„Bank Job und Family Business"
Der Beginn ist knackig und ein typischer Wayne-Moment. Eine Bande Galgenvögel schlägt in einem verschneiten Waldstück ihr Nachtlager auf. Plötzlich erscheint wie aus dem Nichts ein Reiter aus dem Unterholz, steckt sich in aufreizender Lässigkeit einen Marshal-Stern an und fordert die bösen Buben auf sich zu ergeben. Nach der ersten Verblüffung eröffnen sie natürlich das Feuer, in der irrigen Ansicht ihre zahlenmäßige Überlegenheit wäre der entscheidende Trumpf. Klar sind sie da an den ganz Falschen geraten. Marshal Cahill scheint die Szene regelrecht zu genießen und schießt ein halbes Dutzend zuerst kampfunfähig und wirft ihnen dann die Handschellen vor die Füße.
In den 1970er Jahren, als der klassische Western längst ausgedient hatte, konnte nur noch Genre-Urgestein John Wayne solche Auftritte abliefern, ohne lächerlich zu wirken, oder sich in Satire bzw. Parodie flüchten zu müssen. Längst war er zu seinem eigenen Mythos geworden, der auch Abseits von Zeitgeist und veränderten Sehgewohnheiten funktionierte.
„Cahill United States Marshal" (der sinnfreie deutsche Titel „Geier kennen kein Erbarmen" sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt) war Waynes 6. Western in Folge - beginnend mit „Chisum" 1970 - und das innerhalb von 4 Jahren. Fast könnte man meinen, dass der von Krankheit und Alter gezeichnete „Duke" noch mal mit aller Kraft die letzten Reserven mobilisierte, um sein Vermächtnis zu zementieren. Wie seine fünf Vorgänger gehört dann auch „Cahill" zu der Sorte von Filmen, die zwar wenig Neues zu erzählen hatten und auch in gewisser Weise aus der zeit gefallen schienen, den „Mythos Wayne" aber weiter verfestigten und ausbauten.
Der Star selbst äußerste sich im Rückblick eher reserviert über den Film. Das Drehbuch hätte besser sein, die Figuren hätten mehr Tiefe vertragen können und auch die iszenatorische Leistung seines Regie-Buddys Andrew McLaglen („Cahill" war ihr fünfter gemeinsamer Film in 5 Jahren) stufte er eher mittelprächtig ein. Alles durchaus berechtigte Kritikpunkte, die aber der hier mehr oder weniger bewusst betriebenen Ikonisierung von Waynes Western-Persona kaum etwas anhaben können.
Auf dem Papier klingt das inhaltliche Grund-Konstrukt zunächst einmal vor allem beziehungstechnisch interessant. Der verwitwete U.S. Marshal J.D. Cahill (Wayne) betreibt seinen Beruf mit leidenschaftlicher Hartnäckigkeit, für seine beiden halbwüchsigen Söhne Dann und Billy bleibt da so gut wie keine Zeit. Aus Trotz schließen sie sich einer Bande kaltblütiger Bankräuber an und spielen einen wesentlichen Part im ausgeklügelten Plan von Bandenchef Abe Fraser (George Kennedy). Als den Gangstern die Flucht gelingt, muss Cahill auch seine beide flüchtigen Söhne verfolgen ...
Aus dem Konfliktfeldern zwischen elterlicher Vernachlässigung und jugendlicher Trotz-Rebellion sowie bedingungsloser Vaterliebe und granitener Gesetzestreue hätte man eine Menge psychologisches Potential schöpfen können, leider kommt der Film aber über ein paar halbherzige Ansätze nie hinaus. Der Fokus liegt eindeutig auf der Verbrecherhatz, also auf der äußeren Handlung, der Aktion. Die gestaltet sich obendrein wenig aufregend oder gar rasant, so dass der Plot recht gemütlich vor sich hin trabt. McLaglen und Wayne sind Genre-erfahren genug, um keine Langeweile aufkommen zu lassen, mehr wie routinierte Standardware liefern sie dabei aber auch nicht. Inwieweit die während der Dreharbeiten erhaltene Nachricht vom baldigen Tod seines Mentors und Freundes John Ford Einfluss auf Waynes Engagement hatte, ist dagegen reine Spekulation.
Eine bemerkenswerte Facette hat „Cahilll" dennoch zu bieten, wollte Wayne doch mit diesem Film eine Art Wiedergutmachung für seinen rüden filmischen Umgang mit den amerikanischen Ureinwohnern betreiben. Ob dies mit dem eher komisch angelegten Sidekick des Fährtenlesers Lightfoot auch nachhaltig gelang, ist zumindest diskutabel. Zwar gibt es das ein oder andere themenrelevante Gespräch zwischen den beiden, aber letztlich wird die Indianerproblematik ähnlich oberflächlich abgehandelt wie der Vater-Söhne-Konflikt. Dass der hoch dekorierte weiße Weltkriegs-Veteran Neville Brand das Halbblut Lightfoot verkörperte hat seinerzeit jedenfalls weit mehr Wellen geschlagen, als Waynes vermeintliche Indianer-Rehabilitierung.
„Cahill United States Marshall" ist John Waynes drittletzter Western und sicher einer seiner Schwächeren. Dennoch bietet auch er genug vergnügliche und ikonische Momente um ihn mindestens Fans für eine Einmalsichtung zu empfehlen. In jedem Falle ist er ein weiteres Sinnbild für John Waynes Fähigkeit auch weniger gute Filme souverän über die Ziellinie zu bugsieren. Als Ouvertüre für den nicht fernen Schwanengesang mit „Rooster Cogburn" (1975) und vor allem „The Shootist" (1976) ist er zudem bestens geeignet, schließlich gilt es inne zu halten, bis das große Finale mit Pauken und Trompeten einsetzt.