Das pure Konzept von PUBG und PUBG Mobile ist so skurril, wie kreativ: 100 Spieler werden über einer Insel abgeworfen, es herrscht Anarchie, die Umstände sind chaotisch. Aber die Waffen verhalten sich nahe an der Realität. Die Ballistik ist authentisch, Dauerfeuer sorgt etwa für heftigen Rückstoß. Woher entstammt die Idee diese Extreme aufeinander prallen zu lassen? Brendan Greene: Es ist eines dieser Projekte, die du mit ein paar Freunden entwickelst, weil du dir denkst: Hey, genau das würde ich gerne spielen. Und dann plötzlich merkst: Moment mal, einer ganzen Masse an Spielern geht es ja genauso. Es ist tatsächlich so, wie du gerade gesagt hast: Es sind Extreme, die aufeinander prallen und das ist recht bewusst so gewählt. Ich komme eigentlich aus dem Genre der Hardcore-Taktik-Shooter im Stil eines Operation Flashpoint. Das sind tolle Spiele, die allerdings sehr darauf fokussiert sind, militärische Abläufe korrekt abzubilden. Du hast die korrekte militärische Kommunikation via Headset, du musst unglaublich viel planen. Jeder Schritt wird mit einer Karte und GPS-Koordinaten abgeglichen. Das hat eine gewisse Faszination, aber jeder kennt wohl dieses Gefühl, dass man auch gerne mal die Sau rauslassen möchte. Es gibt jede Menge Fun-Shooter, wo du genau das kannst, aber deren Ballistik ist einfach nicht gut und macht jemandem, der etwas ambitionierter an das Thema rangehen möchte, keine Freude. Deshalb PUBG, Player Unknown’s Battlegrounds. Es ist anarchisch, es ist chaotisch vom Konzept her, bietet aber auch sehr viel taktische Tiefe – für die, die das möchten. Und eben ziemlich realistische Waffenphysik. Das war übrigens gerade auf dem Smartphone durchaus ein Novum – PC-Spieler sind hier ziemlich verwöhnt, aber vor PUBG Mobile gab’s kaum Shooter, die zumindest Richtung Authentizität linsen.
Würdest du sagen dieses Interesse an realistischer Waffenphysik kommt aus deiner Vergangenheit. Als Kind eines Soldaten bist du auf einem Armee-Stützpunkt aufgewachsen, wenn wir das richtig recherchiert haben? Brendan Greene: Definitiv. Das war schon eine sehr wilde, skurrile, für viele Leute sicherlich außergewöhnliche Zeit, wenn ich darüber spreche. Weil mein Dad hat mich dann auch mal mitgenommen und gezeigt, wie er trainiert. Ich habe früher gesehen, wie man eine Tür mit Plastiksprengstoff sprengt, bevor ich ein Mädchen geküsst hatte (er lacht). Du entwickelst eine gewisse Hass-Liebe zu Waffen. Weil auf der einen Seite sind sie es, die deinen Dad hoffentlich heil wieder nach Hause holen. Aber du lernst auch schnell, dass es diese Waffen sind, die Kameraden und Freunde deiner Familie nicht nach Hause kommen lassen. Als Kind war das für mich viel Spiel, als Teenager wollte ich gerne wissen, wie die Mechaniken hinter all diesen Geräten funktioniert, die mein Papa als “Werkzeug“ benutzt.

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Ich wollte wissen, wie der Motor und die Steuerung eines Helikopters funktioniert, also habe ich gefragt – wenn du erstmal drin bist in so einem Armeestützpunkt, kannst du dich dort relativ frei bewegen. Weiß nicht, wie das heute ist, aber ich konnte etwa Mechanikern über die Schulter schauen, wenn so eine Wildcat repariert wurde. Später bin ich dann auch mal bei einer Übungsmission mitgeflogen, habe gelernt wie unterschiedliche Waffen funktionieren, wie Sniper arbeiten. Für Außenstehende klingt das sicherlich merkwürdig, aber wenn du auf so einer Basis aufwächst, dann bedeutet es das all deine Freunde Familien im Militär haben. Da ist dann der Papa des Kumpel Sniper bei einer Elite-Einheit und ab einem gewissen Alter, erzählt er dir Dinge und zeigt dir, wie so ein Hightech-Präzisionswerkzeug funktioniert. Natürlich ohne scharfe Kugeln drin, klare Sache – aber ich durfte schon mal anfassen und gucken. Man könnte fast sagen, ich bin mit Gerät und Waffen aufgewachsen, die die meisten Menschen nur aus Hollywood-Filmen oder den Nachrichten kennen.
