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Prag – zwischen historischer Kontinuität und Massentourismus

Spaziert man abends über die Prager „Brücke der Legionen“, so stößt man auf zahlreiche Menschen, die – angelehnt an die Brückenbalustrade – verträumt das berühmte Prager Panorama mit der Burg und der Karlsbrücke betrachten. Dabei handelt es sich aber nicht immer um Touristen. Auch die Prager selbst werden der Schönheit ihrer Stadt nie müde.

Schönheit auf Schritt und Tritt
Im Prager Stadtzentrum stechen vor allem der Reichtum an Kulturdenkmälern  sowie die große Dichte an Sehenswürdigkeiten hervor. Kunst und Geschichte begleiten die BesucherInnen Prags im wahrsten Sinne des Wortes auf Schritt und Tritt. Im Vergleich zu anderen Hauptstädten in Mitteleuropa erlitt Prag im Zweiten Weltkrieg (etwa verglichen mit Wien) relativ wenig Schäden, die Altstadt ist daher so gut wie zur Gänze erhalten. Auch die Ära des Staatssozialismus hinterließ, mit Ausnahme einer Schnellstraße vor dem Nationalmuseum am Wenzelsplatz, wenig Spuren im historischen Stadtkern.

Der Prager Stadtkern ist nicht nur ein Ort voller Sehenswürdigkeiten sondern auch der Sitz vieler internationaler Firmen, des Prager Magistrats und exklusiver Luxusboutiquen. In den vergangenen Jahren erlebte das historische Zentrum einen Hotelboom. Während im Zentrum immer neue Hotels mit fünf Sternen entstehen, plant die Radisson SAS Gruppe angeblich ein besonderes Projekt: ein 7-Sterne-Hotel.

Massentourismus – gut für die Wirtschaft, schlecht für die Bürger
Obwohl die hohe Anzahl an Luxushotels gut für den Tourismus und den Immobilienmarkt ist, hat sie Nachteile für die einheimischen Bewohner des Stadtkerns. Das steigende Angebot an Hotels in der Prager Innenstadt führt dazu, dass Hotelbetreiber Zinshäuser aufkaufen, mit der Absicht, sie zu Hotels umzubauen. Die Ansprüche der Touristen steigen, immer mehr Besucher wollen am liebsten direkt im Zentrum wohnen. Das vertreibt allerdings Prager Bürger und Firmen, die sich die steigenden Preise nicht mehr leisten können, an den Stadtrand.

Überhaupt stellt der Tourismus, der seit 1989 kontinuierlich zugenommen hat, für die Bewohner der Altstadt mehr und mehr ein Problem dar. Wo man sich einst als durchschnittlich verdienender Prager ein Mittagessen leisten konnte, trinken nun Touristen extrem überteuertes Bier. Und nachts wimmelt es in der Stadt – vor allem im Sommer – von Gruppen Betrunkener.


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Stadt der Türme und Kirchen
Der Charakter Prags beruht, wie bei den meisten Großstädten, neben der Geschichte der Stadt auch auf ihrer Lage. Die Stadt liegt an der Moldau, in einem Tal, das von allen Seiten von Hügeln umgeben ist. Mehrere dieser Hügel sind auch heute nicht bebaut und dienen als Erholungszentren inmitten der Großstadt.

Blickt man von einem der zahlreichen Hügel auf die Stadt herab, erkennt man, warum die Stadt den Kosenamen „Stadt der hundert Türme“ trägt. Unter ihnen sticht der Turm des mächtigsten aller Prager Gotteshäuser hervor,  des St. Veitsdoms auf der Prager Burg. Der St. Veitsdom bietet ein spannendes Beispiel für die architektonische Vielfalt, die für die gesamte Stadt kennzeichnend ist.

Bei einem Besuch des Burgberges darf man die Besichtigung der romanischen St.-Georgs-Basilika auf keinen Fall verpassen. Sie ist die älteste erhaltene Kirche Prags  und wurde im 10. Jahrhundert gegründet. Ein nächtlicher Blickfang ist die gotische Kirche zur Jungfrau Maria vor dem Teyn, wenn die orange leuchtenden Türmchen des dunklen Bauwerks an eine alte, verwunschene Burg erinnern.

