ERBEN Laßt uns trinken
Wir wollen unabhängig bleiben, als großes Familienunternehmen frei von Bindungen an Dritte. Wir werden nicht nach den Sternen greifen. Ernst Wilhelm Sachs 1965
Zehn Jahre nach seinem Gelübde
griff Ernst Wilhelm Sachs gemeinsam mit seinem Bruder Gunter nach den Millionen -- und stürzte den Clan in eine ebenso blamable wie bittere Familienposse.
Die brüderlichen Erben, seit Jahren eifrig darum bemüht, sich durch häufigen Umgang mit Starlets und Society-Größen den Ruf einwandfreier Playboys zu erwerben, waren forsch rangegangen: Für etwa eine halbe Milliarde Mark verkauften sie 74,9 Prozent ihrer Fichtel-und-Sachs-Gruppe an den englischen Maschinenbau-Konzern Guest Keen and Nettlefolds.
Mit diesem Debut als Finanzartisten hatten die beiden flotten Vierziger -- Ernst Wilhelm ist 46, Bruder Gunter 43 Jahre alt -- einen nennenswerten Beitrag zur Unterhaltung des westdeutschen Publikums geliefert: Einige Wochen lang standen die beiden, deren Ruf als Lebemänner nicht mehr so
*Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Münchner Circus Krone.
recht strahlen will, wieder voll im Blickfeld der Medien.
Ihr Image geriet vollends in Gefahr. als Eleonora Sachs, geschiedene Ehefrau des älteren Sachs-Bruders, auf der Szene erschien. Ihren drei minderjährigen Töchtern zuliebe ("Für Monika, Elinor und Carolin tu' ich alles") protestierte und prozessierte die Ex-Gattin gegen das Millionengeschäft: Sei das Bare erst einmal in der Schweiz, könnten ihre vom Großvater Willy Sachs als Nacherben eingesetzten Töchter allzuleicht um ihre Ansprüche betrogen werden.
Die Sachs-Brothers hingegen hatten nach eigenem Eingeständnis vor allem das Wohl des ererbten Konzerns (1,1 Milliarden Mark Umsatz, 17 000 Beschäftigte) im Auge gehabt, der ihnen Jahr für Jahr eine stattliche Apanage einbrachte. Weil die Zukunftssicherung »nun einmal unendlich viel Kapital erfordert« (Gunter Sachs), das die beiden Privatiers in Notfällen kaum heranschaffen könnten, habe es sich auch im Interesse der Sicherheit der Arbeitsplätze empfohlen. den potenten Partner aus London aufzunehmen.
Der Handel hatte, beiläufig, auch andere Vorteile. Die stolzen Besitzer des Erbes konnten eine selbst für Spitzenverdiener kaum vorstellbare Summe einstreichen. Der Batzen machte auch Frau Eleonora Appetit.
Die heute 40jährige hatte sich die Jahre, die seit ihrer Scheidung 1973 vergangen sind, unter anderem damit vertrieben, gewagte Kissenkreationen (etwa in teure italienische Stoffe eingenähte Daunenpolster in Herzform) zu entwickeln. Als jedoch die Verkaufsgerüchte vom Ex-Ehemann bestätigt wurden, war es aus mit der Näharbeit der Schneiders-Tochter: Frau Lo machte dem Freilauf der Sachs-Brüder ein jähes Ende.
Das Testament des Erblassers Willy Sachs aus dem Jahre 1954 schien ihr die passenden Stichworte für ein erfolgreiches Eingreifen zu enthalten. Denn bevor sich Vater Sachs das Leben nahm, hatte der Erfolgsunternehmer in seinem Testament eine eigenwillige Erbfolge verfügt.
Weil er seinen beiden Söhnen die Führung des Familienunternehmens nicht so recht zutrauen mochte, setzte er -- wohl in der Hoffnung, die neue Generation werde schon wieder ein Unternehmertalent hervormendeln -- seine fünf Enkel als Nacherben ein. Für beide Söhne blieb nur die satte Dividende von rund sieben Millionen pro Jahr und ein Sitz in dem fünfköpfigen Testamentsvollstrecker-Rat, der das Vermögen unbeschädigt den Enkeln weitergehen sollte.
Dabei kam es dem Alleinherrscher »darauf an, durch die Anordnung der Nacherbschaft und die Einsetzung der Testamentsvollstrecker das Vermögen als Familienbesitz zu bewahren«.
* Mit zweiter Ehefrau.
Genau diese Passage in Willy Sachsens letztem Willen war auch Walter Ell, Rechtsanwalt zu Schweinfurt. aufgefallen. Der Jurist hatte Frau Eleonora in ihrem Scheidungsprozeß vertreten und bei dieser Auseinandersetzung auch das Testament zu Gesicht bekommen.
