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In diesen Tagen geht so viel drunter und drüber, dass es fast logisch erscheint, dass sich ausgerechnet eine Serie, die schon im Sommer 2018 bestellt wurde, als perfektes Social-Distance-Format für Corona-Zeiten erweist. Klassische Dreharbeiten (oder gar Kameras) waren für die Produktion vom neunteiligen Mystery-Thriller, der nun bei Apple TV+ erscheint, jedenfalls nicht nötig. Und da sich Calls - wie der Titel schon verrät - lediglich um Telefonate dreht, mussten die Stars nicht einmal in ein professionelles Tonstudio, sondern konnten gemütlich und sicher von Zuhause am Handy mitspielen.
Du kannst die Serie Calls jetzt sofort bei Apple TV streamen.
Calls ist eigentlich mehr Hörspiel als Serie, wobei man trotzdem jede Sekunde gebannt auf den Bildschirm blickt. Denn der Regisseur und Autor Fede Alvarez („Evil Dead“, „Don't Breathe“), der die US-Adaption des französischen Originals von Timothee Hochet umgesetzt hat, nutzt abstrakte Animationen, um seine Dialoge zum Leben zu erwecken. Im Gegensatz zur noch minimalistischeren Vorlage hat der uruguayische Filmemacher hier ganz schön in die Trickkiste gegriffen.
Seinem dynamischen wie hypnotischen Visualisierungsstil - der so schick aussieht, wie man es von Apple erwartet - ist es zu verdanken, dass das Experiment Calls überraschenderweise glückt. Und dass sich die Serie, die unter anderem mit den Stimmen von Pedro Pascal, Nick Jonas und Lily Collins wirbt, wie gesagt nicht nur hören, sondern auch sehen lassen kann.
Viele mögen noch nicht ganz verstanden haben, worum es in der Serie überhaupt geht. Calls erzählt über neun Episoden, die zwischen 13 und 21 Minuten lang sind, die übergreifende Geschichte eines physikalischen Phänomens, das für Chaos auf der Erde sorgt. Jede Folge stellt neue Figuren ins Zentrum, die unsere Perspektive auf das mysteriöse Ereignis erweitern. Die gesamte Erzählung besteht dabei nur aus Telefonaten, wenngleich die jeweiligen Protagonisten meist zwischen mehreren Anrufen hin- und herschalten (ziemlich unhöflich, wie ich übrigens finde).
Bis wir wirklich verstehen, was abgeht, dauert es bis zum Finale Leap Year Girl, obwohl uns auch der Pilot, der lustigerweise den Titel The End trägt, schon eine krasse Kostprobe gibt (wir sehen nämlich eine Vorausblende in die Zukunft). Viele dürften vom stressigen Auftakt direkt abgeschreckt werden, aber versprochen: Ab der zweiten Folge, die dann auch The Beginning heißt, wird es deutlich fokussierter. Spätestens nach der fantastischen dritten Episode, Pedro Across the Street, sollte man dann wissen, ob Calls einem Spaß macht oder nicht...
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Auf die Auflösung des Rätsels wollen wir in dieser Besprechung natürlich nicht genauer eingehen. Nur so viel: Es hat etwas mit der Zeit und mit dem Tod zu tun. Weitere Hinweise finden sich vielleicht im folgenden Einstein-Zitat, das der Vater der Relativitätstheorie als Nachruf auf seinen verstorbenen Freund Michele Besso niederschrieb: „Nun ist er mir auch mit dem Abschied von dieser sonderbaren Welt ein wenig vorausgegangen. Das bedeutet nichts. Für uns gläubige Physiker hat die Scheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nur die Bedeutung einer, wenn auch hartnäckigen, Illusion.“
Neben physikalischen Ideen und existenzialistischen Sorgen dreht sich Calls auch um Beziehungen und Familie. So geht es gleich mehrmals um Paare, die nicht ganz ehrlich miteinander sind. Oder um Geschwister, die ihren negativen Rollenbildern einfach nicht entkommen können. Die emotionalen Höhepunkte markieren mit Mom und Is There a Scientist on the Plane? wahrscheinlich die zwei letzten Ausgaben vor dem großen Abschluss. Als zur entscheidenden Sekunde dann auch noch ein bestimmter Song von Stevie Wonder erklingt, war es um mich ganz und gar geschehen...
