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Review

In seiner Struktur ist „Kentucky Fried Movie“ ein Episodenfilm, in seiner Funktion beißende Kultursatire. Was aus heutiger Sicht aber wirklich fasziniert, ist der Umstand, dass dieser Film wie ein Zeitzeugendokument über die 70er wirkt. Man fasst die satirisch überspitzte Aneinanderreihung der einzelnen Episoden auf wie ein Statement zur eigenen Zeit und sieht den Film wie durch die Augen eines Beteiligten. Dadurch wird der Inhalt natürlich epochenspezifisch und ist aus heutiger Sicht nicht mehr aktuell. Man könnte die kurze Halbwertszeit als Defizit auslegen; tatsächlich macht das Gezeigte aber gerade in unserem Zeitalter der Massenkommunikation und der Informationstechnologie Spaß.

Es ist nämlich nicht so, dass der Zuschauer von heute keinen Bezug zu den Themen hätte. In die Episodenliste werden die verschiedensten kulturellen Dimensionen der 70er aufgenommen, von denen viele zwar nicht mehr up to date sind, dafür aber nostalgischen Wert besitzen.

Zusammengehalten werden die sehr unterschiedlich langen Einzelepisoden durch den brüchigen Rahmen der Nachrichtensendung „11 O`Clock News“. Brüchig deswegen, weil diese Sendung eher willkürlich ab und an eingestreut wird und voneinander vollkommen unabhängige Themen auch schon mal direkt hintereinander eingeblendet werden. Was auf die Schippe genommen wird, spiegelt eindeutig den Zeitgeist wieder. Recht dominant sind die Beiträge über Porno- und Erotikfilme. Was kaum verwunderlich ist, wo „Schulmädchen-Report“ und „Deep Throat“ mit ihren Nachzüglern immerhin eine sexuelle Emanzipation provoziert, um nicht zu sagen eine Revolution losgetreten haben. Diese vor allem über das Fernsehen verbreitete „Sexualisierung“ liberalisierte immerhin die gesellschaftlichen Strukturen und brach nicht nur Tabus, sondern auch sperrige Konventionen.

Ungefähr ein Drittel des Films wird derweil auf eine Eastern-Parodie namens „A Fistful of Yen“ verwendet. Genau genommen handelt es sich hier um eine Eastern-Western-Parodie, spielt der Titel doch auf den Leone-Westernklassiker „Für eine Handvoll Dollar“ an. Darüber hinaus handelt es sich beim parodierten Film um Bruce Lees letzten Streich von 1973. „Der Mann mit der Todeskralle“ ist bekanntlich ein Vehikel des Westens, erinnert in seiner Anlage eher an einen Bond-Film als an einen klassischen Eastern und bietet doch Bruce Lee als Hauptdarsteller. Globalisierungstendenzen lassen sich hier erkennen, Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen; wiederum ein Aspekt, der die Menschen in den 70ern direkt betroffen hat.
Bei der Erstaufführung von „Kentucky Fried Movie“ war Bruce Lee vier Jahre tot; bedenkt man die Umstände seines Todes, dürfte klar sein, dass Lee trotz der relativ langen Zeitspanne immer noch sehr präsent war in den Köpfen der Menschen, zumal er mit seinem Kampfstil eine ganze Welle von Nachzüglern inspiriert hatte.
Begründet durch die recht lange Laufzeit (über 30 Minuten, womit die „A Fistful of Yen“-Episode zum Nukleus von „Kentucky Fried Movie“ auserkoren ist) wird „Der Mann mit der Todeskralle“ sehr ausführlich parodiert, wobei die Dialog- und Handlungsszenen zugunsten der Actionsequenzen ausgespart wurden. Der Lee-Imitator parodiert den Meister nahezu perfekt; die Fußarbeit, die Kicks, die Schreie, der durch übertriebene Zeitlupe in Szene gesetzte grimmige Gesichtsausdruck beim finalen Todesstoß; all dies kann gut unterhalten und bewahrt doch eine respektvolle Distanz zu Lee und seinem Schaffen. Nebenbei könnte „Kentucky Fried Movie“ auch seinen Teil dazu beigetragen haben, dass die charakteristischen Kampfschreie immer dann auftauchen, wenn jemand nicht ganz so ernst einen Karate-Kick ausführt, und Bruce Lee dennoch geehrt wird, anstatt zum Hampelmann zu verkommen.

Aber nicht nur inhaltlich wird auf solche Filme Bezug genommen, auch die Art ihrer Verbreitung wird parodiert, womit das Medium als solches in den Vordergrund tritt. Gerade bei der Behandlung der Sexfilme wird die betonende Sprechweise des Ansagers übertrieben, während auch die Schnitttechnik deutlich als Werbemittel herausgestellt wird. Damit macht man sich auch über die Manipulation am Kunden durch Massenmedien lustig, welche in den 70ern expandierten.
Wo wir schon bei der Medienkritik sind: auch der Drang zur technischen Weiterentwicklung im Unterhaltungssektor wird aufs Korn genommen, hier das „Gefühlskino“, bei dem der Zuschauer mit allen Sinnen ins Geschehen hineingezogen werden soll. Inzwischen hat sich gezeigt, dass das Surround-Gefühl auf weitaus schlichtere Weise mit 5.1, HDTV & Co. realisiert wurde. Experimente wie Geruchskino sind gescheitert; auch 3D-Filme gab es schon, als der Film noch in den Kinderschuhen steckte; durchgesetzt haben sie sich aber nicht.

Einige der anderen Themen sind etwa Franchises (in einem Film, der sich „Kentucky Fried Movie“ nennt, muss natürlich auch das Coca Cola-Logo auftauchen... das große, gelbe „M“ hat es wohl aus Marketinggründen nicht geschafft), Blaxploitation-Filme (Stichwort Foxy Brown, hier „Cleopatra Schwartz“), Katastrophenfilme im Stil von „Die Höllenfahrt der Poseidon“ und mehr. Man bekommt einen guten Querschnitt des kulturellen Angebotes aus den 70ern geboten. Der Humor ist dabei sehr scharfzüngig und erinnert in seiner Effektivität an die Monty Python-Filme. Dass es sich hier um ein Frühwerk der späteren Macher von Filmen wie „Die Nackte Kanone“ oder „Die Glücksritter“ handelt, ist deutlich zu erkennen. Sicher ist alles noch etwas infantil und ungestüm, aber das Potential ist da.
Was nicht ganz so sehr begeistert, ist die Beliebigkeit des Aneinanderreihens der Sketche. Von Struktur ist jedenfalls nichts zu sehen. Wenn dadurch vielleicht auch das Gefühl des Zappens durch die Kanäle aufkommt, was man letztendlich mit etwas Wohlwollen auch als gewollte Ironie auslegen kann, hätte man die Sache mit dem Grundgerüst der Nachrichtensendung auch besser lösen können.

Dennoch ist „Kentucky Fried Movie“ gerade etwas für jene, die sich für die Siebziger Jahre interessieren oder in ihnen aufgewachsen sind und sich gerne in Nostalgie suhlen. Auch Cineasten dürfen einen Blick wagen, werden doch zahlreiche Genres veräppelt, die damals angesagt waren. Auf dem Cover steht „witzig, schamlos, boshaft, durchgeknallt, unverwüstlich“ - das kann man so stehen lassen.

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