Den traditionell so leichenblassen Vampirfürsten Dracula mal eben in einen Afroamerikaner verwandeln? Pah, das war doch nur der Anfang. Wie sich herausstellte, würden „Blacula“ (1972) und dessen Fortsetzung „Scream Blacula Scream“ (1973) für American International Pictures nichts als Aufwärmübungen auf dem Weg zum Kamm der Blaxploitationwelle sein, die nach dem Willen der AIP-Bosse eben nicht nur über die Krimi- und Actionfilme nach Vorbild von „Shaft“ (1971) hereinbrechen sollte, sondern auch über das Kino der Monster und Kreaturen, kurz: über den Horrorfilm.
So gestattete man sich also, neben jahrhundertealten Vampirgesetzen gleich auch noch George A. Romeros Zombie-Revolution „Night of the Living Dead“ (1968) kurzerhand zu revidieren. Mit der schwarzen Welle galt es nun, das getrocknete Erdreich auszuheben, um neben Würmern und faulendem Fleisch nicht nur die Anfänge des rituellen Zombiefilms der 30er und 40er Jahre im Kontext schwarzer Magie erneut zum Vorschein zu bringen, sondern mit ihnen auch die afrikanische Voodoo-Mythologie aus dem Totenschlaf zurückkehren zu lassen, die „Sugar Hill“ nun eitel aufträgt wie auffälligen Halsschmuck.
Das Timing kam anno ’74 nicht von ungefähr, hatte doch niemand Geringerer als James Bond soeben beruflich im Voodoo-Ambiente zu tun gehabt („Live and Let Die“, 1973) und war dabei auch auf eine Inkarnation des Totenwächters Baron Samedi gestoßen (Geoffrey Holder), von dem nun eine weitere Ausgabe nach Pimp-Art (Don Pedro Colley) zum lautstarken Rummelansager von „Sugar Hill“ aufgebaut wird. Das Augenmerk liegt jedoch auf Hauptdarstellerin Marki Bey, deren rachsüchtiger Afro-Engel den Paraderollen Pam Griers aus dieser Zeit, insbesondere „Coffy“ (1973), bis auf den letzten Millimeter nachempfunden ist, von der Motivation ihres Handelns über die Outfits bis hin zum schlagfertigen Auftreten.
Paul Maslansky, der später als Produzent der „Police Academy“-Reihe seine größten Erfolge feierte, hat hier also mit verschiedenen Einflüssen zu jonglieren, zusammengesetzt aus filmhistorischen Bausteinen, aktuellen Trends und afroamerikanischer Kultur. Dabei sieht man seiner Arbeit an, dass er wohl gewaltige Mühe hatte, die Kegel in der Luft zu halten. All die muffigen Gestalten in ihren hoffnungslos veralteten Schlaghosen und ihren spießig wie die Hecke eines Vorstadthauses getrimmten Afros, sie müssen gar nicht erst den Mund aufmachen, um diesen weniger nach dem gleichnamigen Stadtteil in Harlem als vielmehr nach der Protagonistin benannten Mix aus Vigilantenthriller und Gruselfilm in eine Massenkarambolage von einem Unfall zu verwandeln… und jedes Mal, wenn Bey mal wieder einen ihrer Coffy-Oneliner abfeuert, fährt sinnbildlich ein weiteres Auto drauf.
Denn es sind bei weitem nicht nur die Zombies, die da künstliche Spinnweben tragen, nein, längst ist alles drumherum mit ihnen vermodert, vom Soundtrack über den Slang bis zur Mode. Haben sich die wahren Klassiker dieser bewegten Epoche bei allem Zeitkolorit durchaus etwas Zeitloses bewahrt, erringt „Sugar Hill“ diesen besonderen Status, diese Tatsache, dass man sich irgendwie doch noch an ihn erinnert, allenfalls durch seine Komik, die ihn heute als Trash-Vergnügen qualifiziert, das gerade in den steifen Darstellergesichtern zur Vollendung reift, die da versuchen, die synthetisch klingenden Dialogzeilen möglichst authentisch auszugeben, ohne dass noch andere Sachen mit rauskommen. Das betrifft bereits die Racheschwüre Beys, mehr aber noch ihre Begegnungen mit Baron Samedi oder auch dessen Medium ins Reich der Lebenden, Mama Maitresse (Zara Cully), denn gerade hier stößt der im Kern nach Schema F verlaufende, geradezu klassisch als Kopie angelegte Blaxploitationer auf den Rand seiner Komfortzone, dort, wo die Dinge so richtig schief gehen können.
Stilecht an Originalschauplätzen in Houston gefilmt, fanden die Dreharbeiten zwar ein paar Autostunden vom amerikanischen Voodoo-Zentrum New Orleans entfernt statt, jedoch wusste Maslansky im Halbdunkel des nahenden Sonnenuntergangs auch ohne die charakteristischen Sumpfzypressen ein paar charismatische Locations aufzutreiben und sie in stimmungsvolles Licht zu tauchen. Wenn die Zombies erstmals aus dem Boden kriechen, fühlt man sich wohlig an klassische Gruselstreifen erinnert, passend verziert mit Laubwerk, Lehm und allem, was in herbstlich-fahle Brauntöne gefärbt ist. Die stets mit ausgestreckten Armen durch die Gegend wankenden Gestalten, die im letzten Moment der Attacke zumeist als Gruppe nach dem Kamera-Fischauge greifen, übertragen dabei diesen Kniff des Fremdgesteuerten und dadurch Marionettenhaften in die damalige Gegenwart, die dem Voodoo-Zombie als Untergattung traditionell eine grundlegend andere Qualität verleiht als etwa dem Virus-Zombie; im Grunde unterscheiden sich beide so sehr voneinander wie der Werwolf und der Vampir.