Auf dem Altstädter Ring werden Massen von Besuchern vom Gebäude des Alten Rathauses angezogen. An der vorderen Seite des Rathausturms ist die berühmte Aposteluhr (Orloj) aus dem 15. Jahrhundert angebracht, die zu jeder vollen Stunde ein besonderes Schauspiel bietet.


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Chicago in Mitteleuropa
Neben einer Fülle an Jugendstilhäusern kann sich Prag mit besonders vielen wunderschönen Bauwerken aus der Zwischenkriegszeit rühmen. Eines dieser Bauwerke verrät durch seinen Namen den Einfluss der US-Architektur: „Chicago“. Es handelt sich dabei nur um eines von zahlreichen funktionalistischen Gebäuden, die zu einer Zeit errichtet wurden, als die Tschechoslowakei zu den reichsten Staaten der Welt gehörte.

Einzigartig sind auch die wenigen kubistischen Gebäude in Prag. Die kubistische Architektur war eine architektonische Sackgasse, die nur in der Tschechoslowakei zu finden war. Die Grundrisse und Fassaden kubistischer Gebäude, wie etwa des „Hauses zur schwarzen Madonna“, erinnern an einen Diamanten und dessen Struktur.

Das jüdische Prag
Werden Ausländer nach einer Person gefragt, die sie mit Prag in Verbindung bringen, antworten die meisten: Franz Kafka. Die Geschichte des jüdischen Prags begann aber viele Jahrhunderte früher, wovon viele erhaltene wertvolle Denkmäler Zeugnis ablegen. Das ehemalige jüdische Ghetto, welches an die Altstadt grenzt, umfasst insgesamt sechs Synagogen. Die älteste von ihnen, die Alt-Neu-Synagoge, stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist von zahlreichen Legenden umwoben. Sie ist die älteste erhaltene Synagoge Zentraleuropas, in der immer noch Gottesdienste abgehalten werden.


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Der berühmte jüdische Friedhof erstreckt sich über eine sehr bescheidene Fläche, beheimatet aber an die 12.000 Grabsteine; die ältesten von ihnen stammen aus dem 15. Jahrhundert. Die Inschriften in der anliegenden Pinkas-Synagoge erinnern an die fast 80.000 tschechischen und mährischen Opfer des Holocaust.

Erholungsgebiet am Stadtrand, aber auch im Zentrum
Hat man von Kultur und Gebäuden genug, so findet man in Prag dank der zahlreichen Parks und Gärten mehr als genug Möglichkeiten, abzuschalten. Junge Leute, Sportler und ganze Familien (natürlich auch viele Hundebesitzer) kommen an freien Wochenenden gerne in den Stromovka-Park, eine der größten Grünanlagen Prags und früher beliebtes Jagdrevier der tschechischen Könige. Mit der Straßenbahn gelangt man dann direkt aus dem Zentrum an den Stadtrand in die „Divoká Šárka“, ein Naturschutzgebiet mit Canyons, Hügeln, Bächen und Wiesen.

Wer das Stadtzentrum nicht verlassen will, der kann sich etwa im Petříner Obstgarten ins Gras legen und die Natur genießen. Der Garten bildet zusammen mit drei weiteren Gärten das größte Grünareal der tschechischen Metropole.


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Ungewisse Zukunft für das Stadtzentrum
Die Zukunft Prags hängt stark von der Entwicklung des Tourismus ab. Viele Prager meinen, dass – was die Beeinträchtigung des Lebensstandards im Zentrum aufgrund des Massentourismus betrifft – bereits der Point of no return erreicht ist. Prag könnte sich damit zu einer Stadt entwickeln, in der man im Zentrum einkauft und arbeitet, aber nicht lebt. Das wird allerdings nichts daran ändern, dass man in den Prager Straßenbahnen auch weiterhin ein besonderes Phänomen betrachten kann: fährt man nämlich an einem berühmten Panorama vorbei, merkt man, dass auch die Einheimischen plötzlich von ihrer Zeitung aufblicken oder ihr Gespräch einstellen um den Anblick zu genießen.


Weitere Stadtporträts finden sie unter dem Menüpunkt "Meine Stadt".  Bis jetzt sind erschienen: Belgrad, Budapest, Zagreb, Ljubljana, Bukarest, Moskau, Krakau, Sarajevo, Sofia und Bratislava.
(Compress Prag jkr)

Fotos © Compress
erstellt am: 2007-08-14