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Verschiedene Dinge nerven in der finalen Staffel der Serie Sons of Anarchy immer mehr. Kurt Sutters seltsame Experimente entspannen die Lage nicht gerade. Die Episode What A Piece Of Work Is Man ist komplett musikfrei und verspielt leider trotzdem einiges an potentiell großen Momenten.
Noch vier Episoden bis zum großen Finale. Großes Drama und furchtbare Schocker sind erwartet worden. Doch bisher enttäuscht die letzte Staffel fast auf ganzer Linie. Es ist sicher nicht einfach, auf eine emotional aufgeladene Serie wie Sons of Anarchy noch einen grandiosen Abschluss zu setzen, doch der Weg, den Kurt Sutter wählt, scheint nicht der beste zu sein. Mittlerweile wirkt es so, als ob er an der Aufgabe verzweifelt.
In der Episode What a Piece of Work Is Man gibt es keine Musik. Das ist besonders erwähnenswert, weil Sons of Anarchy mit den Forest Rangers quasi eine eigene Band hat, Hauptdarstellerin Katey Sagal in jeder Staffel mindestens ein Lied einsingt und manche Episoden zum Auftakt und zum Ausklang eine minutenlange Songmontage zu bieten haben. Kurz zusammengefasst: Musik ist äußerst wichtig für die Serie, manchmal hat sogar erst die sensationell gute Liederauswahl eine Szene groß gemacht. Wer kann sich nicht daran erinnern, wie Jax (Charlie Hunnam) zu den Klängen von „John, the Revelator“ auf dem Friedhof aufwacht, der obdachlosen Frau ihre Decke zurückgibt und mit zielsicheren Schritten zu Donnas Beerdigung geht, wo der trauernde Ehemann, aber auch die Mörder bereits warten.
Sechs Staffeln lang haben Kurt Sutter und sein Team uns mit hochdramatischen Klängen in den Ohren gelegen. Es wirkt, als ob sie selbst davon müde geworden sind. Offenbar haben die Sons of Anarchy-Macher sich gedacht, dass nur absolute Stille das noch toppen kann. Der erste tote Son der finalen Staffel, Bobby (Mark Boone Junior), bekommt also kein emotionales Abschiedslied. Doch, auch wenn die Grundidee der Stille als Träger des Schockmoments vielversprechend ist, in der Episode What A Piece Of Work Is Man funktioniert es nicht. Es ist ein trauriger Abschied für einen einst großartigen Charakter, leider traurig im negativen Sinne von enttäuschend.
Bobby hat seinen Hut genommen. Fünf Episoden vor dem Finale hat die Clubstimme der Vernunft gezwungenermaßen das Handtuch geworfen, just in dem Moment, als es so schien, als ob er zurück an den sicheren Tisch kehrt. Auf dem Papier liest es sich gut. Sie sehen Bobby und Jax hat Gelegenheit, Bobby anzufassen. Er ist quasi schon wieder da, zurückgekehrt von einem Leidensweg, auf dem er für den Club unter anderem ein Auge geopfert hat. Das ist besonders tragisch, weil er über die Staffeln immer die Stimme der Vernunft war. Er hatte sich dafür interessiert, dass die Unternehmungen der Jungs schwarze Zahlen schreiben, er hatte es genossen, dass die Frauen in seiner Umgebung nicht schwierig zu bekommen sind, wenn man eine Kutte trägt, und er hat viel seltener als die anderen an den Gewaltorgien teilgenommen.
Dieser Mann, der Jax' letzte Verbindung zur Vernunft gewesen sein könnte, wird nun also gekidnappt, gefoltert und schließlich eiskalt ermordet. Für Marks (Billy Brown) ist er nicht mehr als einer von den Jungs des Gegners. Und die bedeuten ja niemandem etwas. Auch Jax und die Sons haben schon so einige Menschenleben ausgelöscht, um ein Argument zu untermauern. Es trifft dann meist die, die sich um den Anführer aufgebaut haben, die namenlosen Gangmitglieder. Es ist traurig für uns, aber im Grunde ist es mehr als fair, dass das auch den Sons mal passiert.
Doch es fühlt sich an, als ob die Sons of Anarchy-Macher mit Bobbys Tod einen weiteren potentiell großen Moment verspielen. Die Irrungen und Wirrungen im Streit mit Marks haben ein derart abstraktes Maß angenommen, dass man nicht einmal richtig versteht, wofür Bobby sich da eigentlich geopfert hat. Im größeren Rahmen ist klar, dass er es für die Rache an Taras Mörder getan hat, doch Marks hat mit dem Mord nichts zu tun. Dass Jax Marks nun doch alles erzählt und seine wahren Motive offenbart, macht die Sache nicht besser. Wieso hat er es nicht von Anfang an anders angepackt?