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Reden wir über PUBG. Wie ist dieses Spiel entstanden. Wie ging es los, wie sah die Konzepthase aus, wie war die Evolution. Nimm uns bitte mit auf die Reise. Greene: Das wird jetzt sehr strange klingen, aber ich wollte mich ablenken. Ich hatte mich verliebt in eine Brasilianerin, war ihr in ihr Land gefolgt und ich hatte große Probleme mich dort zu integrieren. Es gab diese Sprachbarrieren, kulturelle Barrieren, vielleicht auch weil ich nicht so extrovertiert bin und auf jeden direkt zugehe. Bitte nicht falsch verstehen: Ich habe diese Frau geliebt und auch Brasilien ist fantastisch, aber es ist schwierig einer Unterhaltung zu folgen. Ich lernte gerade erst Portugiesisch, Brasilianer sind es aber gewohnt sehr schnell zu sprechen – das machte es schwer Freunde zu finden, sich dort wirklich zu Hause zu fühlen. Games waren für mich die Flucht in eine andere Welt. Ich habe mit Kumpels eine Mod entwickelt für das Spiel DayZ – dort wirst auf auf einer einsamen Insel an den Strand gespült, musst Waffen finden, Nahrung, dich Zombie-Horden erwehren. Wir haben das Ganze erweitert, mit Features gespielt, überlegt wie wir die Waffen authentischer machen könnten. Dann mehr Freunde dazu geholt, Leute aus dem Internet, die mit Editoren gut umgehen konnten, die Häuser bauen konnten mit mehreren Stockwerken. So entstand sehr langsam die Idee, die letztlich PUBG wurde.

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Spannend ist ja schon, dass du aus einer Militärfamilie kommst, aber PUBG ja doch eher chaotisch, fast schon anarchisch ist. Wir brettern mit einer Motocross-Maschine über einen Berg, setzen zur Landung auf einem Dach an, holzen dabei mit etwas Glück einen Sniper um, der dort campt. Greene: Witzig das du das sagst, weil ja – PUBG ist keine Militärsimulation. Aber was glaube ich viele Leute missverstehen ist, wie chaotisch der Krieg und solche Einsätze ablaufen können. Du übst Tage lang Szenarien, überdenkst jede Komponenten und dann kommt es doch ganz anders. Du springst aus einem Flugzeug bei Nacht ab, ein Sturm zieht auf, du wirst abgetrieben, verlierst deinen Trupp, musst dich erstmal alleine durchschlagen. Deine Waffe hat nicht genug Munition oder Fehler in der Mechanik, du musst mit dem arbeiten, was du irgendwo findest. Das sind durchaus Komponenten, die echte Soldaten sehr intensiv trainieren – wenn du im Irak bist und deine SA80 hat Probleme, dann nimmst du halt die AK47, die da irgendwo rumliegt. Natürlich überdrehen wir das, der Spaß steht im Vordergrund. Ich würde generell PUBG als Spiel bezeichnen, was nach dem guten alten „Es ist, was du draus machst“-Prinzip funktioniert. Wir haben Fans, die es militärisch taktisch angehen. Wir haben andere, die einfach die Sau rauslassen wollen und für Beide bieten wir dieses Universum an. Viele dieser verrückten Ideen, die so dezent Richtung James Bond gehen, entstammen übrigens der Überlegung realer Physik: Unsere Buggys sind ob ihrer Bauweise am Heck stärker geschützt als vorne, also rasen die Leute rückwärts. Ich finde das absolut geil.
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Wir müssen einfach fragen: Wie kam die legendäre Bratpfanne ins Spiel? Greene: Ein Designer baute sie ein als Gag. Ein Programmierer machte sie zu einem gewissen Grad Kugelsicher und wir merkten beim Playtesting: „Hmm, das ist eigentlich ganz interessant.“
Wir wollten es ursprünglich für einen späteren Patch aufbewahren und stärker an der Balance arbeiten, aber er rutschte aus Versehen mit in den letzten Patch und die Community hat es gefeiert. Es wurde zum größten Meme, vielleicht sogar größtem Markenzeichen von PUBG. Komisches Gadget, komische Geschichte, aber doch sehr passend für dieses Spiel.
