Spannende Zeiten! Was Microsoft jüngst auf seiner Entwicklerkonferenz zu künstlicher Intelligenz, einer neuen Notebook-Klasse mit deutlich stärkeren Snapdragon-X-CPUs und seinem neuen Betriebssystem für die ARM-Architektur angekündigt hat, klingt wirklich vielversprechend.
Das gilt auch angesichts der Tatsache, dass Apple diesen Schritt schon vor Jahren sehr erfolgreich in aller Konsequenz vollzogen hat. Inzwischen wurde die komplette Mac-Modellpalette auf ARM-CPUs aus eigener Produktion umgestellt; Modelle mit Intel-x86-Prozessoren werden nicht mehr angeboten.
Dass Microsoft nun also zusammen mit den wichtigen Rechnerherstellern Acer, Asus, Dell, HP, Lenovo und Samsung einen ähnlichen Schritt ankündigt, weist also durchaus in die Zukunft.
Windows Copilot: So nutzen Sie das KI-Tool in Windows 11
Andererseits ist man als langjähriger IT-Beobachter geradezu alarmiert, wenn Microsoft wieder einmal eine „neue PC-Ära“ ankündigt. Das Gleiche hatte der Konzern 2012 mit Windows RT schon einmal versprochen, doch nicht einmal zwei Jahre später war „die neue PC-Generation auf der ARM-Plattform“ schon wieder Geschichte. Dann wurden die letzten Geräte mit Windows RT vom Markt genommen.
Gewiss, seitdem haben sich die Zeiten gehörig gewandelt und die heutigen ARMCPUs lassen sich mit den damaligen kaum vergleichen. Die Stärke von Apples ARM-Chips gegenüber denen von AMD und Intel auf der sogenannten x86-Architektur zeigt sich unter anderem darin, dass sie bei gleicher Anzahl der Kerne schneller arbeiten und trotzdem weniger Strom verbrauchen. Die Notebooks halten folglich mit einer Akkuladung länger durch.
Microsoft definiert „Copilot+ PCs“ als neue Klasse von Rechnern, die zusätzlich zur CPU und GPU eine leistungsstarke Neural Processing Unit (NPU) für KI-Aufgaben mitbringen.
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Das alleine garantiert noch keinen Erfolg für das neue System und die neuen Rechner. Denn eine der Stärken von Windows war immer die Kompatibilität mit angestammter Software. Die aber muss sich erst noch erweisen, schließlich läuft ein Teil der bisherigen Anwendungen im neuen Windows on ARM auf einer Emulation.
Im besten Fall merken die Anwender davon gar nichts, nicht einmal bei der Geschwindigkeit.
Im schlechten Fall aber könnte manche Software gar nicht laufen, und das dürfte für viele Windows-Nutzer ein No-Go und damit eine bewusste Entscheidungen gegen die ARM-Architektur sein. Bis zuletzt ließ sich Microsofts Versprechen, dass „die meisten vorhandenen Apps und Tools auch auf neuen ARM-Geräten problemlos laufen“, noch nicht überprüfen.
Ob dies tatsächlich zutrifft, wird sich frühestens zeigen, wenn die ersten Rechner zur Jahresmitte erhältlich sind. Immerhin ist die neue Hardware bei Weitem nicht so heterogen, wie dies bei Windows-Rechnern ansonsten üblich ist. Offen ist auch, wie schnell und flüssig gerade ressourcenintensive x86-Anwendungen wie beispielsweise Spiele auf ARM-Geräten laufen.
Nach der Erfahrung aus den zurückliegenden zwei Jahrzehnten, dass nur jede zweite Windows-Version erfolgreich wird – das trifft auf XP, 7 und 10 zu und steht im Gegensatz zu den Editionen ME, Vista, 8 und 11 dazwischen – könnte die nächste nun also wieder gelingen. Wie gesagt, spannende Zeiten.
