Wenn man sich derzeit so das Fernsehprogramm ansieht, muss man zu dem Schluß kommen, dass die Leute gerne zusehen, wie sich andere Leute zum Volldeppen machen. Egal, ob sie Käfer fressen, über Körpergerüche reden oder die Familie tauschen - stets finden sie ihr Publikum. Ich wünschte, es wäre nicht so, es ist aber so. Das Niveau ist derzeit auf dem Keller.
Der Grund ist da schon nachvollziehbarer. Indem man sieht, wie dumm andere Leute sind, fühlt man sich nach einem harten Arbeitstag selbst wertvoller. Insofern kann man dem Müll-Fernsehen sogar eine gewisse psychologische Qualität zuschreiben.
In den 90ern wurde dieses Bedürfnis aber auch schon gestillt, und zwar weitaus geschmackvoller als bei Real-Life-Dokus und Pulp-Factor-Shows und wie sie alle heißen. Der Erfolg hatte zwei Namen: Beavis und Butt-Head (das soll mal jeder für sich übersetzen).
Mike Judge hat da eine mehr als umstrittene Serie geschaffen. Das beginnt schon bei der unvergleichbaren Animation. Der Zeichenstil ist sicherlich nicht jedermanns Sache und in jedem Fall gewöhnungsbedürftig. Die Figuren sind oft hager und kantig, dabei durchaus an der Anatomie echter Menschen orientiert. Das heißt, sie haben fünf Finger, rosa Haut, ihre Nasen sind nicht nur Hubbel im Gesichtsfeld, und die Augen nehmen nicht zwei Drittel des Gesichtsfeldes ein. Das alles gilt genauso für die Umwelt, also für Tiere, Häuser, Autos, Maschinen, Möbel etc. Auch beherrschen eher erdige Töne das Geschehen. Kunterbuntes ist eher die Ausnahme.
Unsere beiden Protagonisten heben sich dabei äußerlich schon etwas von den übrigen Figuren ab. Vorab: Beavis und Butt-Head sind - obwohl sie gegenüber sich selbst die Coolsten sind - absolute Vollblutlooser. Das beginnt schon beim Körperbau. Beide sind schmächtige Kerlchen, die ein kräftiger Typ entzweibrechen könnte wie ein Streichholz. Dieser Eindruck wird noch bestärkt durch die etwas verklemmte Haltung und die knappen Shorts und T-Shirts mit den Aufdrucken "Metallica" und "AC/DC". Knie und Armgelenke liegen frei, man fühlt sich ein wenig an Kleinkinder erinnert, die im Sandkasten spielen.
Etwas zu groß für die schmächtigen Körper sind ihre gewaltigen Wasserköpfe, die durch bauschige Frisuren umso gewaltiger wirken. Beavis trägt eine wellig-schmalzige, blonde Fönfrisur. Das darunterliegende Gesicht erinnert ein wenig an den Kasper aus dem Kasperletheater. Butt-Head hingegen hat hohes, nach hinten gekämmtes kackbraunes Haar, das nicht über seine hässliche Visage hinwegtäuschen kann. Die besteht nämlich aus unvorteilhaft zusammengekniffenen Augen und einem Mund, der bei hochgezogener Oberlippe jede Menge Zahnfleisch und eine Reihe von Zähnen mit Zahnspange entblößt.
So traurig die Figuren aussehen, so bemitleidenswert dumm benehmen sie sich auch. Rein konzeptuell bewegen wir uns auf Pfaden von "Dumm und Dümmer", nur ist alles fast noch eine Spur dümmer als bei Harry und Lloyd. Eins steht nämlich fest: Beavis und Butt-Head wissen, worum es im Leben geht: um Party, Bier und Chicks. Sie wissen auch jede Menge Geschichten zu erzählen, aber wirklich erlebt haben sie noch nichts. Noch keine Chicks flachgelegt, noch nie Alkohol getrunken (obwohl sie mehrfach versucht haben, an Alk zu kommen) und überhaupt bewegen sie sich in einem eigenen Mikrokosmos, der parallel zu dem "normaler" Menschen verläuft.
