalls prüfen, ob er der betroffenen Person einen Arbeitsplatz ohne Sichtkontakt anbieten kann. Der Gerichtshof stellte allerdings klar, dass es keine eine Diskriminierung ausschließende berufliche Anforderung darstellt, wenn der Arbeitgeber lediglich den Wünschen eines Kunden entsprechen möchte, der den Einsatz einer Arbeitnehmerin, die ein islamisches Kopftuch trägt, nicht akzeptiert (Urteile vom 14. März 2017, G4S Secure Solutions, C-157/15, und Bougnaoui, C-188/15).

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