Anfang Dezember forderte der Jurist die Millionäre heraus. Er verlangte im Namen seiner Mandantin 40 Prozent jener Summe, die der Vater der drei Kinder einnehmen würde. Nur wenn diese Zahlung zugesichert, könne die Mutter als gesetzliche Vertreterin der drei unmündigen Nacherben den Verkauf an die Engländer akzeptieren.
Auch an sich selbst hatte Frau Lo großherzig gedacht. Bis zum vierzigsten Geburtstag ihrer jüngsten Tochter, also bis ins Jahr 2003, sollte der Nießbrauch an den Millionen ihr zustehen. Die Kinder sollten mit der Finanzierung eines angemessenen Lebensunterhaltes abgefunden werden.
Diesen Handel mochte weder Ernst Wilhelm Sachs noch Gunter Sachs akzeptieren. Ihr Argument: Dem Erblasser sei es zwar ein »Herzensbedürfnis« gewesen. den Nachlaß in Familienhand zu halten. Doch habe Willy Sachs ausdrücklich von Vermögen, nicht von der Firma gesprochen. Deshalb könne aus dem Testament kein Verkaufsverbot abgeleitet werden, im Gegenteil: Die langfristige Sicherung des Besitzstandes sei unter Umständen viel eher durch einen Verkauf und durch breitgestreutes Wiederanlegen der Millionen gesichert als durch das Konservieren des Ererbten. Selbst florierende Unternehmen seien kurzfristig in Schwierigkeiten und für die Erben verlorengegangen.
Doch derlei Einwände konnten Anwalt Ell nicht überzeugen. Wenige Tage später reichte er im Namen seiner Mandantin beim Amtsgericht Rosenheim -- dort war Willy Sachsens Testament hinterlegt -- gegen die Brüder Klage ein. Weil die Vorerben Ernst Wilhelm und Gunter Sachs ihre Rechte zu Lasten der Nacherben -- neben den zwei Gunter-Söhnen Rolf (20) und Christian (4) -- vor allem der drei Ernst-Wilhelm-Töchter überschritten hätten, könne aus dem Verkauf nichts werden.
Und weil nach Ells Ansicht auch die Testamentsvollstrecker das Vermächtnis des Erblassers Willy Sachs nicht beachtet hatten, als sie sich mit der Transaktion einverstanden erklärten, regte Ell am 15. Dezember vorsichtshalber den Rosenheimer Amtsrichter Paul Wolf an, die fünf zu entlassen. Tags darauf dann -- Richter Wolf wußte mit der »Anregung« nichts Rechtes anzufangen -- beantragte der Anwalt offiziell die Entlassung.
Zwei Tage später war auch das geschafft. Offenbar aus Furcht, die Gebrüder könnten in einer Blitzaktion den Handel doch noch perfekt machen, verzichtete Wolf auf die Anhörung der Testamentsvollstrecker. Er entschied weitgehend in Elis Sinn.
Als dann auch noch die Zeitungen, von EIl mit allerlei Neuem und Altem aus dem Hause Sachs wohlversorgt, die beiden Brüder angriffen, war es um deren Zurückhaltung geschehen. Zwei Tage vor Heiligabend konterten sie mit einem Kommuniqué, das die von der Boulevardpresse als treusorgende Mutter aufgebaute Frau Eleonora demontieren sollte. Weil sie nicht länger bereit seien, die »von der Gegenseite in die Öffentlichkeit getragenen Unwahrheiten, Halbwahrheiten und böswilligen Unterstellungen« hinzunehmen, enthüllten die beiden Sachse die Verhandlungsstrategie des Ex-Mannequins.
Gefahr für die von Vater Willy bevorzugten Enkel habe ohnehin nie bestanden: »Es war mit der Firma GKN von Anfang an vereinbart, daß auch der Kaufpreis für die Aktien bei einer Bank hinterlegt wird und der Testamentsvollstreckung unterliegt.«
Ein pikantes Detail der Verhandlungen hatten Frau Los Widersacher ausgelassen: Nachdem ihre erste Forderung nicht akzeptiert wurde, hatte Frau Lo sich auch mit kleineren Beträgen zufriedengeben wollen. Einige Millionen, hatte sie signalisiert, könnten ihr einen Meinungswechsel erleichtern.
Solche Finessen schienen Mitte letzter Woche einstweilen nicht von Belang. Wenige Stunden nach Veröffentlichung ihrer Gegendarstellung hatte das Landgericht Traunstein auf Antrag der Brüder Sachs die Vollstreckung des Rosenheimer Beschlusses ausgesetzt und damit die Testamentsvollstrecker wieder in ihr altes Amt eingesetzt.
Bruder Gunter fand wieder zu alter Form. Im Münchner Restaurant »La Cave« tönte er gutgelaunt: »Laßt uns fröhlich sein und endlich einen trinken.«