Ihre Homebase ist die Couch vor dem Fernsehen. Dieses Fernsehen (Achtung, Medienkritik!) fungiert als Ansporn und Ratgeber für die dämlichsten Odysseen quer durch die Stadt. Auch hier gilt wieder: das im Fernsehen Gezeigte wird vollkommen neutral dargestellt, so dass kein normaler Mensch auf die dummen Gedanken kommen würden, die den beiden Anarchos in den Sinn kommen. Beavis und Butt-Head ziehen aber mit frischen Ideen los und belästigen sämtliche Leute von der Unterschicht bis zum Adel mit ihrem Kinderkram. So finden sie beispielsweise beim Spielen auf der Müllkippe (!) einen toten Nerz und versuchen, ihn in einem Laden für Pelzmäntel an den Mann zu bringen. Oder sie kommen auf die glorreiche Idee, ihr Geld zu kopieren (ja, selbst das Münzgeld!) und damit Nachos zu kaufen. *AndieStirnklatsch!* warum ist da bisher noch keiner drauf gekommen?
Einen ganz besonderen Platz im Herzen der Serie hat die Fäkal- und Sexualsprache. Ständig ist die Rede von "Morning Woods", "Asswipes" und Ähnlichem. Der Teaser zum Kinofilm z.B. zeigte den berühmten "Hollywood"-Schriftzug, als plötzlich Beavis und Butt-Head auftauchten und das "Holly" mit der Hand verdeckten, so dass nur noch das "Wood" ("Latte") zu sehen war. Beavis` Auftritt als großer "Cornholio" mit über den Kopf gezogenem T-Shirt dürfte schon Kultstatus erreicht haben.
Dies alles wird dann immer mit dem erinnerungswürdigsten und umstrittensten Element der Serie kommentiert: "Hö. Höhöhö. Höhö. Hö." Und: "Hehe. He. Hee. Cool. Hehehe." Wenn sie nicht gerade reden, entfährt ihnen gewöhnlich dieses ins Blut übergegangene Lachen, das schon so manchen Zuschauer um den Verstand gebracht haben dürfte. Allerdings ist es unablöslicher Bestandteil, der die Dummheit noch unterstreicht.
Die restlichen Charaktere erreichen zwar lange nicht die Vielfalt etwa von den Simpsons, haben aber doch noch einige interessante Vertreter vorzuweisen. Allen voran sicherlich Mr. VanDriessen, der verständnisvolle Hippie-Lehrer mit Peace-T-Shirt. Ob Mr. M`Kay aus South Park wohl von dieser Figur inspiriert wurde? Dann gibts da noch den stotternden Schuldirektor, den campenden Nachbarn (dem dann später auch eine eigene Serie spendiert wurde), den Vokuhila-tragenden Asi-Rowdy Todd und andere. Oft stehen aber auch namenlose Statisten im Vordergrund, die später nie wieder auftauchen.
"Beavis & Butt-Head" persiflieren damit die durch den eigenen Sender MTV zu Anteilen selbst ausgebildete Jugendkultur der frühen 90er Jahre, deren apathische Vegetation in der Grunge-Kultur ihr Ventil fand - ganz besonders nach dem Tod Kurt Cobains. Judge richtet sich freilich an das postmoderne Publikum: man soll verständnislos den Kopf schütteln über die idiotischen Aktionen der beiden Volldeppen und sich sicher sein, dass man ihnen in jeder Hinsicht meilenweit überlegen ist.
Wie dem auch sei, "Beavis & Butt-Head" ist zweifellos Idioten-TV, das Dargestellte betreffend nicht anders als der Trash, der heute über den Bildschirm wandert. Aber es subversives Idioten-TV, reflexives Idioten-TV, und damit schielt sein Erschaffer eindeutig Richtung "Simpsons", um sich im gleichen Stil auf Jugendkultur zu spezialisieren, wo Springfield ganz allgemein Rundumschläge verteilt.
7/10 (Tendenz aufwärts).