Angesichts der Menge tauglicher Kandidaten geht es für jeden Anwender darum, eine Auswahl zu treffen, die die eigenen Belange abdeckt, ohne unnötige Redundanzen und Überschneidungen zu produzieren.
Die Empfehlungen in diesem Artikel und in der zugehörigen Tabelle sind quantitativ bewusst reduziert, sollten aber alle Aufgaben abdecken.
Prinzipielle Einschränkungen gibt es nicht: Ist die Hardware schnell (USB-Stick und Rechner), dann läuft jedes Linux tadellos auf USB – live oder installiert.
Porteus, Tails und Co.: Dafür sollten Sie Surfsysteme mit Linux nutzen
Reparatur und Service
Alle unter diesem Punkt vorgestellten Werkzeuge sind reine Livesysteme ohne Installationsoption, die man nur im Bedarfsfall benutzt.
Die zum Teil recht kleinen Tools sind klassische Kandidaten für einen Multiboot-Stick, den Sie mit Yumi oder Ventoy zusammenstellen. Persistenz ist nicht nötig, in den meisten Fällen gar nicht möglich.
IDG
Super Grub2 Disk
Super Grub2 Disk ist das „Rettungsboot“ für defekte Grub-Bootmanager.
Mit der Option „Detect and show boot methods“ durchforstet das gebootete Hilfsprogramm alle Datenträger nach Linux- und Windows-Systemen, zeigt danach deren Liste und startet das ausgewählte System.
Der unverzichtbare Helfer ist ein Winzling, wiegt gerade mal knapp 16 MB. Die tatsächliche Reparatur der Grub-Umgebung findet dann mit dem folgenden Kommando im laufenden System statt:
sudo grub-install --recheck /dev/sda
sudo update-grub
Rescatux
Rescatux bietet auf einem Debian-System mit LXQT-Desktop Browser, Dateimanager, Terminal und Zubehör und kann auch als allgemeines Notfallsystem dienen. Im Zentrum steht aber die grafisch organisierte Script-Sammlung Rescapp.
Während Super Grub2 Disk installierte Systeme nur sucht und startet, kann Rescatux defekte Grub-Bootloader wiederherstellen.
Unter „Grub“ kann die Reparaturoption „Restore Grub“ einen neuen Grub-Bootloader schreiben und dabei alle erkannten Betriebssysteme (Linux und Windows) in ein neues Bootmenü einbinden.
Nebenbei gibt es auch Windows-Unterstützung: Die Rubrik enthält Reparaturtools für MBR- und Uefi-Umgebungen. Rescatux stammt aus der Hand der Grub-Entwickler, eine Gewähr für den Reparaturerfolg gibt es dennoch nicht.
Gparted Live
Gparted Live ist das sehr anspruchslose Livesystem der Gparted-Entwickler, welches das Partitionierungsprogramm Gparted auf jeder Hardware lauffähig macht.
Das Livesystem ist selten zwingend notwendig, weil Gparted bei sehr vielen Livedistributionen vorinstalliert oder dort temporär nachzuinstallieren ist. Schaden kann zusätzliches Gparted Live als Garant für ein aktuelles Gparted aber nie.
Der Partitionierer ist der bewährte grafische Klassiker, um Festplatten und Partitionen zu löschen, erstellen, vergrößern und verkleinern. Das Livesystem bietet neben dem Kerntool und einem spartanischen Browser kaum weitere Software.
IDG
Rescuezilla
Rescuezilla ist ein Klon- und Sicherungswerkzeug für Laufwerke und Partitionen.
Im Unterschied zum funktionsreicheren Clonezilla ist Rescuezilla mit seinem einfachen grafischen Assistenten (im Prinzip nur „Sichern“, „Wiederherstellen“ und „Klonen“) auch für Einsteiger geeignet. Es handelt sich um ein kleines Ubuntu-Livesystem, das neben dem Hauptprogramm eine sinnvolle Miniausstattung zum Thema Datenträger mitbringt: Gparted, Gnome-Disks, Testdisk (Undelete) und Browser.
Clonezilla
Clonezilla ist das klassische Sicherungs- und Klonwerkzeug. Das Livesystem hat keine grafische Oberfläche, und die Benutzung erfolgt in englischsprachigen, textbasierten Menüs. Clonezilla ist statt des komfortableren Rescuezilla nur notwendig, wenn erweiterte Netzwerkfähigkeiten gefordert sind – etwa für Sicherungen über SSH/SFTP (Samba beherrscht Rescuezilla auch).
