Viele, vielleicht die Mehrzahl der Rollen, die begeisterte Bastler dem Raspberry Pi seit 2012 abverlangten, waren der Leistung der frühen Modelle schlicht nicht angemessen. Es ist ein Unterschied, ob die kleine Platine als Controller für eine Kamera und Wetterstation oder als Daten- und Medienserver arbeiten soll. Letzteres wird eigentlich erst mit dem brandaktuellen Modell 4 überzeugend funktionieren. Der Raspberry Pi 4 hat in allen Belangen aufgerüstet – die Vierkern-CPU dezent von 1,4 auf 1,5 GHz, den Arbeitsspeicher auf Wunsch deutlich bis zu vier GB, den Grafikprozessor zum Typ Videocore VI, USB 3.0 gibt es auf immerhin zwei der vier Ports, ferner echtes Gigabit-Ethernet und zwei Videoports (Micro-HDMI). Im Prinzip hat sich außer dem WLAN-Chip und dem Audio-Output alles verbessert und dies zum Teil signifikant.
Weitgehend unverändert sind Maße und Bauweise der Platine sowie der Basispreis für die kleinste Variante mit einem GB RAM (knapp 40 Euro, die Varianten mit zwei und vier GB RAM circa 50 und 60 Euro). Aufgrund des konstanten Formfaktors und der unveränderten 40-Pin-GPIO-Leiste ist das meiste Platinenzubehör der älteren Raspberry-Modelle weiterhin zu verwenden. Einige Ausnahmen gibt es und diese sind am besten schon beim Kauf zu berücksichtigen.

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Die nackte Platine genügt nicht!
Absolut unentbehrliches Zubehör ist das neue Raspberry-Netzteil für acht bis neun Euro. Die Netzteile der älteren Pi-Modelle passen nicht. Das originale, rot-weiße Gehäuse für vier bis fünf Euro ist optional, aus Belüftungsgründen vielleicht nicht einmal optimal (siehe unten), es bietet der Platine aber Staubschutz und gibt ihr ein aufgeräumtes Aussehen. Gehäuse der Vorgänger sind aufgrund der geänderten Videoports und des Stromanschlusses unbrauchbar. Wer mit purer SSH-Fernwartung des Raspberry nicht auskommt oder diesen sogar als Desktop nutzen will, benötigt mindestens einen kleinen Zwischenstecker von Micro-HDMI auf HDMI. Der ist für gut zwei Euro zu haben, allerdings vielleicht nicht die ideale Lösung: Der Pi 4 hat ja zwei solcher Micro-HDMI-Ports direkt nebeneinander. Zwei solcher Zwischenstecker haben aber wegen ihrer Breite keinen Platz. Etwa ab sieben Euro gibt es Direktkabel vom Micro-HDMI-Anschluss des Raspberry zum HDMI-Port des Monitors. Wirklich notwendig werden zwei solcher Kabel aber nur, wenn der Minirechner tatsächlich zwei Monitore versorgen soll.

Für das Betriebssystem brauchen Sie eine Micro-SD-Karte mit mindestens acht GB. Wer den Leistungsschub des neuen Raspberry nicht durch den Flaschenhals einer langsamen Geizhals-Karte verschenken will, wird bei der Standardempfehlung einer „Class-10“-Karte nicht stehenbleiben: Die schnellsten Karten beginnen mit Kapazitäten von 32 und 64 GB und tragen den Zusatz „SDXC“ oder „UHS“. Der Preis solcher Karten kann je nach Kapazität dann allerdings den einer Raspberry-Platine erreichen.