Windows und Surface-Geräte mit neuer ARM-Architektur
Nach dieser Einordnung werfen wir einen detaillierten Blick auf das, was Microsoft Ende Mai vorgestellt hat. Vieles drehte sich auf der firmeneigenen Entwicklerkonferenz um künstliche Intelligenz und damit verbunden um neue Copilot-Funktionen und -Versionen.
Copilot Pro: Was kann die bessere Version der Microsoft-KI?
Gleichzeitig stand und steht KI im Mittelpunkt der neuen PC-Hardware mit CPUs auf ARM-Architektur und der zugehörigen neuen Windows-Version.
Solche Geräte gab es bei Microsoft nach dem Flop von Windows RT zuletzt nur als absolute Nischenprodukte. Jetzt nimmt man in Redmond einen neuen Anlauf, um der zunehmenden Konkurrenz von Apple etwas entgegenzusetzen.
Neben Acer, Asus, Dell, HP, Lenovo und Samsung bietet auch Microsoft KI-Notebooks mit ARM-Prozessoren. Die neuen Surface-Geräte kosten zwischen 1200 und 2500 Euro.
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Das neue „Windows on ARM“ läuft zunächst nur auf Notebooks mit Prozessoren von Qualcomm. Der Firma also, die bei Chips für Smartphones bereits außerordentlich erfolgreich ist.
Passend dazu bringt Microsoft eigene Geräte der neuen „Copilot+ PC“-Klasse auf den Markt: das Surface Laptop als klassisches Notebook und das Surface Pro als Detachable-Gerät mit Touchdisplay und abnehmbarer Tastatur.
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In beiden Modellen arbeitet wahlweise der Qualcomm-Chip Snapdragon X Plus mit zehn 10 Kernen oder Snapdragon X Elite mit zwölf Kernen.
Das Surface Pro mit 13-Zoll-Display kostet abhängig von der Größe des Hauptspeichers und der SSD zwischen knapp 1200 und 2450 Euro. Das Surface Laptop ist mit 13,8- oder 15-Zoll-Bildschirm erhältlich, die Preise reichen ebenfalls abhängig von der Ausstattung von 1200 bis zu 2500 Euro.
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Microsoft spart bei den neuen Geräteklasse nicht mit Superlativen und nennt sie die „schnellsten, sichersten und intelligentesten Windows-PCs, die je gebaut wurden“. Die neue Systemarchitektur aus CPU, Grafikprozessor und der zusätzlichen Hochleistungs-NPU (Neural Processing Unit) soll zu einem „noch nie dagewesenen Leistungsniveau“ führen.
Ein „Copilot+ PC“ sei bis zu 20-mal leistungsfähiger und bis zu 100-mal so effizient bei KI-Aufgaben verglichen mit einer Intel-Core-i7-Konfiguration der zwölften Generation.
Darüber hinaus verspricht Microsoft eine ganztägige Batterielaufzeit: Videos sollen mit einer Akkuladung bis zu 22 Stunden laufen, Surfen im Internet soll über 15 Stunden möglich sein. Voraussetzung für die Klassifizierung als „Copilot+ PC“ sind neben mindestens 16 GByte DDR5 Arbeitsspeicher und einer 256-GByte-großen SSD ein leistungsstarker KI-Prozessor.
Genauere Anforderungen an die CPU nennt Microsoft nicht, die integrierte NPU alleine soll jedoch mindestens 40 Tops liefern, also 40 Billionen Operationen pro Sekunde.
16 neue KI-Notebooks mit zwei verschiedenen Snapdragon-X-CPUs von Qualcomm haben Microsoft und mehrere Hardwarehersteller für die nächsten Wochen angekündigt.
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Anfänglich setzen Microsoft und die übrigen Hersteller ausschließlich die Snapdragon-X-Chips von Qualcomm ein. Noch für den Sommer haben Acer, Asus, Dell, HP, Lenovo, Microsoft und Samsung insgesamt 16 KI-Notebooks angekündigt, die neuen Geräte sollen zum Teil schon im Juni verfügbar sein.