Und vor allem: Wieso kommt Gemma (Katey Sagal) immer noch mit ihrem wilden Lügenkonstrukt durch? Sie entschuldigt sich bei Bobbys Leiche, doch wer hat eigentlich Schuld daran, dass es so gekommen ist? Es ist ein wilder Mix aus Fehlentscheidungen, die zum großen Teil auf den Schultern von Mama und Sohn Teller landen. Und es macht keinen richtigen Spaß mehr, ihnen zuzusehen, wie sie weitere schlechte Strategien entwickeln, während für die große Offenbarung nur noch vier Episoden Zeit bleiben.
Immerhin einer durchschaut das Spiel, zumindest für einen kurzen Moment. Der Sohn des toten Priesters sagt Jax ins Gesicht, was ihm viele Fans wohl schon lange zuschreien wollten: Sein ewiges „Du musst mir vertrauen“-Gerede hat weder Hand noch Fuß und hat auch noch niemandem etwas gebracht! Schade, dass der so weitsichtige im weiteren Verlauf der Folge trotzdem genau das tut, was er nicht will, nämlich Jax vertrauen. Der Präsident kann sich freuen, mit so viel Charisma geboren zu sein, denn sehr viele andere Führungsqualitäten hat er - zumindest im Moment - nicht zu bieten. Und seine alte Leier wäre schon lange wirkungslos geworden, wenn er dabei nicht immer so bestechend dreinblicken würde.
Während die Erwachsenen sich benehmen wie Kleinkinder, hört Abel (Ryder Londo, Evan Londo) weiter interessiert zu, wenn seine Großmutter einen ihrer Anfälle hat. Dass er wieder einmal zufällig da ist, als Gemma sich reumütig über Bobbys Leiche beugt, ist nur noch lächerlich. Er ist ein Kind in einer mehr als ungesunden Umgebung. Er war dabei, als seine Stiefmutter beinahe entführt wurde, was sein Vater nur mit einer Waffe verhindern konnte. Er ist von seiner fahrlässigen Großmutter in einen Autounfall verwickelt worden und er hat gesehen, wie bereits mehrere Familienfreunde zu Grabe getragen worden sind - in aller Regel mit Einschusslöchern oder eingeschlagenen Schädeln. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Kind jedes Recht hat, einen Schaden davonzutragen.
Die Idee, dass der Nachwuchs in einer Welt wie Charming nicht von den Sünden der Väter loskommt, ist alt. Schon Jax kann sich nicht aus seinem Erbe befreien. Dass es also vermutlich Abel ist, der zum großen Showdown beiträgt, ist folgerichtig, doch die Art, wie die Sons of Anarchy-Macher uns das präsentieren, ist mittlerweile nur noch sehr billiges Erzählen. Sie haben die Chance nicht genutzt, Abel zu einem Charakter zu machen, er ist nicht mehr als das Klischee eines Kindes, hat kaum eigenes zu bieten. Da hätte mehr kommen müssen, dann könnte man den Zerfall dieses Kindes geschockt verfolgen. So sitzen wir vor allem da und sehen, wie die Geschichte sich auf ein billiges Ende zubewegt.
Die einzigen Lichtblicke sind Wendy (Drea De Matteo) und Nero (Jimmy Smits), die um Fassung ringend danebenstehen, wenn die Terrorfamilie mal wieder zuschlägt. Neros Blick durch das Fenster, als er sieht, dass Gemma Jarry (Annabeth Gish) zu Boden geschlagen hat, ist einfach Gold wert. Es ist nicht einmal Schock, was sich da widerspiegelt, er scheint nur noch zu denken: „Nicht schon wieder!“ Wendy hat eine der wenigen intelligenten Ideen in der Episode What A Piece Of Work Is Man, als sie anmerkt, dass Stabilität und Erfolgserlebnisse für Abel im Moment sehr wichtig sind und er deshalb nicht die Schule schwänzen sollte. Doch Jax weiß es besser, alle müssen sich gefälligst im sicheren Schoß des Clubs versammeln.
Dagegen steht auch Gemma nicht auf, sie gibt Wendy einen wichtigen Ratschlag in dieser Welt mit auf den Weg: „Wenn du seinem Sohn helfen willst, musst du nach seinen Regeln spielen.“ Es sind die Männer, die die Entscheidungen treffen, die Teil der Gang sind. Den Frauen bleibt es, sich auf Schleichwegen Einfluss zu verschaffen. In der Regel wird dieser Umstand von den Sons of Anarchy-Machern stillschweigend hingenommen, doch es hat immer Spaß gemacht, zu sehen, wie die Frauen die Männer zumeist an die Wand gespielt haben.
Niemand, nicht Clay (Ron Perlman), nicht Jax, keiner der Gegner, kann Gemma das Wasser reichen, wenn es darum geht, etwas durchzusetzen. Tara (Maggie Siff) hatte ihren eigenen Weg gefunden, in dieser Männerdomäne zu bestehen und auch sie hat das alles andere als schlecht gemacht. Die Männer sitzen vielleicht am Tisch, aber oft haben sie keine Ahnung, wer wirklich die Fäden zieht.