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Hinweis: Ein Betriebssystem auf Micro-SD-Karte ist aktuell die einzige Möglichkeit, den Raspberry 4 zu starten. Die Fähigkeit des Vorgängers, von USB oder über das Netzwerk zu booten, bietet das neue Modell (noch) nicht.
Tipp: Cleveres Zubehör für Raspberry Pi & Odroid
Gigabit-Ethernet und USB 3.0
Die Kombination von ungedrosselter Gigabit-Schnittstelle und USB 3.0 lässt vom Raspberry Pi 4 hervorragende Serverleistungen erwarten. Was beim Modell 3 noch durch USB 2.0 auf etwa 30 MB/s gebremst wurde, kann nun theoretisch bis zu einem Durchsatz von 125 MB/s durchrauschen. Realiter werden Sie mit der neuen Platine gute, aber nicht diese Werte erreichen, was aber nicht am Raspberry und seinen Schnittstellen liegt. Netzwerkswitch, Netzwerkprotokoll, Festplattenleistung, Dateigrößen spielen zusammen und bremsen den Idealdurchsatz.
Der von uns getestete Raspberry Pi 4 erreicht im Bestfall knapp 100 MB/s , meistens aber liegt der Durchsatz bei 55 bis 60 MB pro Sekunde. Das ist beim Raspberry nicht anders als bei anderen Gigabit-Schnittstellen in PCs oder alternativen Platinen und absolut alltagstauglich. Wichtig ist beim Serverbetrieb mit dem Raspberry (wie auf allen Platinen), dass die Daten über schnelles USB 3.0 und externe Festplatten laufen. Netzfreigaben auf der Micro-SD-Karte selbst sind kontraproduktiv, weil zu langsam.
Die zwei schnellen (blauen) USB-3.0-Anschlüsse eignen sich für schnelle Festplatten, während die beiden USB-2.0-Ports sich für Maus oder Tastatur anbieten. Allerdings müssen Sie – wie schon bei den Vorgängern – vermeiden, zwei externe USB-Festplatten ohne eigene Stromversorgung über die Raspberry-Ports zu versorgen. Das geht zuverlässig schief: Die Datenträger schalten mangels ausreichender Stromversorgung spontan ab und es drohen Datenverluste. Der Raspberry Pi 4 kann nur eine USB-Festplatte selbst zuverlässig betreiben. Auf der sicheren Seite sind Sie mit einem aktiven USB-Hub, der die Laufwerke mit Strom versorgt.
WLAN und Bluetooth

Für alle serverähnlichen Aufgaben ist verkabeltes Gigabit-Ethernet alternativlos. Doch hat der Raspberry für mobilere Aufgaben schon seit Modell 3 einen WLAN-Chip (802.11ac für 2,4- und Fünf-GHz-Band), an dem sich beim neuen Modell nichts geändert hat. Dessen Leistung ist nicht überragend, aber alltagstauglich und erreicht bis zu zehn MB/s beim Versenden von Daten, beim Empfang etwa bis zu sechs MB/s. Das ist mehr als genug für das Senden einiger Wetterdaten und reicht auch noch zum ruckelfreien Abspielen durchschnittlicher Filmqualität.
Bluetooth (5.0) ist in Raspbian über das Leistensymbol unkompliziert zu bedienen. Unabhängig von der Raspberry-Hardware zeigt es aber die unter Linux allgemein bekannten Tücken: Von drei Versuchen waren in unserem Fall immerhin zwei erfolgreich. Der Anschluss eines Sony-Bluetooth-Lautsprechers scheiterte daran, dass der Raspberry das Gerät nicht erkannte und folglich nicht anzeigte.
Ein weiterer No-Name-Lautsprecher sowie ein Samsung-Kopfhörer ließen sich hingegen problemlos verbinden und dann über das Soundapplet der Systemleiste als Soundgerät nutzen. Im Falle, dass Sie mit einem Gerät Pech haben, ist Bluetooth-Troubleshooting unter Linux eine eher heikle Aufgabe.
Heizkörper mit Himbeere?