Später sollen auch „Copilot+ PC“-Rechner mit CPUs von AMD und Intel folgen; beide Hersteller setzen jedoch weiter auf die bisherige x86-Architektur, unterstützt durch eine starke Nvidia-Grafik.
Für x86 und ARM: Zweimal Windows 11 Version 24H2
Das Betriebssystem für die neuen KI-Notebooks heißt zwar ebenso Windows 11 und sieht auch so aus wie das bisherige, technisch aber handelt es sich um zwei verschiedene Systeme mit unterschiedlichen Befehlssätzen.
Während Windows von wenigen Ausnahmen abgesehen bislang vor allem auf x86-Hardware meist mit Prozessoren von AMD und Intel lief, arbeitet die neu vorgestellte Variante ausschließlich auf der ARM-Architektur. Auch deshalb wird sie nur vorinstalliert ausgeliefert und nicht separat verkauft.
Siehe auch: Muss mein nächster Laptop wirklich ein KI-PC sein?
Aufzupassen gilt es in den kommenden Monaten beim Versionsstand. Während Windows on ARM sofort als Version 24H2 erscheint, folgt die gleiche Version vom traditionellen Windows erst im Herbst.
Zu den Neuerungen, die das Funktionsupdate im Herbst für alle Nutzer von Windows 11 bringt, zählen unter anderem eine neue Installationsroutine, die native Unterstützung von Wi-Fi 7, die Nutzung von Android-Telefonen als Webcam, die Integration des Optimierungstools PC-Manager, das aus Linux bekannte Superuser-Kommando „sudo“, die Packoption in die Formate 7z und TAR, verbesserte Energie- und Schnelleinstellungen für Netzwerk, Flugzeug- und Nachtmodus sowie den mobilen Hotspot.
Auch das Nebeneinander der beiden parallelen Teams-Versionen will Microsoft mit einem Teams beenden. Bereits in Kürze soll schließlich der KI-Assistent Copilot auf Windows-11-PCs endlich auch in der EU verfügbar sein, und zwar zum Installieren als App aus dem Windows Store.
Recall: Neue KI-Funktion ist vorerst nicht mit an Bord
Über die genannten Änderungen von Version 24H2 hinaus bietet Windows on ARM zusätzliche neue Funktionen. So sollen diverse KI-Aufgaben dank hoher Rechenleistung der NPU-Chips künftig lokal auf dem Gerät und damit deutlich schneller ausgeführt werden als bisher. Schließlich fallen die Latenzen über das Netz weg.
Wichtig: Diese als Recall bezeichnete neue Funktion ist derzeit nicht in den Copilot+-PCs enthalten. Denn Microsoft hat Recall nach Protesten zurückgezogen. Wie es mit Recall weitergeht, muss sich erst noch zeigen. Mehr dazu lesen Sie hier:
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Mehr KI-Performance für Paint, Videos und weitere Software
Mit der KI-gestützten Funktion Restyle lassen sich persönliche Fotos mit einem neuen Stil versehen. Restyle kombiniert Bildbearbeitung und -generierung in einem Schritt.
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Profitieren von der integrierten Neural Processing Unit werden künftig auch andere, KI-unterstützte Programme. So erhält das in Windows integrierte Paint mit Restyle eine neue Funktion, die den Stil vorhandener Bilder ändert.
Hinzu kommt das verbesserte und in Image Creator umbenannte Tool zum Generieren von KI-Bildern.
Die Funktion Live Captions übersetzt künftig in Echtzeit den Ton von Audio- und Videoinhalten; die Übersetzungen werden als Untertitel eingeblendet.
Profitieren sollen ferner der kostenlose KI-Assistent Copilot ebenso wie KI-gestützte Software von Drittanbietern, darunter anfangs unter anderem die Adobe-Software Photoshop, Lightroom und Express.