Vom Objekt zum Subjekt, oder: Der Rollenwechsel des Boris Karloff.
“The Man Who Changed His Mind” ist im Grunde nicht der Rede wert, zumindest oberflächlich aber doch ziemlich interessant. Das kommt seinem Titel gleich; das darin vorhandene “Mind” stellt nämlich ein hübsch-ironisches Polysem dar: “to change his mind” wird für gewöhnlich als “sich noch mal etwas überlegen” aufgefasst, in Anbetracht der Science Fiction-Story wird damit aber zugleich auch auf den wissenschaftlichen Durchbruch des Dr. Laurience (Boris Karloff) angespielt. Er ist in der Lage, die Gedankenwelt eines Lebewesens auf den Körper eines anderen zu übertragen. “The Man Who Changed His Mind” eben. Eine Doppeldeutigkeit, die der deutsche Titel leider wieder nicht darzustellen imstande ist. So ein großer Clou ist das aber auch wieder nicht, was auch für das in Großbritannien produzierte B-Movie gilt, das ganz nett ist, aber keine weiterführenden Diskurse zu bieten hat.
In Boris Karloffs Filmografie hält sich seine Wichtigkeit daher auch in Grenzen. Er trägt lediglich seinen Teil dazu bei, dass Karloff in den Dreißiger Jahren langsam einen Wandel vom gepeinigten Monster zum schmerzbringenden Monster in Menschengestalt, eben zum Mad Scientist, vollzog. Alleine in der “Frankenstein”-Franchise war Karloff plötzlich nicht mehr das Monster, sondern der Wissenschaftler; nach “Frankensteins Braut” wurde er durch Engagements in Streifen wie “Juggernaut” oder “Tödliche Strahlen” auf sein neues Klischee abonniert, auch wenn immer wieder Titel wie “Die Rache des Toten” dazwischenkamen und zum Jahrzehntswechsel hin sogar mal Asiaten von ihm verkörpert wurden und gesellschaftskritische Charaktere.
Woran man sich als Horrorfreund erfreuen kann, sind die Gedankenspiele des Dr. Laurience und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, die ein Gedankentausch nun mal so mit sich führt. Gedankentausch bedeutet ja auch Persönlichkeitstausch, damit eine Trennung von Seele und Körper, und so öffnen sich Möglichkeiten, interessante Szenarien zu entwerfen: Was, wenn ich wieder jung sein könnte? Wenn ich meinen alten, gebrechlichen Körper gegen einen jungen Körper tauschen könnte? Im Ergebnis ein Gedanke, den Spike Jonze mit “Being John Malkovich” Jahrzehnte später auch verfolgte, freilich auf andere und viel intelligentere Art. Ewiges Leben, das ist der goldene Kelch, auf den alles hinausläuft und der im Plot zugunsten der Dramatik Gut und Böse aus der Reserve lockt. Moralische und unmoralische Figuren, die sich anfangs noch so sehr ähneln, entfremden sich mit zunehmendem Erfolg der Experimente voneinander. Jetzt lebt das Werk von Intrigen und unvorhergesehenen Wendungen, von Mitleid, Rachsucht und Egoismus, von wissenschaftlichem Genie und seinem Nachbarn, dem Wahnsinn.
Das ist alles ganz hübsch zu verfolgen, auf eine höhere Stufe als Unterhaltung führt es uns allerdings nicht. Kritik an Gesellschaft oder Wissenschaft sind trotz der Thematik nie auszumachen, und statt feingeistiger Ironie oder schwarzem Zynismus wird stolpriger Humor nur um des Humors Willen geboten, der oftmals auch gar nicht in die Situation passt. Das Drehbuch ist also weniger intelligent denn vielmehr angenehm verzwackt, so dass wenigstens die Unterhaltung im Gegensatz zur Substanz nicht auf der Strecke bleibt.
Denn immerhin, die plötzlichen Sinneswandel (per Gedankenübertragung) gewisser Charaktere sind ein Anlass zur Freude, bieten sie doch absurde Situationen bei der Konfrontation mit Bekannten, die ihr Gegenüber nicht mehr wiedererkennen. Das böte gar Platz für auswalzenden schwarzen Humor, der aber immer nur in den angesprochenen Trockenteichen mündet, die meist sehr unbeholfen wirken. Trotzdem bilden sich speziell zwischen Boris Karloff, Anna Lee, Frank Cellier und Donald Calthrop interessante Situationen, da sie alle ihre eigenen Ziele verfolgen und Dr. Lauriences Errungenschaft eine dämonische Komponente ins Spiel bringt, die jedem einzelnen von ihnen die Möglichkeit gibt, bislang ungeträumte Träume zu erfüllen.
Das ist soweit aber auch schon alles, was in diesem Film wirklich als erfreulich einzustufen ist, da Ausstattung und Schauspielerei nicht unbedingt ein Grund sind, auf diesen alten Schinken zurückzugreifen. Sicher, die Maschinerie des Doktoren, genauer gesagt die zwei Transformationskammern, erinnern bisweilen doch verblüffend stark an “Die Fliege”, dessen Thema hier ja auch ein wenig mitschwingt (obwohl sich im Detail doch sowohl Kurt Neumann als auch David Cronenberg eigene Richtungen erarbeiteten). Davon abgesehen waren am Set von “Frankenstein” offenbar die Möbelpacker und haben ein paar Kulissen nach England geschafft. Hebel, Knöpfe und ringförmige Spiralen, die Elektrizität erzeugen, alles ist dabei, und nichts ergibt aus technischer Sicht einen Sinn. Was in Ordnung ist.
Die Schauspielerei geht sicherlich noch in Ordnung, von Bestleistungen sind die Damen und Herren aber weit entfernt. Musik wird erstaunlich sparsam eingesetzt, obwohl es seit einigen Jahren gang und gäbe war, großzügiger damit umzugehen. Viele Szenen leben aber vom reinen Bildwert, protzige Fanfaren erwarten einen nicht.
Auf ihre Kosten kommen sollten all jene, die Freude daran haben, wenn sich die Situation im Sekundentakt ändert. Bei nicht mehr als einer Stunde Laufzeit geschieht das ständig und es sind auch ein paar kleinere Überraschungen zu erwarten, wenn halt auch keine größeren Twists. “The Man Who Changed His Mind” ist in seinem Drehbuch ähnlich hypothetisch wie ein Film über Zeitreisen, birgt die zentrale Eigenart des Science Fiction-Films in seiner rohsten Form in sich. Ein in unserer realen Welt noch phantastisches Element wird genutzt, um auf ihm aufbauend zu überlegen, welche Schlüsse dies für unsere Lebensumstände zuließe. Das wird den Unterhaltungsfaktor betreffend ganz gut gelöst, bleibt letztendlich aber unreflektiert. Auf den Punkt gebracht bedeutet das: Netter Zeitvertreib für Liebhaber von Horrorfilmklassikern, der allerdings über keinerlei cineastische Werte verfügt.