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Kurz nach Erscheinen des Raspberry Pi 4 gab es sofort kritische Stimmen zur Temperaturentwicklung beim SOC inklusive CPU. Zu messen ist die Temperatur des Systemon-Chip mit einem Tool, das Raspbian standardmäßig mitliefert:
vcgencmd measure_temp
Tipp: Das Werkzeug kann deutlich mehr als nur dies, wie die Abfrage vcgencmd commands zeigt.
Nach typischen Faustregeln gelten Temperaturen bis 50 Grad als kühl, bis 60 Grad als warm, aber unproblematisch. Bei 70 Grad wird es zumindest ungesund und ab 80, 90 Grad schädlich, sofern diese Temperaturen als Zustand anhalten. Kurzzeitige Spitzen bis 90 Grad verträgt allerdings jede CPU.
Im Dauerbetrieb des Raspberry 4 ist festzustellen, dass der Kleinrechner im geschlossenen Gehäuse auch bei geringer Auslastung 60 Grad und mehr meldet. Das Abnehmen des Gehäusedeckels oder der komplette Verzicht auf ein Gehäuse bringt annähernd drei Grad Besserung, der Einsatz kleiner passiver Kühlkörper macht sich nur minimal bemerkbar. Ob der relativ große, ebenfalls passive RPI COOL 40X30 (etwa bei reichelt.de für 2,40 €) mehr ausrichtet, haben wir nicht getestet.
In kühler Ecke ohne Sonnenlicht und ohne Gehäusedeckel sollte der Pi 4 mit Werten um die 60 Grad zu betreiben sein, mit Temperaturspitzen bis 70 Grad. Das ist hübsch warm, aber nicht wirklich problematisch. Ähnliche Werte konnten wir beim Odroid XU4 auslesen, der dies nachweislich über Jahre vertrug. Mit etwas Optimismus ist ferner davon auszugehen, dass der Raspberry Foundation die Wärmeentwicklung des neuen Pi 4 bekannt ist und diese im Dauerbetrieb getestet wurde.
Hinweis: Im Standardbetriebssystem Raspbian lässt sich die grafische Oberfläche wie gewohnt über die „Raspberry-Pi-Konfiguration“ (rc_gui) bequem abschalten, falls der Pi 4 als Controller oder Server dient. An den Temperaturen ändert diese Maßnahme allerdings nichts.
Raspberry Pi: Alternativen im Überblick
Minimaler Stromverbrauch
Die hohen Betriebstemperaturen lassen höheren Stromverbrauch des Raspberry Pi 4 vermuten. Tatsächlich bleibt die Platine aber legendär sparsam: Für die pure Platine ohne angeschlossene Datenträger messen wir im Leerlauf 3,7 Watt, etwas mehr also als beim Modell 3, aber immer noch äußerst ökonomisch. Erstaunlicherweise ist der neue Raspberry auch unter Hochlast kaum über fünf Watt zu bringen. Wir haben uns mit Filmwiedergabe aus dem Netz plus ISO-Download aus dem Web, Terminalaktion und Mausaktivität alle Mühe gegeben und messen als Spitzenwert lediglich 5,2 Watt. Allerdings zeigt die Platine unter extremer Last Aussetzer am Desktop oder bei anderen am Multitasking beteiligten Aufgaben. Der Pi 4 taktet offenbar vor drohender Überlastung herunter. Zwischen 3,7 bis 4,5 Watt – in diesem engen Bereich bleibt die Platine praktisch kontinuierlich.

Den Verbrauch von angeschlossenen Datenträgern müssen Sie gegebenenfalls hinzurechnen: Ein aktiver USB-3.0-Hub mit zwei sparsamen 2,5-Zoll-USB-Festplatten ist mit weiteren 3,5 Watt zu veranschlagen. Das ergibt in diesem Beispiel insgesamt ein äußerst genügsames Serversystem, das kaum acht Watt fordert (und im 365-Tage-Dauerbetrieb ganze 20 Euro Stromkosten verursacht).
Raspbian „Buster“ für den Pi 4

Die gewohnte Seite www.raspberrypi.org/ downloads/ bietet neben den offiziellen Distributionen Raspbian und Noobs die Links zu weiteren Raspberry-Systemen wie Ubuntu Mate oder Ubuntu Server. Verwenden Sie diese Images für den neuen Raspberry aber nur, wenn die Beschreibung ausdrücklich Modell 4 nennt. Bis Redaktionsschluss war dies nicht der Fall.
Das offizielle Standardsystem Raspbian „Buster“ stammt von der Raspberry Pi Foundation selbst und sollte die beste Abstimmung mit der Platinenhardware gewährleisten. An der Installation des neuen Raspbian hat sich nichts geändert. Das System gibt es unter www.raspberrypi.org/downloads/raspbian/ in drei Varianten, deren mittelgroße mit etwa 1,1 GB wir empfehlen: „Raspbian Buster with desktop“ bringt den bekannten, einfachen Desktop „Pixel“ mit sowie eine Software-Basisausstattung inklusive Chromium-Browser. Der Download ist ein ZIP-Archiv, das Sie nach dem Entpacken zum deutlich größeren IMG-Abbild mit den üblichen Werkzeugen auf Micro-SD kopieren. Unter Ubuntu eignet sich dafür Gnome-Disks („Laufwerksabbild wiederherstellen“), unter Windows der Win 32 Disk Imager oder auf allen Plattformen Etcher . Mit so bestückter und eingelegter ist der Raspberry dann sofort startklar.