Hardware Detection Tool
Hardware Detection Tool verschafft einen kompletten Überblick zur Hardware eines Computers. Die IMG-Datei von der Download-DVD oder von hdt-project.org kann jeder Rohkopierer auf USB transportieren (dd, Win 32 Disk Imager, Etcher), allerdings können die Multiboot-Werkzeuge Yumi oder Ventoy nicht damit umgehen.
Sie bekommen HDT erfolgreich in eine Multiboot-Sammlung, wenn Sie das funktionsgleiche ISO-Abbild Core3 HDT von www.serverelements.com verwenden.
Memtest 86+
Memtest 86+ macht gründliche Tests des Arbeitsspeichers. Das braucht man nicht oft, aber das Mini-ISO ist in einer Ventoy-Multiboot-Sammlung gut aufgehoben und braucht nur 6 MB Platz.
Spezialisierte Surfsysteme
Jedes Linux-Live- und Zweitsystem bringt Sie sicher ins Internet. Im Hinblick auf einen anpassungsfähigen Browser via Persistenzspeicher sind kleine Ubuntus die vermutlich einfachsten Kandidaten. Folgende Surfsysteme bieten aber besondere Spezialitäten, deren Notwendigkeit Sie selbst beurteilen müssen.
Tails
Tails ist als äußerst restriktives Livesystem auf den anonymisierten Webzugang via TOR-Browser spezialisiert.
Anpassungsfähige Persistenz widerspricht diesem Konzept, ist aber mit dem Tool Tails-Persistence-Setup (Tresor-Symbol) im Prinzip möglich, das dafür eine verschlüsselte Luks-Partition erstellt. Dies funktioniert aber nur auf einem USB-Stick, der exklusiv für Tails eingerichtet wird – Multiboot ist damit nicht möglich.
Was die Luks-Partition speichern soll, kann der Nutzer selbst wählen – etwa die Optionen „Additional Software“ (Nachinstallationen) und „Browser Bookmarks“ (im TOR-Browser).
Parrot Home: Dieser Ableger von Parrot-OS fokussiert sich auf die Sicherheitsinteressen von Privatnutzern und bietet unter anderem Zugang zum anonymen TOR-Netzwerk.
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Parrot Home
Parrot Home ist ein Ableger von Parrot-OS, der auf die professionellen Sicherheitstools der Stammversion komplett verzichtet. Stattdessen gibt es ein installierbares Allzwecksystem, das auf die Sicherheitsbedürfnisse von privaten Nutzern zugeschnitten ist.
Dazu gehören der anonymisierende TOR-Browser, anonymer Datenaustausch mit Onionshare und Verschlüsselungstools wie Zulucrypt. Auf puren Livebetrieb ist Parrot Home nicht fokussiert, zumal man sich die deutsche Tastatureinstellung stets selbst einstellen muss.
Das Debian-System beherrscht aber Persistenz und ist dann solo oder auch im Yumi/Ventoy-Multibootstick ein komfortables, universelles System mit Fokus auf Websicherheit.
Porteus Desktop
Porteus Desktop ist eindeutig spezialisiert auf den schnellen Internetzugang. Es bietet auf USB Bootzeiten unter 15 Sekunden und Browserstarts in zwei, drei Sekunden. Die Investition ist hier aber höher als bei einem Ubuntu oder Parrot Home.
Das pure Live-ISO lässt sich zwar in jeden Multiboot-Stick einbauen, hat aber in dieser Form noch nicht mal einen Browser an Bord (der temporär nachinstalliert werden kann). Wer Porteus handlich nutzen will, muss es über das Menü „System –› Porteus Installer“ als alleiniges System auf USB übertragen.
Dabei wird das root-Passwort abgefragt (toor). Auf dieser Porteus-Instanz lässt sich dann mit „Settings –› Porteus Savefile Manager“ eine Persistenzdatei einrichten, die einen installierten Browser und sonstige Einstellungen dauerhaft speichert.
Fatdog 64
Fatdog 64 ist eine der zahlreichen Puppy-Varianten, die allesamt auf den reinen Livebetrieb spezialisiert sind. Die Downloadquellen aller Puppys finden sie hier.
Puppy-Systeme sind klein und schnell und haben ihr eigenes Persistenzkonzept, um die Livesysteme anzupassen.