Spricht man über Emotionen bei Calls darf man bei all dem Staunen über die einzigartige Inszenierung natürlich auch die sagenhaften Schauspielleistungen nicht außer Acht lassen. Dass Pedro Pascal auch ohne sein Gesicht Gefühle ausdrücken kann, wissen wir bereits seit The Mandalorian. Doch diesmal steht ihm nicht mal eine physische Präsenz zur Verfügung, womit sich die Herausforderung der Synchronsprecher auch signifikant von Animationsserien abhebt. Nur der Name ihrer Figur steht im Bild geschrieben, keinerlei Hinweise zum Äußeren.
Wer also Witze macht, dass Calls nur Corona-Beschäftigung für Hollywoodstars sei, damit sie nicht wieder schreckliche „Imagine“-Cover trällern, sollte bedenken, wie schwierig es ist, Schauspiel einzig über die Stimme auszuleben. Klar gibt es auch viele grandiose Hörspiele, aber die Apple-Serie glänzt zusätzlich mit ihren fesselnden Visualisierungen. Auf den ersten Blick scheinen sie oft zufällig, dabei stecken hinter fast allen Formen tiefere Bedeutungen. Hält eine Figur beispielsweise ein Geheimnis zurück, wirken ihre Resonanzwellen unterdrückt. Wird jemand einer Lüge überführt, zieht sich ein Kreis um den Namen enger zusammen. Schmilzt jemandem das Gesicht weg, wird auch das visualisiert (kleiner Spoiler).
Kleinigkeiten wie diese fallen einem spätestens beim zweiten Schauen auf - woraus man schließen kann, dass ich die Serie bereits doppelt gesehen habe, was ein weiteres Indiz für ihre Qualität sein dürfte. Dabei war ich vorab wirklich nicht begeistert vom experimentellen Telefonstil von Calls, den ich für aufgesetzt und unnötig hielt. Immer schön, wenn man eines Besseren belehrt und der eigene Zynismus in die Schranken gewiesen wird. Eine ganz klare Empfehlung, besonders auch für Fans von H. P. Lovecraft, The Twilight Zone oder dem apokalyptischen „Cloverfield“-Franchise...
(Kriegt man als Kritikerin oder Kritiker von Apple vor der Veröffentlichung einer neuen Serie erste Screener zu sehen, muss man sich übrigens darauf einstellen, den eigenen Namen immer wieder als Wasserzeichen im Bild zu sehen. Das dient dem Schutz vor Raubkopien, sorgt im vorliegenden Fall aber dafür, dass man selbst Teil der Geschichte wird. An ein, zwei Punkten dachte ich jedenfalls, wer denn dieser B. Bock ist, der sich da ins Gespräch einmischt?)
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Hier abschließend noch der Trailer zur neuen und innovativen Apple-Serie Calls:
Darsteller | Rolle | |
---|---|---|
Nicholas Braun | …………… | |
Clancy Brown | …………… | |
Lily Collins | …………… | |
Rosario Dawson | …………… | |
Mark Duplass | …………… | |
Karen Gillan | …………… | |
Judy Greer | …………… | |
Paul Walter Hauser | …………… | |
Danny Huston | …………… | |
Nick Jonas | …………… | |
Riley Keough | …………… | |
Joey King | …………… | |
Stephen Lang | …………… | |
Jaeden Martell | …………… | |
Paola Nunez | …………… | |
Pedro Pascal | …………… | |
Edi Patterson | …………… | |
Aubrey Plaza | …………… | |
Danny Pudi | …………… | |
Ben Schwartz | …………… | |
Aaron Taylor-Johnson | …………… | |
Jennifer Tilly | …………… |
Was bedeutet eigentlich „TBA“ in der Anzeige bei Episodenführern?