1981 „Nighthawks" oder Imagewechsel im Sinkflug (Sly Nr. 5)
Nachdem Sly Stallone mit „Rocky II" wieder in die Erfolgspur zurückgefunden hatte und die Scharte seines Pre-"Rocky"-Doppelflops („F.I.S.T." und „Vorhof zur Hölle") ausgewetzt war, startete er 1980 einen neuen Versuch der Boxerschublade zu entkommen. „Nachtfalken" war ursprünglich als „French Connection III" geplant gewesen, aber Gene Hackmann zog nicht so recht, so dass Stallone zugriff.
Eine interessante Gelegenheit und keine schlechte Wahl, bot das modifizierte Skript doch die Chance auf ein ganz neues Rollenprofil in einem von ihm noch unberührten Genre. Und Stallone stürzte sich mit Feuereifer in die neue Herausforderung. Um den New Yorker Straßen-Cop Deke DaSilva glaubhaft darstellen zu können fuhr er mehrere Wochen auf Streife mit und veränderte auch sein Äußeres deutlich durch eine Langhaarfrisur mitsamt Vollbart. Des weiteren hatte er sich das Recht zusichern lassen, bei der Überarbeitung des Drehbuchs mitwirken sowie bei der Wahl des Regisseurs mitreden zu können. Als seinen Partner Det. Sgt. Matthew Fox verpflichtete man schließlich Billy Dee Williams (v.a. bekannt als Lando Calrissian in „Das Imperium schlägt zurück", 1980), mit dem sich Stallone auf Anhieb prächtig verstand.
Allerdings stand die Produktion von Beginn an unter keinem guten Stern. Regie-Routinier Gary Nelson warf nach wenigen Tagen das Handtuch und wurde durch den völlig unerfahrenen Bruce Malmuth ersetzt. Zudem bekam Stallone immer mehr das Gefühl, dass der bis dato lediglich in Holland bekannte Rutger Hauer ihm bereits in seiner ersten Hollywoodrolle die Schau stehlen würde und pochte daher auf eine Schnittfassung, die seine eigene Figur mehr in den Fokus rücken sollte. Stallones „Da Silva"-Cut fiel allerdings bei Testscreenings durch, was zu weiteren Verzögerungen führte. Zu Streitigkeiten kam es auch ob der anvisierten Laufzeit von 2,5 Stunden, die wiederum das finanzierende Studio ablehnte, dem zudem die Grundausrichtung zu düster und brutal erschein. Die daraus folgenden Kürzungen gingen vor allem auf Kosten der Figurenzeichnungen, deren durchaus erzählenswerte, persönliche Hintergründe weitestgehend schemenhaft bleiben, was wiederum nicht sonderlich mit dem realistischen und auf psychologische Spannung setzenden Ton des Films harmoniert.
Schade drum, denn das Duell zwischen dem internationalen Top-Terroristen Wulfgar (Rutger Hauer) und dem NYPD-Cop mit Vietnamvergangenheit böte so einiges an Potential und Sprengstoff. Hier der schillernde, arrogante, selbtsverliebte, skrupellose und eiskalte Killer, dort der mürrische, aufmüpfige, mit sich und seiner Umwelt hadernde Polizist. Hier der clevere Charmeur, der Beruf und Vergnügen gewinnbringend zu verbinden weiß, dort der in zwischenmenschlichen Beziehungen und Konflikten stets falsch reagierende Griesgram, bei dem Arbeit und Privates sich permanent im Weg stehen.
Stallone und Hauer liefern beide starke Vorstellungen mit erkennbaren Vorteilen beim Holländer, der aber auch den dankbareren, weil interessanteren Part hat und diese Vorlage auch voll nutzt. Gerade wenn die beiden ungleichen Rivalen aufeinandertreffen sprühen die Funken, um so unerklärlicher allerdings, dass der Film so wenig Gebrauch davon macht. So bleibt es lediglich bei einer nächtlichen Hatz durch die New Yorker U-Bahn sowie einem Geiselaustausch in luftiger Höhe, von denen besonders letzterer durch die intensive Präsenz-Rangelei der beiden nachhaltig beeindruckt.
