Aktuelle Produktion
Ithaka, Halbinsel Sarakiniko 2008
TRAUMINSEL revisited
30 Jahre Sarakiniko Alternatives Leben GmbH
Eine Dokumentation von Thomas Schmitt, 56 Min.
Sendung Arte, 18. Juli 2010, 21.45 Uhr
innerhalb des ARTE-Sonntag-Themenabends
Experiment Paradies – Leben in der Kommune
Redaktion: Kathrin Brinkmann, ZDF / arte
Atokos voraus … Sylvester 1978
Rolf leitet die GmbH-Gründung 1978
Sommer 2008. Auf der Fähre von Patras nach Ithaka passieren wir auf halbem Weg die kleine Insel Atokos. Hier begann unsere Geschichte - dreißig Jahre zuvor. Eine Geschichte von Deutschen, die auszogen ihr Paradies zu suchen. Wir wollen erfahren, was geworden ist aus der Idee von der „Trauminsel".
Sylvestermorgen 1978. Zwei Fischerboote aus einem kleinen Hafen am griechischen Festland, nähern sich der unbewohnten Insel Atokos. An Bord ein zwölfköpfiger Erkundungstrupp aus Köln. Immer deutlicher heben sich die zwei Berge, die das Eiland Atokos bilden, aus dem Dunst des Ionischen Meeres. Immer euphorischer wird die Stimmung unter den „Passagieren“. Für die Deutschen ist es die Insel ihrer Träume. Mein Kameramann Stefan Köster und ich begleiten ihre Expedition mit Neugier, aber etwas skeptisch. An diesem letzten Tag im Jahre 1978 wissen wir noch nicht, dass wir die Anfänge einer Unternehmung dokumentieren, die man schon bald als das spektakulärste Alternativprojekt der 70er Jahre bezeichnen wird.
„Wir suchen rund 100 Leute, die verrückt genug sind mit uns eine Insel zu bevölkern, ein eigenes gesellschaftliches Konzept zu entwickeln und zu leben“, hieß es in einem Flugblatt des Initiators Wido Buller, das viele Menschen elektrisierte. Die unterschiedlichsten Leute waren bereit, ihre damals in der Bundesrepublik noch als sehr sicher geltende Existenz aufzugeben für das Abenteuer vom alternativen Leben mit Gleichgesinnten. Man hoffte, 200 zahlende Interessenten zu finden, die jeweils 10.000,- DM in die selbstgegründete GmbH einzahlen. Für eine Million sollte dann die Insel gekauft werden. Von der zweiten Million sollte eine Infrastruktur entwickelt, Häuser gebaut und der Unterhalt der ersten Kommunarden für drei Jahre gesichert werden. Danach, so hoffte man, den Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten zu können: mit Ackerbau, Viehzucht, Handwerk und Kunstgewerbe, ohne Chemie und mit alternativen Technologien.
Probepflanzungen auf Atokos Januar 1979
Die Boote werden entladen und die Mehrheit beschließt „nicht gleich wieder produktiv etwas zu leisten“, sondern die geplanten Arbeiten auf den nächsten Tag zu verschieben. Das Wetter ist schön und kaum sind die Fischerboote außer Sicht, springen alle jubelnd ins glasklare Wasser. Am nächsten Tag schlägt das Wetter um. Es ist stürmisch und kalt. Mit Spaten und Spitzhacke zieht die gesamte Truppe am frühen Morgen auf die Hochebene um Testbeete anzulegen. Der Boden ist mit Steinen und Felsbrocken übersät, die Arbeit mühsam. Nur noch ein verfallenes Gehöft erinnert daran, dass hier mal Griechen gelebt haben. Aber das ist lange her und ob sie diesem Boden etwas abringen konnten weiss man nicht. Bis zum Abend sind tatsächlich ein paar Quadratmeter Beete angelegt und Zwiebeln, Melonen, Blumenkohl und Kohlrabi eingesät. Doch es kommen Zweifel auf, ob die Fläche überhaupt groß genug ist, um einmal hundert Siedler zu ernähren. Dann wird das Wetter noch schlechter. Es schneit auf Atokos – das erste Mal, seit 50 Jahren. Fallende Temperaturen und anhaltender Schneesturm lässt auch die Stimmung der Gruppe auf den Nullpunkt sinken. Die Boote sind seit zwei Tagen überfällig und der Gruppe dämmert, dass sie völlig von der Außenwelt abgeschnitten ist. Die Vorräte werden rationiert und einige gestehen sich ein, dass ihnen nicht klar war, worauf sie sich eingelassen haben. Es krieselt in der Gruppe und kommt zu gegenseitigen Schuldzuweisungen. Am nächsten Tag kommen die Fischer doch. Man rauft sich wieder zusammen. Atokos wird vom Erkundungstrupps als ungeeignet abgehakt. Es geht weiter zur Insel Ithaka, um sich nach einem weniger abgelegenen und brauchbarerem Stück Land umzusehen.
Ebbes will keine Raucher und Fleischesser
Lieber unter Griechen: Hubert flieht ins Kafenio
Oktober 1979. Neun Monate später fahren wir ein zweites Mal nach Griechenland. Die Trauminsel heißt jetzt Ithaka. Nach Homer die Heimat des Odysseus und seit Juli auch der ersten Siedler aus Deutschland. Ihr Paradies heißt Sarakiniko und ist eine 72 Hektar große Landzunge. Wir treffen auf 25 Kommunarden, die bereits seit ein paar Monaten fest hier leben. Ein Brunnen ist gebohrt, das Windrad dreht sich und liefert Strom. Ebbes und Doris haben einen Gemüsegarten angelegt und Cornelius versucht mit drei Mitstreitern ein Gelände auf dem Berg urbar zu machen, das man „Garten Eden“ nennt. Hanna und Franz pflücken Oliven. Mehr als 800 Olivenbäume auf Sarakiniko wollen beschnitten und abgeerntet werden. Egon und Klaus vermessen die Küstenlinie in der Abendsonne und Hubert mauert die erste Gemeinschaftstoilette. Das „Experiment Paradies“ hat offensichlich begonnen. - Doch unter der Oberfläche brodelt es schon: fast jeder hat eine andere Vorstellung vom alternativen Zusammenleben. „Körperbewußte“ Esoteriker möchten das Rauchen auch unter freiem Himmel verbieten, Fundamentalökos können sich nicht vorstellen, mit Fleischessern zu leben. Die Lustfraktion rebellierte, wenn ihr die Pläne der Arbeitsfraktion: Ackerflächen roden, Holzknöpfe schnitzen, Salbeiernte, eben produktiv sein - zu anstrengend werden. Eher bodenständige Realos wollen keine Körner essen und fliehen zum entspannten Rauchen und Trinken ins Kafenio der nahegelegenen Inselhauptstadt.
Als wir Ithaka verlassen, geben wir dem Projekt höchstens noch ein Jahr. Wir können uns nicht vorstellen, dass die Siedler durchhalten und ihre Probleme in den Griff bekommen.
Unter dem Titel "TRAUMINSEL – 200 Bundesbürger steigen aus" läuft unser Film 1979 im Weihnachtssonderprogramm des WDR.
Astrid 1978 auf dem Fischerboot: Atokos vor Augen ….
Astrid 2008 im Garten Eden: täglicher Blick auf Atokos
Anfang 2008 stoße ich bei einer Intertnetrecherche für den Arte-Themenabend "Experiment Paradies" zu meiner Überraschung auf eine Seite, die mit dem Satz "Herzlich Willkommen zur Info-Page von Sarakiniko alternatives Leben GbmH" beginnt (www.sarakiniko.info.page.ms). Ich kann es kaum glauben, aber das Projekt hat offensichtlich überlebt. Immer noch leben deutsche Aussteiger auf der griechischen Landzunge, darunter sogar Protagonisten, deren Anfänge als Siedler wir vor 30 Jahren dokumentiert haben.
"Trauminsel revisited" stellt Filmaufnahmen aus den Anfängen des Experiments Bilder von heute gegenüber und erzählt ein Stück Zeitgeschichte, über den alten Traum der Menschen sich aus eigener Kraft ein Paradies auf Erden zu schaffen. Der Film zeigt, wie für einige dieser Traum greifbar wurde und für andere als Alptraum endete. Es wird gefragt, was von den Visionen und Träumen vom alternativen Leben geblieben ist.
Ist tatsächlich ein „Garten Eden“ entstanden, in dem glückliche Menschen harmonisch zusammen leben? Ist es gelungen, die Probleme, Widrigkeiten und Konflikte aus den Anfängen zu überwinden? Wenn ja, welcher Kraftanstrengungen hat es bedurft, wie viele Opfer hat es gekostet, wie war es zu schaffen? Welche Modelle haben überlebt, welche mussten verabschiedet werden?
2009, Rolf im Paradies: täglich schwimmen in der Bucht
Romy, Christian und Lea: 18 Jahre im Baumhaus