New Jersey, 1952. Fasziniert von seinem ersten Kinobesuch und verfolgt von den kraftvollen Bildern des Oscar-prämierten Films The Greatest Show on Earth (1952) von Cecil B. DeMille, kehrt der junge Sammy Fabelman nach Hause zurück, um diesen Film nachzuspielen.
Er wird in Die Fabelmans von seiner liebevollen Mutter Mitzi ermutigt und entdeckt eine unwiderstehliche Leidenschaft für das Drehen von Heimvideos. In der Folge werden die kreativen Projekte des Jungen immer ehrgeiziger, inspiriert von John Ford und The Man Who Shot Liberty Valance (1962). Als jedoch ein lebensveränderndes Familiengeheimnis, das im Verborgenen liegt, die Familienbande belastet und seine Arbeit beeinflusst, muss Sammy an die Kraft der Linse glauben, den langsamen Prozess des Erwachsenwerdens akzeptieren und seinen Traum verfolgen, ein Geschichtenerzähler zu werden.
Filmkritik „Die Fabelmans“ durch Bjarne Bock exklusiv für Serienjunkies.de
Mit Die Fabelmans präsentiert der US-Regisseur Steven Spielberg eines seiner persönlichsten Werke. Es geht um die Faszination der Filmkunst sowie um familiäres Trauma. Vor allem Michelle Williams glänzt dabei in der Mutterrolle.
Selbst mit Mitte Siebzig kann ein Mann noch so eng in Verbindung mit seinem inneren Kind stehen, dass es einen zweieinhalbstündigen Film inspiriert. Steven Spielberg, dessen Name ganz oben erscheint, wenn man das Wort „Regisseur“ googelt, zeigt sich mit seinem jüngsten Werk, „Die Fabelmans“, selten verletzlich. Zum ersten Mal seit über 20 Jahren hat er dabei auch am Drehbuch mitgewirkt, was unterstreicht, wie persönlich das Projekt für ihn war. Gewidmet hat er es seinen Eltern, die erst vor wenigen Jahren aus dem Leben schieden.
Porträtiert werden die beiden, die hier Mitzi und Burt Fabelman heißen, von Michelle Williams (Fosse/Verdon, Dawson's Creek) und Paul Dano („The Batman“, Escape at Dannemora). Youngster Gabriel LaBelle darf derweil als junger Stellvertreter für Spielberg selbst fungieren, der auf den Namen Sammy hört. Wir erleben seine Kindheit, mit der ersten lebensverändernden Kinoerfahrung und späteren familiären Desillusionierungen...
Ebenfalls im Ensemble mit dabei: Seth Rogen (Pam & Tommy, „Superbad“) als Onkel Bennie, Jeannie Berlin (The Night Of) als Großmutter Hadassah und Gaststar Judd Hirsch (Superior Donuts, „Taxi“), der - wie auch Williams - durch seinen Auftritt sehr gute Chancen auf einen Oscar haben dürfte. Chloe East (Generation) ist zudem als love interest dabei, während Julia Butters, Keeley Karsten und Sophia Kopera die vernachlässigten Schwestern des Protagonisten spielen.
Die Geschichte spielt Anfang der 1950er in New Jersey. Der junge Sammy (LaBelle) hat ein erstes cineastisches Erweckungserlebnis, als er mit seinen Eltern Cecil B. DeMilles Klassiker „The Greatest Show on Earth“ im Lichtspielhaus sieht. Eine Actionszene mit einem Zugunglück bleibt ihm besonders im Gedächtnis. Tatsächlich entwickelt das Kind darüber eine Obsession und wünscht sich zu Chanukka eine Modelleisenbahn, um die Vision zu wiederholen. Das Ganze hat etwas Zwanghaftes an sich, doch Sammys künstlerisch veranlagte Mutter Mitzi (Williams) unterstützt die Mission, während sein Vater, der nüchterne Technikfachmann Burt (Dano), weitaus weniger begeistert scheint.
Hier erkennt man bereits früh zwei Grundmotive, die im Film eine wichtige Rolle spielen: Für Sammy hat der Prozess des Filmens und Inszenierens viel mit Kontrolle zu tun. Und dieser starke Wunsch nach Kontrolle könnte mit der Unsicherheit im familiären Umfeld zu tun haben. Denn wir merken schnell, dass Mitzi und Burt keine elterliche Einheit bilden. Die beiden sind grundverschieden, und während Burt sich für Mitzi aufopfert, ohne dabei zu versuchen, zu verstehen, wie sie tickt (anders als seine geliebten elektrischen Geräte), bekämpft sie ihn immer wieder, weil sie ihn verantwortlich macht für das unbefriedigende Leben, in dem sie gefangen ist. So macht sie aus dem gemeinsamen Spiel mit ihrem Sohn ein Geheimnis vor dem Vater, das diesen ausschließen und sie als Mutter mit dem Kind zusammenschweißen soll.
Mitzi ist eine faszinierende Figur, die von Williams großartig gespielt wird. Wenn man nicht aufpasst, würde man leicht in die Falle tappen, sie als Schurkin der Geschichte einzuordnen. Doch das läge Spielberg vermutlich fern, eher wirkt sein Film nämlich wie eine Liebeserklärung oder zumindest eine gewährte Vergebung gegenüber der Mutter. Klar verletzt sie unzählige Grenzen in der Erziehung und hinterlässt bei ihren Kindern einen emotionalen Schaden, der über Generationen weitervererbt werden könnte, wenn er nicht therapiert wird. Gleichzeitig lebt Mitzi in einer Zeit, in der sie als Frau nie die Wahl hatte, ein Leben zu wählen, das zu ihr gepasst hätte. Sie sieht sich als gefangener Vogel.