Das von einem Ventoy-Stick gestartete ISO-Abbild von Fatdog64 bietet in seinem Bootmenü gleich die Option „Fatdog64 with savefile in USB device“. Beim späteren Beenden des Systems erscheint dann automatisch der Dialog „Create Save File“. Als Ziel kann in diesem Fall die Ventoy-Partition angegeben werden, wo auch das Puppy-ISO liegt.
Damit wird sich das Puppy-Linux vorher getätigte Tastatureinstellungen über „Quick Setup“, Desktopeinstellungen über das „Fatdog64 Control Panel“ oder auch das WLAN-Kennwort merken. Natürlich sind auch weitergehende Installation oder Browseranpassungen möglich. Puppy-Varianten sind zwar nicht als Surfsysteme spezialisiert, eignen sich dafür aber bestens.
Reparatur- und Spezialsysteme
Jedes Live-Linux oder auf USB installierte Linux kann als Reparaturwerkzeug dienen, da sich jede Reparatursoftware auch dort temporär oder dauerhaft installieren lässt.
Backbox
Backbox ist nichts anderes als ein Xubuntu, das durch Tools zum „Hackersystem“ ausgebaut wurde. Somit ist es auf Wunsch installierbar oder mit den bekannten Werkzeugen mit Persistenz für den Livebetrieb auszustatten. Der Fokus von Backbox zeigt sich im Hauptmenü durch die Kategorien „Auditing“, „Anonymous“ und „Services“.
Bei den Letzteren geht es um den Webzugang zum anonymisierenden TOR-Netzwerk, wie es auch Tails, Parrot Home und Knoppix anbieten.
Das Alleinstellungsmerkmal sind Dutzende gut sortierte Hacker-, Analyse-, Crackwerkzeuge und Sicherheitsscanner unter „Auditing“, ergänzt durch Datenrettungstools wie Testdisk oder Wipe-Kommandos zur Datenvernichtung. Zumeist handelt es sich um Tools, die Vorkenntnisse oder die Bereitschaft zur Einarbeitung voraussetzen.
System Rescue
System Rescue ist das klassische Reparatur-Livesystem für Fortgeschrittene.
Automatisch als root angemeldet, arbeitet man auf einem englischsprachigen Desktop hauptsächlich mit Terminalprogrammen.
Die typischen Datenretter Photorec und Testdisk gehören ebenso zum Umfang wie der Partitionierer Gparted. Wer es etwas komfortabler haben will, greift aber besser zu MX Workbench oder zum LinuxWELT-Rettungs-System.
MX Workbench
MX Workbench entfernt die Installationsoption aus MX Linux (das Originalsystem) und bietet ein reines Livesystem für Systemreparaturen.
Beim Start sind einige Einstellungen zu empfehlen, unter anderem zur deutschen Lokalisierung (F2). Persistenz wird zwar angeboten, müsste dann aber vorbereitet sein durch eine Partition mit dem Label „MXPersist“.
Damit ist Persistenz hier nur realisierbar, wenn MX Workbench solo auf einen USB-Stick geschrieben wird („MX Live USB Maker“).
Für die in der Distribution versammelten Tools startet ein eigener „Workbench Tools Launcher“, der die wichtigsten Werkzeuge beim Systemstart automatisch präsentiert.
LinuxWELT-Rettungssystem
LinuxWELT-Rettungssystem ist als reines Livesystem zur Datenrettung und zum Internetzugang konzipiert und verzichtet auf die theoretisch mögliche Persistenzdatei der Porteus-Basis.
Das System ist ab Start deutsch lokalisiert und arbeitet mit deutscher Tastatur. An Bord sind alle populären Rettungs- und Backupwerkzeuge wie Ext4magic, Photorec, Testdisk, Clam AV, Clonezilla, Gparted, Secure Erase.
Hinzu kommen mehrere Browser und eine fundamentale Office- und Multimedia-Ausstattung, die auch den Einsatz als Zweitsystem erlauben.
geht immer! Mit Persistenz beansprucht das Livesystem aber seinen eigenen USB-Stick.
IDG
Knoppix
Knoppix kann man als Spezialsystem, aber auch als Live-Allzwecksystem einstufen. Knoppix ist immer eine Empfehlung für jeden großen Multiboot-Stick, da es fast alles enthält, was Reparatursysteme oder Surfsysteme mitbringen (auch den Zugang zum TOR-Netzwerk).