Raspbian „Buster“ mit Pixel-Desktop ist ein schlankes und agiles System, das kaum 200 MB Eigenbedarf hat. Daher sollte für Raspbian die Raspberry-Variante mit zwei GB RAM für alle Aufgaben und Rollen locker ausreichen. Als erste Aktion nach dem allerersten Booten wird das Dateisystem auf der SD-Karte auf die gesamte Kapazität erweitert. Dies erfolgt automatisch und danach startet der Pi neu. Die Bootzeit zum klickbereiten Desktop liegt selbst mit preiswerter Discount-SD-Karte unter 30 Sekunden. Der Ersteinrichtungs-Assistent bietet dann an, das Raspbian-System auf Deutsch umzustellen, das Passwort (voreingestellt ist „raspberry“) des Standardkontos „pi“ zu ändern, sich optional am WLAN anzumelden und die jüngsten Updates einzuspielen.
Spätere Systemaktualisierungen erledigen Sie mit „Systemwerkzeuge –› Paketaktualisierung“. Die wichtigsten Systemeinstellungen versammelt Raspbian unter „Einstellungen –› Raspberry-Pi-Konfiguration“ (rc_ gui). Unter „Schnittstellen aktivieren Sie per Klick wichtige Dienste wie SSH oder VNC. Samba muss allerdings manuell installiert und konfiguriert werden. Unter „System“ gibt es die schon erwähnte Einstellung, ob das System zum Desktop oder zur Konsole („CLI“) starten soll. Beim Start zur Konsole können Sie mit dem Befehl startx den Desktop jederzeit manuell laden.
Ungeachtet des stabilen und performanten Eindrucks von Raspbian „Buster“ zeigt das System auch einige Bugs, die wohl der relativ hektischen Fertigstellung geschuldet sind. Netzpasswörter für Samba oder SSH vergisst das System gerne, auch wenn das Gegenteil gefordert wurde.
Der Dateimanager will Dateien und Ordner bei Doppelklick umbenennen statt öffnen, was sich vorläufig durch Markieren und Eingabetaste umgehen lässt. Auch die deutsche Lokalisierung ist an vielen Stellen unvollständig.
Der Raspberry Pi 4 als Desktop?
Die Tauglichkeit als Desktopsystem wurde auch schon einigen Vorgängern des Modells 4 angedichtet. Der aktuelle Raspberry kommt solchem Anspruch immerhin näher. Einen Film mit VLC ansehen oder mit Chromium ins Web gehen oder mit dem Writer von Libre Office arbeiten – das alles geht flüssig von der Hand. Wer aber von einem Desktopsystem flexibles Multitasking erwartet, wird mit dem Raspberry Pi 4 nicht glücklich. Im Hintergrund eine Systemaktualisierung zu erledigen und gleichzeitig zu arbeiten oder Medien zu nutzen, überfordert den Minirechner. Dann bleibt schon mal ein Fenster ohne Rückmeldung und die Reaktion auf den Mausklick bleibt aus. Ein Multitasking-Desktop ist auch der neue Raspberry nicht.
Mini-Benchmark mit Raspberry Pi 4
Wer misst, misst Mist. In der Tat halten wir den empirischen Alltag, wie flott ein Rechner startet, wie schnell er die Daten im Netzwerk transportiert, wie flüssig sich der Desktop verhält, für aussagekräftiger als numerische Benchmarks. Einen kleinen Vergleich mit der simplen arithmetischen
Iteration time $(i=0; while (( i haben wir auf etlichen Geräten dennoch ausgeführt. Die primitive Methode haben wir gewählt, weil auf den diversen Geräten eine andere einheitliche Methode ohne großen Aufwand nicht realisierbar war. Über die Aussagekraft dieses Primitivbenchmarks lässt sich gewiss streiten, aber die Rangfolge deckt sich erstaunlich exakt mit unserer praktischen Alltagserfahrung mit diesen Geräten. Den Raspberry Pi 4 finden Sie im Mittelfeld und das ist mehr als respektabel, da es sich um das mit Abstand preisgünstigste Gerät handelt.