Beleidigt wäre man vielleicht eher als Spielbergs Vater über diesen Film. Aber auch das ist symptomatisch für Familien, in denen ein Elternteil in emotionaler Hinsicht nicht erwachsen agiert. Das andere Elternteil sorgt dann zwar häufig für ein Mindestmaß an Stabilität, wird von den Kindern aber leider übersehen. Gegen Ende kriegt Burt - oder holt sich Dano als Darsteller - dann doch noch seine Momente. Und hier wird dann auch wieder die Brücke zum angeblichen Hauptthema des Filmes geschlagen, nämlich Sammys Entwicklung hin zum jungen Regisseur, der glaubt, sich zwischen seiner Kunst und seiner Familie entscheiden zu müssen (wie es ihm der Charakter von Hirsch einredet).
„Die Fabelmans“ ist ein sehr langer Film, der viele Phasen in der Familiengeschichte und in Sammys Erwachsenwerden abdeckt. Einige Phasen, vor allem seine Zeit an der High School, sind natürlich weniger interessant als andere (das Highlight ist vielleicht der folgenschwere Campingausflug). Über eine Sache können wir in dieser Besprechung aus Spoiler-Gründen leider nicht vertieft sprechen, doch so viel sei gesagt: Das Finale, das sich Spielberg ausgedacht hat, ist ganz wunderbar und rundet das charmante Gesamtwerk großartig ab.
Steven Spielberg hat mit „Die Fabelmans“ einen autobiografischen Film gedreht, der am Ende mehr seiner von Michelle Williams porträtierten Mutter gehört als ihm selbst, was aber nicht bedeutet, dass bei seinem eigenen Alter Ego (gespielt vom soliden Newcomer Gabriel LaBelle) Abstriche gemacht wurden. Tatsächlich ist in dem Zweieinhalbstünder genug Platz für beide Botschaften: die Liebe für das Kino mit vielen schönen Einzelheiten und Einfällen (man denke an die Explosionslöcher im Film), aber auch das familiäre Trauma, das einige noch faszinierender finden könnten.
Dass der Film nicht den Anspruch hat, ein realistisches Psychogramm der Spielbergs zu zeichnen, wird bereits am Titel deutlich. In dem Wort Fabelmans steckt die „Fabel“, und tatsächlich wirkt vieles verträumt. Vor allem die Dialoge sind fern von dem, wie normale Menschen sprechen würden. Das ist jedoch keine Schwäche, sondern Absicht, zumal Erinnerungen selbst ähnlich funktionieren. Wenn ein Mann Mitte Siebzig an seine Kindheit zurückdenkt, sieht er alles durch einen Filter, was seine Schilderungen aber nicht weniger interessant macht - ganz im Gegenteil. Vier von fünf Kameras.
Darsteller | Rolle | |
---|---|---|
Gabriel LaBelle | Sammy Fabelman | |
Michelle Williams | Mitzi Fabelman | Venom 2, Venom: Let There Be Carnage, Venom, Dawson's Creek, Dying For Sex, Fosse/Verdon |
Paul Dano | Burt Fabelman | Dumb Money - Schnelles Geld, Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt, Mr. and Mrs. Smith, Pantheon, War and Peace, Escape at Dannemora |
Seth Rogen | Benny Loewy | Kung Fu Panda 3, Der Super Mario Bros. Film, Teenage Mutant Ninja Turtles - Mutant Mayhem, Dumb Money - Schnelles Geld, Mufasa: Der König der Löwen, Invincible, Freaks and Geeks, Pam & Tommy, The Studio, Sausage Party: Foodtopia, Platonic, Undeclared, Santa Inc. |
Judd Hirsch | Uncle Boris Podgorny | |
David Lynch | John Ford | |
Jeannie Berlin | Hadassah Fabelman | |
Julia Butters | Reggie Fabelman | Freakier Friday, American Housewife |
Keeley Karsten | Natalie Fabelman | |
Sam Rechner | Logan Hall | |
Mateo Zoryan Francis-DeFord | Younger Sammy Fabelman | |
Chloe East | Monica Sherwood | Heretic, Generation, Ice, Kevin (Probably) Saves the World |
Isabelle Kusman | Claudia Denning | |
Robin Bartlett | Tina Schildkraut | |
Oakes Fegley | Chad Thomas | |
Sophia Kopera | Lisa Fabelman | |
Birdie Borria | Younger Reggie Fabelman | |
Alina Brace | Young Natalie Fabelman | |
Chandler Lovelle | Renee | |
Gustavo Escobar | Sal | |
Nicolas Cantu | Hark | Teenage Mutant Ninja Turtles - Mutant Mayhem, The Walking Dead: World Beyond, Tales of the Teenage Mutant Ninja Turtles |
Cooper Dodson | Turkey | |
Gabriel Bateman | Roger | |
Stephen Matthew Smith | Angelo | |
Lane Factor | Dean | |
James Urbaniak | Grand View High School Principal | |
Alex Quijano | Grand View High School PE Coach | |
Kalama Epstein | Barry | |
Connor Trinneer | Phil Newhart | |
Greg Grunberg | Bernie Fein |