In der Episode What A Piece Of Work Is Man zeigt sich an Rat Boy (Niko Nicotera), wie sehr der Club auch den Charakter verändert. Er muss sich nun, da er volles Mitglied ist, an das Männerbild der Gang anpassen, doch das passt nicht mit seiner seiner Beziehung zusammen.
Es gibt noch genügend Seltsames in der Episode What A Piece Of Work Is Man. Sheriff Jarry und Gemma geraten aneinander, was nur richtig ist, denn wir haben schon oft gesehen, dass Gemma Probleme mit Frauen in Führungspositionen hat. Doch wieso Chibs' (Tommy Flanagan) und Jarrys Beziehung immer weiter in die Geschichte rückt, bleibt ein Geheimnis. Die Parkhausszene ist surreal, doch das alleine reicht nicht für gutes Fernsehen. Es ist eher so seltsam, dass es unbeabsichtigt lächerlich wirkt.
Wie Humor in einer Serie wie Sons of Anarchy richtig geht, zeigen die Autoren kurz in dieser Episode selbst. Marks will die Leiche sehen, doch er muss auch weiter in seinem Grab auf der Baustelle zu finden sein. Also stellt man Tig (Kim Coates) und Happy (David LaBrava) in ein Grab und lässt sie dumme Sprüche klopfen, während Jax und Chibs sich in einem anderen Grab abmühen. Das führt dazu, dass man Marks nach einer Bastelstunde mit Happy eine zusammengestückelte Leiche präsentieren kann.
So amüsant der Weg dahin auch ist, langsam wird es ärgerlich, dass Jax' Standardweg, mit seinen Feinden umzugehen, der ist, sie direkt oder indirekt bei den Cops anzuschwärzen. Auf diese Weise hat er Lin (Kenneth Choi) und nun Marks ins Gefängnis gebracht. Auf der einen Seite schlachtet er alle namenlosen oder zumindest weniger wichtigen Figuren ab und veranstaltet wöchentlich mindestens ein Massaker, auf der anderen Seite bringt er alle namhaften Gegner hinter Gitter. Das wird langweilig.
Vor allem, da sich im Gefängnis selbst nichts bewegt. Die Szenen mit Juice (Theo Rossi) fühlen sich mittlerweile nur noch wie Füller an. Es ist so langatmig, dass Unser (Dayton Callie) und Jarry Zeit hatten, Jax' Plan mit Juice zu erkennen.
Auf dem Papier hätte die Episode What A Piece Of Work Is Man emotional und stark sein können. Wir verlieren einen langjährigen und von vielen geliebten Charakter auf mehr oder weniger überraschende Weise. Jax und die Jungs stehen mit dem Rücken zur Wand und müssen neue Wege finden, während sich die Wahrheit über Taras Mord langsam an die Oberfläche arbeitet. Doch die Chance auf Emotionalität und Spannung wird vergeben, was bleibt, sind absurde Geschichten, die nur noch durch unsere Gefühle für die Figuren über Wasser gehalten werden können.
Verfasser: Christina Greiner am Mittwoch, 5. November 2014Darsteller | Rolle | |
---|---|---|
Charlie Hunnam | …………… | Jackson 'Jax' Teller |
Katey Sagal | …………… | Gemma Teller Morrow |
Mark Boone Junior | …………… | Robert 'Bobby Elvis' Munson |
Dayton Callie | …………… | Wayne Unser |
Kim Coates | …………… | Alexander 'Tig' Trager |
Drea de Matteo | …………… | Wendy Case |
Tommy Flanagan | …………… | Filip 'Chibs' Telford |
David Labrava | …………… | Happy Lowman |
Niko Nicotera | …………… | George 'Ratboy' Skogstrom |
Theo Rossi | …………… | Juan Carlos 'Juice' Ortiz |
Jimmy Smits | …………… | Nero Padilla |
Annabeth Gish | …………… | Lieutenant Althea Jarry |
Michael Marisi Ornstein | …………… | Chuck 'Chucky' Marstein |
April Grace | …………… | Loutreesha Haddem |
Bill Brown | …………… | August Marks |
Mathew St. Patrick | …………… | Moses Cartwright |
Rusty Coones | …………… | Rane Quinn |
Jacob Vargas | …………… | Allesandro Montez |
Mo | …………… | Tyler Yost |
Arjay Smith | …………… | Grant McQueen |
Hayley McFarland | …………… | Brooke Putner |
Tony Curran | …………… | Gaines |
Dave Williams | …………… | Mickey (as Dave Williams) |
Evan Londo | …………… | Abel |
Ryder Londo | …………… | Abel |
Marc Lear | …………… | Pastor Jonathan Haddem |
Kyle Beatty | …………… | White Inmate |
Vic Stagliano | …………… | Night White Guard |
Courtney Grant | …………… | Assistant Pastor #1 |
Josh Nasar | …………… | Sheriff Carreira |
Devan Long | …………… | White Guard (as Devan Chandler Long) |
Anthony Gallo | …………… | Indian Hills Nevada SOA Member |
Brandon Rush | …………… | Moses Soldier |
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