Small Axe 1x01

Barbara Beese, Rupert Boyce, Frank Crichlow, Rhodan Gordon, Darcus Howe, Anthony Innis, Altheia Jones-LeCointe, Rothwell Kentish, Godfrey Millett - das sind die Namen der Mangrove Nine, die 1970 einen der wichtigsten Gerichtprozesse Großbritanniens nach dem Zweiten Weltkrieg bestritten. Ihrer leider noch viel zu unbekannten Geschichte widmet sich nun die Anthologieserie Small Axe vom oscarprämierten Regisseur Steve McQueen („12 Years a Slave“).

Eigentlich handelt es sich weniger um eine Serie, die der britische Rundfunksender BBC One und der amerikanische Streaminganbieter Amazon Prime Video da bestellt haben, sondern um eine Sammlung thematisch verbundener Fernsehfilme. Den Auftakt machte nun der mehr als zwei Stunde lange Pilot Mangrove, bei dem Letitia Wright („Black Panther“), Malachi Kirby (Black Mirror) und Shaun Parkes (Lost in Space) mitspielen. Lohnt sich das Format?

Worum geht's?

Als Protagonist fungiert Frank Crichlow (Parkes). Er betreibt Ende der Sechziger im Londoner Stadtteil Notting Hill ein nettes Restaurant, das Mangrove heißt. Frank tut sein Bestes, um als Schwarzer Brite ein halbwegs normales Leben in der rassistisch durchseuchten Gesellschaft des Vereinigten Königreichs zu führen. Angebote von zwielichtigen Gestalten, seinen Laden als Hauptquartier für illegale Machenschaften zu nutzen, lehnt der brave Bürger immer wieder ab. Er zahlt seine Steuern und kümmert sich um seine Nachbarn. Und trotzdem reicht das nicht, um seinen Frieden zu finden.

Die Metropolitan Police, vertreten durch den PC Frank Pulley (Sam Spruell), nimmt den Mangrove-Besitzer immer wieder grundlos ins Visier. Irgendwann können Altheia Jones-LeCointe (Wright), Darcus Howe (Kirby) und andere junge Aktivisten der Schwarzen Community diese Schikane gegen ihren Freund nicht länger hinnehmen und organisieren einen großen Protest. Dieser eskaliert am Ende, wodurch sich die eingangs erwähnten Mangrove Nine schließlich vor Gericht wiederfinden...

Den Rest kann man sich schon denken: Judge Edward Clarke (Alex Jennings) ist ein Rassist, die Gerichtsdiener sind Rassisten, die Anwälte sind Rassisten und vermutlich auch die Geschworenen. Einzig der idealistische Verteidiger Ian Macdonald (Jack Lowden) steht als Weißer auf Seiten der Schwarzen Angeklagten. Rasch wird aber klar, dass sie seine Hilfe gar nicht brauchen, denn sie können für sich selbst reden (was eigentlich vor Gericht nur selten klug ist).

Für Serien und Filme, die sich so schonungslos mit derart düsteren Themen wie Rassismus auseinandersetzen, gibt es einen unschönen Ausdruck, der aber einen Hauch von Wahrheit enthält: „Misery Porn“ (zu Deutsch: „Elendsporno“). Und tatsächlich gibt es Werke, wo die Helden von Anfang bis zum Ende nur gequält werden, was in vielen Fällen zwar realitätsgerecht ist, aber eben nicht ermutigend. Small Axe tappt nicht in diese Falle. Trotz all der rassistischen Polizeibrutalität, gibt es Szenen, die pure Lebensfreude ausstrahlen, was die Figuren vermenschlicht und ihr Schicksal ein Stück weit fühlbar macht.

Die Formel geht in etwa so: Ein Drittel der Zeit wird geschrien, ein Drittel der Zeit wird getanzt und ein Drittel dreht sich um die schrecklichen Taten der weißen Polizisten. Musik spielt in Mangrove eine genauso große Rolle wie Rhetorik. Dass der Prozess am Ende durch eine überwältigende Rede von Darcus Howe entschieden wird, passt perfekt. Und in diesem grandiosen Moment denkt man sich heimlich: Die Steve-McQueen-Serie Small Axe hat einfach alles, was der eingebildete Aaron-Sorkin-Streifen „The Trial of the Chicago 7“, der erst kürzlich bei Netflix erschien, vermissen ließ...

Fazit

Die fünfteilige Anthologieserie beziehungsweise Filmreihe Small Axe von Steve McQueen ist womöglich eines der letzten großen Serienhighlights dieses Jahres. Mangrove, der überlange Auftakt, der jede Minute Laufzeit durch Qualität rechtfertigt, weckt noch größere Erwartungen an die Folgestreifen Lover's Rock, Red, White and Blue, Alex Wheatle und Education.

Dass mit Letitia Wright, Malachi Kirby und Shaun Parkes für das packend inszenierte und genial geschriebene Gerichtsdrama schon drei recht namhafte Schauspieler vom Ensemble aufgebraucht wurden, muss uns nicht beunruhigen. Denn in der dritten Ausgabe wird beispielsweise John Boyega („Star Wars“) mitspielen. Hierzulande startet Small Axe wohl am Freitag, den 20. November. Die Ausstrahlung erfolgt wöchentlich. Der Serientitel stammt übrigens von einem Bob-Marley-Song...

„So if you are the big tree, we are the small axe. Ready to cut you down (well sharp), to cut you down.“

Hier abschließend der Trailer zur Anthologieserie Small Axe: