Tom Cruise ist der geborene Actionstar. Der Mann braucht kein CGI, keinen Greenscreen, er macht alles einfach selbst: Er kletterte in 500 Metern Höhe an der Fassade des Burj Khalifa, weil es echt aussehen sollte. Und er rann die Fassade herunter, wofür er 200 Stunden trainierte, weil heißes Glas in der Sonne Dubais sehr viel rutschiger ist als normales. Für Mission Impossible 6: Fallout trainierte er mit Red Bulls Stunt-Piloten, um selbst einen Überschlag zu fliegen, was verdammt gefährlich ist. Er lernte ein Formel-1-Auto mit maximaler Geschwindigkeit zu fahren, fliegt privat Flugzeuge – die P51 Mustang aus dem Zweiten Weltkrieg, die in einer Szene in Top Gun: Maverick zu sehen ist, steht in seinem eigenen Hangar. Er fährt eher selten Auto, sondern nimmt lieber seinen Helikopter. Bei Moderator James Gordon landete er auf dem Dach dessen Penthouses, mitten in London. „Ich mag es, reale Filme zu drehen, wo bleibt denn sonst der Spaß? Und es ist eine schöne Art sich weiterzuentwickeln. Ich kann jetzt einen 360 mit einem Helikopter fliegen, darauf kann man aufbauen.“

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Er hat auch ein paar Dinge in seinem Leben für Filme ausprobiert, die er selbst „als relativ dumm, aber auch irgendwie verdammt cool“ bezeichnet. Etwa als er sich für Mission Impossible: Ghost Protocol an eine reale startende A400M-Transportmaschine des britischen Militärs hängte. „Sie wollten mir einen Helm geben und ihn dann hinterher raus retouchieren, aber das ist nicht so mein Stil. Muss aber zugeben, dass die Idee nicht so schlecht war, weil in dem Moment wo die Maschine Vollgas auf dem Rollfeld gibt, kriegst du keinen Sauerstoff mehr und wir brauchten ja den Shot des Abhebens, da wurde es dann schon eng. Irgendwie klemmte dann auch noch die Tür, na ja passiert“. Kenny Loggins “Highway to the Danger Zone“ ist für ihn zum Lebensmotto geworden. Selbst bei niedriger Flughöhe von 300 Metern, betrug die Windgeschwindigkeit 200 km/. Der wahre Grund, warum Tom Cruise seine Stunts selbst macht: „Es macht einfach bessere Filme: Es erlaubt uns, die Kameras an Stellen zu platzieren, die man normalerweise nicht erreichen kann und gibt der Szene eine gewisse Dynamik.“

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Wenn der Hauptdarsteller eines Actionfilms in der Lage ist, die Stunts der Figur physisch auszuführen, entfällt die Notwendigkeit, aus seltsamen Winkeln zu filmen oder Schnitttricks anzuwenden, um gefährliche Szenen real erscheinen zu lassen. Dreht man mit Stunt-Double, muss die Kamera weiter weggeführt oder das Gesicht des Protagonisten digital eingefügt werden, was man immer sieht. Ein Grund übrigens, warum Daniel Craig seine harten Faustkampfszenen als James Bond auch selbst gedreht hat. Und wenn Cruise sich für einen riskanten Stunt in Gefahr begibt, sind alle Beteiligten – von der Filmcrew bis zum Publikum – viel stärker an den Ergebnissen beteiligt, ein Grad an Authentizität, der auf andere Weise einfach nicht erreicht werden kann. Es ist beeindruckend und irgendwie auch faszinierend, dass Tom Cruise nicht auf den CGI-Zug aufspringt, sondern alle ans Limit bringt.
„Du kannst das Fliegen in einem Kampfjet nicht faken: Die G-Kräfte, die Vibrationen“, erklärt Regisseur Joe Kosinski. Dafür mussten alle Schauspieler durch einen Navy-zertifiziertes Bootcamp, um sie auf die Fliehkräfte von bis zu 7G vorzubereiten, aber auch Notsituationen zu trainieren, etwa einen Crash im Meer. Und ja, Tom Cruise fliegt in einigen Szenen selbst, nur seinen größten Wunsch schlug ihm die US Navy ab – er wollte selbst die F18 Super Hornet fliegen.
„Ich mache es, aber ohne den CGI-Kram. Wir drehen Top Gun 2 wieder mit echten Jets“

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Tom Cruise hatte für Top Gun: Maverick eine Bedingung, die dem ganzen Team alles abverlangte. Er sagte „Ich mache es, aber nur real – ohne den CGI-Kram.“ Jerry Bruckheimer versuchte dann auch alles, um eine echte F18 Super Hornet von der US Navy zu kriegen. Die war zwar zugesagt, aber nur zum Mitfliegen – die Navy hatte ernsthafte Bedenken, Tom Cruise selbst an den Joystick zu lassen. Die Ausbildung eines Kampfjetpiloten dauert 18 Monate, die ganze Filmproduktion hatte nur 15. Bei Fliehkräften von 7G auch noch einen Jet mit 1.500 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit und 1.900 km/h Top-Speed zu fliegen, will gelernt sein. Zumal Cruise für einige Szenen auf einem Flugzeugträger hätte landen müssen, was selbst für trainierte Kampfjetpiloten eine Herausforderung darstellt. Und dann gab es da noch zwei, drei andere Probleme. „Du rufst die Versicherung an und fragst, was es kostet, einen 70 Millionen US-Dollar teuren Jet abzusichern und die bekommen erstmal Schnappatmung“, verriet Bruckheimer kürzlich in einem Interview.
Weil die Zeit langsam knapp wurde, ließ sich Tom Cruise auf einen Kompromiss ein – einige Teile fliegt er selbst, in einem Cinemajet, dem Aero L-39 Albatros – ein einstrahliges Kampfflugzeug aus der Generation der F-14 Tomcat aus dem ersten Top Gun, nur eben in der zivilen Version, also ohne Raketen und Minigun. Dieser Cinemajet ist für die Außenaufnahmen der vier Jets im Film zuständig. Und die andere Hälfte fliegen sie in einem Zwei-Sitzer der US Navy – die Navy-Piloten fliegen, er tut nur so, aber wow – was für ein Film! Von Tom Cruise kann man sich einiges abgucken, denn er lernte die Kunst des Films von Jerry Bruckheimer, Joseph Kosinski und Tony Scott. „Ich war um die 20 damals, sie wollten mich gerne haben, ich hatte gerade Risky Business abgedreht. Und ich sagte ihnen: Ich will nicht mehr Geld, aber ich möchte in allen Produktionsmeetings dabei sein. Ich wollte damals vor allem verstehen, wie Hollywood funktioniert, wie gute Filme entstehen“, erzählt Tom Cruise im Gespräch mit den Kollegen der BBC.

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Mit Jerry Bruckheimer hatte er den besten Film-verrücktesten Mentor, den man sich vorstellen kann. Er stellte damals für den ersten Top-Gun-Film dem Admiral der USS Theodore Roosevelt 25.000 US-Dollar in einem Scheck für Spritkosten, damit sie diesen ikonischen Shot drehen konnten, wo die F14 in den Sonnenuntergang abtaucht. Damit die Sonne richtig stand, musste der Flugzeugträger samt Begleit-Flotte umdrehen und in die andere Richtung fahren und das kostet bei einem Gewicht von 100.000 Tonnen entsprechend Cash. Und auch Top Gun 2: Maverick dürfte als einer der komplexesten Filme überhaupt in die Geschichte eingehen. Denn die Sony-Kameras wurden an anderen Kampfjets angebracht, sprich weitere Navy-Piloten dienten quasi als Kameramänner bei Höchstgeschwindigkeiten von 1900 km/h.

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„Es war sehr fordernd: Unsere Schauspieler mussten diese extremen Geschwindigkeiten, Rollmanöver etc. aushalten und dabei schauspielern“, erzählt Regisseur Joe Kosinski. „Und die Piloten lernten von uns, wie Filme funktionieren, von wo das Licht einfallen muss, welche Winkel wir brauchen – wir haben es geschafft, acht kleinere Kameras in den F18 selbst einzubauen, brauchten für die Außenaufnahmen aber weitere Jetpiloten, als fliegende Kameramänner, was glaube ich noch nie jemand versucht hat.“ Es ist der Grund, warum Top Gun: Maverick uns so brachial in den Sitz drückt. Hier zischen gerade vier reale Kampfjets mit über 1500 km/h durch die Cascade Mountains in Washington, wo nur eine Flügelbreite bleibt zwischen messerscharfem Gebirge und Tom „Maverick“ Cruise in seiner F18 Super Hornet…

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