Thematisch wirkt „Nachtfalken" erstaunlich modern, war teilweise seiner Zeit sicher auch ein Stück weit voraus. Die Angst vor Terroranschlägen in westlichen Metropolen, die Frage nach ihrer Bekämpfung bzw. Verhinderung sowie die Methode im Umgang mit den Startätern und den dahinter stehenden Organisationen ist jedenfalls ein Themenkomplex der seit den frühen 1980er Jahren mindestens nichts an Aktualität, Brisanz und kontroversem Potential eingebüßt hat.
Auch hier muss man bedauern, dass der Film sein Potential nicht ausschöpft. Denn Da Silva ist der einzige in der neu formierten Spezialeinheit zur Aufspürung Wolfgards, der die beinahe alternativlose Liquidierung in Frage stellt, während seiner Vietnamzeit aber eine Rekordzahl an Feindestötungen vorzuweisen hat. Auch sonst wirkt er wenig zimperlich im Umgang mit örtlichen Verbrechern. Diese charakterliche Widersprüchlichkeit bzw. Ambivalenz bleibt allerdings bloße Behauptung und erfährt keine tiefergehende Betrachtung. Stallone wäre dazu mimisch sicherlich in der Lage gewesen, außerdem hätte es seine Figur definitiv vielschichtiger gemacht. An der Oberfläche bleibt so natürlich auch die innerpolizeiliche Auseinandersetzung bezüglich der adäquaten Terrorismusbekämpfung.
Trotzdem ist dabei immer noch ein spannender Polizei-Thriller heraus gekommen, der durch die reduzierten Plotelemente an Erzähltempo gewinnt. Look und Inszenierung erinnern noch stark an das Politthriller-Kino der 70er Jahre, in dem eine pessimistische Grundstimmung zum guten Ton gehörte. Die Straßen sind schmutzig, vieles spielt sich in zwielichtigen Hinterhöfen und Vierteln ab und der bei Farbgebung dominieren braun und grau. Der gelackte, helle und auch buntere Hochglanzlook sollte sich erst ein paar Jahre später herausbilden, genauso wie eine durch zunehmenden Hedonismus und Materialismus veränderte Atmosphäre. Auch von den unkaputtbaren und unbeirrbaren Helden der anlaufenden Dekade ist noch nichts zu sehen. Erwähnenswert ist dies vor allem, da Stallone zum Prototyp der gnadenlosen Ein-Mann-Armee werden sollte, der das Action-Kino der 80er prägen sollte wie kaum ein anderes Merkmal.
Die Filmkritik äußerte sich seinerzeit moderat positiv über „Nighthawks" und auch über Stallones Schauspiel. Genützt hat es leider wenig, denn an die „Rocky"-Erfolge konnte er auch mit diesem neuen Fluchtversuch nicht annähernd anknüpfen. Zweifelhaft ist auch, ob seine Eingriffe in Schnitt und Erzählstruktur wirklich zielführend im Sinne eines besseren Endprodukts waren. Rutger Hauer hinterlässt auch in der endgültigen Fassung einen enorm starken Eindruck als zwischen Wahnsinn, Effizienz, Leichtsinn und Präzision sich aufreibender Terrorist und verweist Stallone trotz ebenfalls sehr ansprechender Leistung auf den zweiten Platz. Gern hätte man auch mehr über die beiden Kontrahenten erfahren, über ihren Antrieb, ihre Ängste und ihren Hintergrund.
„Flucht oder Sieg" - ironischerweise der deutsche Titel von Stallones nächstem Projekt - fasst das ganze Dilemma prägnant zusammen. Als Flucht vor der übermächtigen „Rocky"-Figur musste unbedingt ein Sieg in einem gänzlich anderen Umfeld her. „Nachtfalken" erfüllte lediglich die erste Forderung. Nun also sollte die Idee einer Fusion aus „Gesprengte Ketten" und einem Fußball-Drama endlich den gewünschten Befreiungs-Effekt bringen. Zumindest stimmt schon einmal der Originaltitel: „Victory".