Was hältst du von der Mobile Shooter Szene und wie schwierig war es PUBG für Mobile zu optimieren – es hat ja doch viele Menüs und andere Features, die Platz brauchen. Die Lorbeeren dafür gebühren unserem fantastischen Team in Südkorea. Das hat unglaublich geholfen, weil du in Asien eine andere Smartphone-Kultur hast, als bei uns. Diese ganzen Revolutionen in der Chip-Architektur, die Grafikarten, die HDR-Displays – das gibt’s alles schon sehr lange in Südkorea. Auch hast du dort eine gewachsene eSports-Kultur: In Südkorea gibt’s komplette Fernsehsender, die nur eSports produzieren. Ich bin schon stolz auf PUBG Mobile, weil ich hatte auf Smartphones oft das Gefühl, dass Shooter zu einfach sind. Wir haben in PUBG eine sehr niedrige Abschussrate, sehr viel niedriger als in den meisten anderen Mobile Games. Und das macht es letztlich aus: Wenn du härter für den Sieg arbeiten musst, dann feierst du ihn letztlich umso mehr. Das gilt auch mechanisch: Wir überschütten dich nicht mit Waffen, du musst dafür echt kämpfen. Und ich find’s generell toll, dass jetzt Fortnite, Call of Duty, diese ganzen großen Shooter von PC und Konsole auf Mobile kommen. Das ist gerade eine große Zeit für Smartphone-Gaming.

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Absolut, Thema Mobile eSports. Ihr hattet dieses gigantische PUBG Invitational in Berlin mit Twitch-Stars wie Ninja, Shroud, Dr. Disrespect. Wie hast du das empfunden? Greene: Wow, das war der absolute Wahnsinn. Das Team hat eine Show auf die Beine gestellt, die Richtung Eröffnung der Weltmeisterschaft ging – mit einer tollen Varieté-Show, Pyro-Effektfeuerwerk und einem riesigen Fan-Treffen mit großem eSports-Turnier. Es ist immer noch alles ziemlich surreal: Weil wir haben nie geplant, einen Blockbuster-Hit zu produzieren. Das hat sich alles verselbstständig, ist gewachsen. Und genau das fasziniert mich so an Gaming: Als wir an PUBG gearbeitet haben, war es mein Traum mal Battle-Royale in den eSports zu bringen. Aber es fühlte sich nach eben genau dem an – einem Traum. Ich dachte nicht, dass wir mal auf einer Bühne mit Counter-Strike: Global Offensive bei den Intel Extreme Masters in Oakland antreten würden, einer der größten, etabliertesten und ältesten eSports-Turnierreihen der Welt.
Brendan Greene arbeitet seit einem Jahr nicht mehr an PUBG, sondern der PUBG Special Projects Division, die an neuen Technologien, Tools und Gameplay-Mechaniken arbeitet: „ Zunächst mal genieße ich es wieder mehr Zeit in Irland verbringen zu können – meine Tochter ist hier, es ist mir wichtig sie zu sehen und ich habe das Land und die Menschen einfach vermisst. Klar, vorher war ich auch immer wieder hier, aber musste permanent Zeitzonen wechseln für Meetings in Südkorea und war natürlich auf allen wichtigen Messen. Mir geht’s in der Tat darum einfach wieder mehr aktiv zu entwickeln – nicht nur der Kopf eines großen Projekts zu sein, strategisch zu planen, zu repräsentieren, diese klassischen Management-Aufgaben wahrzunehmen. Sondern wirklich zu coden, zu konzipieren, geilen Scheiß auszuprobieren. Ich habe das große Glück, dass mir die PUBG Corp. quasi ein eigenes kleines Team gibt, wo ich einfach experimentieren darf, ohne harte Deadline, ohne vordefiniertes Ziel.“ Überraschend – im Gespräch mit dem GameInformer verriet Greene, dass PUBG Special Projects zumindest aktuell nicht an Battle Royale arbeitet, sondern das Genre noch offen sei. Er sagt sogar eindeutig: „Ich werde eher nicht PUBG 2 entwickeln.“