Maslansky geizt keineswegs damit, die Untoten zu zeigen, sie tragen ihre Spinnenseide bei jeder sich bietenden Gelegenheit spazieren und grinsen dabei blutig, wobei ihnen allen eine Besonderheit zu eigen ist: Ihre Augen stechen hervor, schlichte weiße Halbbälle ohne Iris und Pupille, die einfach nur reflektieren, anstatt zu fokussieren, ähnlich wie bei den Kreaturen aus C. Courtney Joyners Lovecraft-Adaption „Lurking Fear“ (1994). Ihr Anblick erzeugt insbesondere in heutiger HD-Qualität eine merkwürdige Dissonanz beim Betrachter, der die billigen Jahrmarktseffekte um halbierte Tischtennisbälle einerseits mehr denn je durchschaut, den urtümlichen Grusel, den der Anblick trotz allem verströmt, jedoch nicht ganz beiseite schieben kann. Es fühlt sich an wie eine gehauchte Mahnung aus dem Grab vor dem Verlust der Sinne, hier des Sehens, der im Extremfall einhergeht mit dem Verlust des Menschlichen, das in den reanimierten Körpern nicht mehr vorhanden zu sein scheint… auch wenn man meint, die Komparsen hinter ihren eingebauten Plastikfenstern das ein oder andere Mal mit den Augen rollen zu sehen. Aber es steckt auch eine weniger globale, eine der weißen Bevölkerung inhärente Furcht dahinter, nämlich diejenige vor fremdartigen Bräuchen, die sie nicht kontrollieren können. Dass die Zombies hier keineswegs von bösen Mächten kontrolliert werden, sondern von der Protagonistin, die eines geliebten Menschen beraubt wurde, deckt sich mit dem Anliegen des Films, diese fremden Bräuche auch einem weißen Publikum vertraut zu machen, was den Horror effektiv abmildert.
Es ist jedenfalls ein wahres Schmierentheater der praktischen Maskeneffekte, das hier unerwarteterweise tief begrabene Urängste anspricht, ohne natürlich wahrhaftige Angst auszulösen; für sich genommen ist das aber schon bemerkenswert genug. Blut fließt eher wenig direkt auf der Leinwand, gleichwohl im Off, beziehungsweise auf Dialogebene, durchaus Grausames vonstatten geht, was die Aura der schlecht kostümierten Statisten noch ein wenig unheimlicher erscheinen lässt. Don Pedro Colley pendelt als Baron Samedi im gleichen Maß zwischen Horrorgestalt und Witzfigur, ein wenig so wie der langsam zerfallende Ghul aus Wes Cravens „Vampire in Brooklyn“ (1995), gefangen in der Schere zwischen ernstem Horrorfilm und alberner Komödie. Das mag auch daran liegen, dass er als eine Variation des Gestaltwandlers konzipiert ist, der jeweils unterschiedliche Facetten einer langen Geschichte von Sklaverei und Religion aufgreift und in ähnlichem Maße über dem Film verschleudert wie die Spinnwebenmaschinen die Netze über die wandelnden Leichen. Im Gegenzug sehen wir in der Krimi-Rahmenhandlung Robert Quarry, der wenige Jahre zuvor für AIP einen Vampir gespielt hatte („Count Yorga, Vampire“, 1970; „The Return of Count Yorga“, 1971), als typisch schmierigen Gangboss, der typisch schmierige Henchmen unterhält, weitab noch von dem Hokuspokus, der sie im Laufe der Handlung einholt.
Zu diesen Gestalten kehrt schließlich auch „Sugar Hill“ zurück und entwickelt sich daraufhin zu einem repetitiven Police Procedural, bei dem sich Kills und anschließende Tatortbegutachtung permanent abwechseln. Diese wenig raffinierte Struktur tut dem eigentlich recht launigen Trash-Fundament nicht allzu gut, denn die Vorhersehbarkeit des Ablaufs verhindert gerade das, was der unfreiwilligen Komik zu ihrer Durchschlagskraft verhilft: die Entwicklung von Überraschungsmomenten.
So lebt „Sugar Hill“ vor allem von seinem unerschrockenen, wenn auch wenig versierten Versuch, Blaxploitation-Trends aufzugreifen und auf die Regeln des Zombiefilms abzubilden, ein Unterfangen, das Regisseur Paul Maslansky vorne und hinten nicht zu einem wasserdichten Paket geschnürt bekommt. Deshalb zerfällt sein Film nach und nach, überwuchert mit Kontinuitätsfehlern und Logikproblemen, wie gut abgehangenes Zombiefleisch in der Mittagssonne. Aber Marki Bey ist eben auch keine Pam Grier, so dass diese abgestandene Klamotte ohne ihre markanten Glupschaugenzombies und die durch sie freigesetzten Eigenarten vermutlich inzwischen vergessen wäre.