Die Persistenzoption, die bei Knoppix „Overlay-Partition“ heißt, ist allerdings nur solo auf einem Stick möglich, denn dafür muss mit einem laufenden Knoppix mit „Knoppix –› Knoppix auf Flash kopieren“ ein USB-Stick speziell für Knoppix formatiert werden.
Nach Auswahl des Zieldatenträgers folgt die „Installation auf FAT32 mit zusätzlicher Overlay-Partition“. Mit Overlaypersistenz erlaubt Knoppix dann Anpassungen aller Art.
Virenscanner-Systeme
Livesysteme mit Virenscanner sind eine eigene Kategorie Linux-basierter Spezialsysteme, die es von praktisch allen AV-Softwarehäusern gibt (Avira, Bitdefender, Kaspersky & Co.), so beispielsweise die Ubuntu- basierte Avira-Rescue-Disk.
Solche Livewerkzeuge benötigen nur Nutzer, die Windows-Systeme installiert haben. Das externe System garantiert einen unkompromittierten Scannerbetrieb.
Allen Livesystemen dieser Art ist gemein, dass sie eine Internetverbindung benötigen, um die aktuellsten Virendefinitionen laden zu können. Zusätzlich ist immer ein Browser an Bord, aber als allgemeines Reparatursystem genügen diese Livesysteme nicht.
Allzweck- und Zweitdesktops
Für eine mobiles Zweitsystem sind pure Livesysteme nicht geeignet: Die eine oder andere Desktop- oder Browsereinstellung vermisst man schmerzlich, und bei der mitgelieferten Software fehlen wesentliche Programme.
Eventuell genügt ein Livesystem mit Persistenz; auf der sicheren Seite ist man nur mit installiertem Desktopsystem auf USB. Wer überall mit USB 3.x rechnen kann, ist mit einer Ubuntu-Distribution am besten beraten.
Xubuntu/Lubuntu
Xubuntu und Lubuntu sind gute Kandidaten, um Desktopkomfort und flüssiges Arbeiten auf dem USB-Stick zu kombinieren.
Wenn das System auf USB auch mit älteren Geräten rechnen muss, gibt es noch kleinere und sparsamere Kandidaten:
Ein USB-Favorit für ordentliche Installation: Die Distribution Q4-OS mit klassischem Trinity-Desktop hat sich optisch modernisiert und ist kleiner und schneller als jedes Ubuntu.
IDG
Q4-OS
Q4-OS ist mit Debian-Unterbau und Trinity-Desktop schnell und anspruchslos.
Das System startet auf USB-3.0-Sticks in 13 Sekunden zum Log-in und belegt nach der Anmeldung für System und Desktop nur etwa 400 MB RAM.
Der Desktop Trinity basiert auf KDE 3 und hat sich in den jüngsten Versionen optisch gründlich modernisiert. Für den Livebetrieb ist Q4-OS nicht ideal, weil es nach der Auswahl der deutschen Lokalisierung Pakete aus dem Internet nachladen muss. Es ist aber ein idealer Kandidat für die Installation auf USB.
Reparatursysteme MX Workbench vs. LinuxWELT-Rettungssystem: MX präsentiert die Werkzeuge besonders komfortabel, das Redaktionssystem hat Vorteile durch Lokalisierung und Webfokus.
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MX-Linux
MX Linux nutzt auf Debian-Basis entweder XFCE oder den besonders schlanken Fenstermanager Fluxbox. Die Fluxbox-Variante ist für USB-Sticks eine schlanke Wahl, XFCE die komfortablere.
Die eine oder andere englischsprachige Beschreibung oder Menübezeichnung muss man aber bei beiden Desktops in Kauf nehmen.
MX Linux versteht sich als Desktopsystem, das ordentlich installiert sein will, bringt sich aber auch für den Liveeinsatz in Stellung: MX zeigt als Livesystem im Bootmenü den Punkt „Persist“, der mit F5 ausgeklappt wird. Von den angezeigten Optionen ist „persist_all“ am einfachsten. Damit ist ein flexibles MX Linux im Livebetrieb möglich.
Bei ordentlicher Installation auf USB 3.0 beträgt die Startzeit zum Desktopanmeldung etwa 15 Sekunden. Der RAM-Bedarf liegt unter 500 MB. Alle Programme, auch Browser oder Libre-Office-Komponenten, sind frappierend reaktionsschnell.