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Review

Die “Direct-to-video”-Kette nimmt mal wieder ihren Lauf. In der Regel trifft es Franchises, deren Original zumindest mit einem brauchbaren Konzept dienen kann, welches vor allem bis zum geht nicht mehr variierbar ist. Dabei muss der erste Film, solange er halbwegs erfolgreich war, nicht mal besonders herausragend sein; vielleicht ist es sogar hilfreicher, wenn er nur mäßig läuft, damit die Sequels auch ihre Daseinsberechtigung haben und versuchen können, dem Thema eine weitere Facette abzugewinnen.

Genau dies versuchten auch “Mimic 2" aus dem Jahr 2001 und schließlich, zwei Jahre später, J.T. Pettys “Mimic 3 - Sentinel” in Hinblick auf Guillermo del Toros ansehnlichen Erstling. Während man den zweiten Teil aber noch als harmloses Zubrot belächeln konnte, stellt sich beim Filmfreund langsam die Angst ein, die sich so sehr in der “Halloween”-Reihe festgesetzt hat: Wird “Mimic” in den kommenden Jahren zur Plage? Eine weitere niemals enden wollende Horrorserie, die sich ohne jede Berechtigung auf ewig an der Franchise-Grundidee festklammert und sich per se ausbreitet wie die Judas-Züchtung? Welch bittere Ironie wäre das.

Die Schienen scheinen jedenfalls gestellt zu sein, und zwar Richtung “Highway to Hell”. Die Bemühungen um eine Alternation der Herangehensweise sind zwar ganz klar da, aber was dabei herauskommt, ist eines Horrorfilms nicht würdig, allerhöchstens eines Zeitvertreibs im Wartezimmer beim Arzt.
Regisseur Betty geht den Weg des Subtil-Horrors, versucht, die Spannung ganz dezent aufzubauen, was schon für sich ein Fehler ist, bedenkt man den Verlauf der Käferserie. Denn wo del Toro geschickt zwischen subtilem Schattenspiel und konkreten Panikattacken wechselte und schließlich in einem Gewusel aus Hunderten von Insekten mit gehörig Käfereingeweiden mündete, verließ sich Jean de Segonzac, Regisseur des zweiten Teils, auf ein einziges Insekt; vermutlich, um einen Kontrast zum Vorgänger darzustellen. Ging die Armut an Mutantengetier wegen der filmtechnisch maximal zweitklassigen Qualität nämlich schon hier gehörig auf den Keks, ist es in “Sentinel” noch schlimmer. Wahrhaftige 52 Minuten muss man, abgesehen vom Intro, auf die so genannten “Jäger” warten. 52 Minuten der Hilflosigkeit eines Ensembles bestehend aus schwachen Schauspielern, schwachen Drehbuchautoren und einem, diesem Film nach zu urteilen, eher untalentierten Regisseur.

Es ist immer gefährlich, sich auf Meister der Materie zu berufen, wofür “Mimic 3" das beste Beispiel ist. Die komplette Ausgangssituation um Karl Geary kann nur als Berufung auf Alfred Hitchcocks “Das Fenster zum Hof” interpretiert werden. Leider steht weniger der Hommage-Aspekt im Vordergrund als der Eifer, alles genauso gut zu machen wie das große Vorbild. Doch schmerzhaft ist der Fall aus großer Höhe. Volle zwei Filmdrittel vertraut Petty auf sein Szenario um den zwangsneurotischen jungen Mann, der hobbybedingt aus seinem Fenster Leute fotografiert und dabei auf merkwürdige Aktivitäten stößt. Eine schöne Imitation kann natürlich auch entzücken; es muss ja nicht immer Gucci sein. Robert Zemeckis’ “Schatten der Wahrheit” war ja im Prinzip auch nichts weiteres als eine stilistische Kopie des großen Hitch, aber eben selbst von einem Regie-Crack inszeniert und dadurch beinahe zu gleicher Klasse aufgestiegen. Was sich Betty da aber zusammendirigiert, passt unter keinen Hut. Beinahe steigt das Gefühl auf, alles, was Hitch gemacht hätte, sei ins Gegenteil verkehrt worden. Auch bedingt durch die recht starre und unkreative Kamera stellt sich zu keinem Zeitpunkt Spannung ein, nie fühlt man sich dazu verleitet, vom Bildschirm wegzusehen, weil man einen Schockeffekt vermutet, nie wird man plötzlich von einem Schock überrascht. Die Minimalanforderungen an das Genre werden nicht erfüllt, weil man sich zu viel vornahm mit der Orientierung an Hitchcock. Da wäre mir ein banaler Schocker lieber gewesen, denn der hätte immerhin ein paar Regungen ausgelöst.

Als wäre das noch nicht genug, wird man mit peinlich geschriebenen Figuren gequält, die teilweise Dialoge von sich geben, dass man die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Ganz schlimm ist es zwischen Hauptdarsteller Karl Geary und seiner Filmschwester Alexis Dziena bzw. seinem neuen Ersatzvater John Kapelos. Dzienas Charakter legt teilweise unberechenbare Emotionsschwankungen an den Tag, während Kapelos als Streifencop nicht minder merkwürdig agiert, so dass man nie so ganz weiß, was man von dieser Figur halten soll und zu was sie gut ist. Ist er ein schmieriger Sack, der sich mit Gewalt in die Familie drückt? Meint er es ernst mit der Mutter und will er mit ihrem Sohn Freundschaft schließen? Wird er im Film auch mal seinen Job gegen die Killerkäfer ausüben oder bedient er nur die Soap-Anteile?
Film-Mami Amanda Plummer wurde auch eine schwache Figur auf den Leib geschrieben, doch vermag sie es immerhin, sie souverän auszufüllen. Ihre verständnisvolle Art gegenüber dem Sohn ist mit Individualität gesegnet und damit durchaus ertragbar, womit sogar die Problematik um die Neurosen des Sohnemanns etwas interessant wird. Auch Karl Geary selbst trägt dazu bei, spielt er den Phobiker doch insgesamt ganz ansehnlich. Fraglich bleibt aber dennoch, was es mit der Brücke auf sich hat, dass er eines der letzten Kinder aus der Generation ist, die durch die Judas-Züchtung gesundheitlich beeinträchtigt wurde. Ein persönlicher Rachefeldzug gegen die Viecher ist jedenfalls nicht daraus geworden, zumindest wird es nie wirklich emotional, weshalb es da beim reinen Bezug auf den Originalfilm bleibt.

Die Hauptattraktion aus Darstellersicht zeigt sich erst nach der “Fenster zum Hof”-Episode. Und wieder steigt unweigerlich Unverständnis im Zuschauer auf, dass B-Movie-Legende Lance Henriksen scheinbar auf Trash wie diesen hier abonniert bleibt, um ab und zu mal die große Bühne mit seiner Anwesenheit zu bereichern. Das Gesicht dieses Mannes erzählt Geschichten, ach was, Legenden, und es ist wirklich zu schade um ihn. Die Tiefe, die er durch seine bloße Präsenz ausstrahlt, findet sich auf verlorenem Posten wieder und kann gegen die Langeweile von Skript und Regie so viel ausrichten wie der berühmte Schneeball in der Hölle.
Dennoch ist es wieder ein Genuss, ihm bei der Arbeit zuzusehen, für die er nun wahrlich kein Method Acting anwendet, aber er ist der Lichtblick im Film und darüber hinaus als einziger mit ein paar netten Onelinern ausgestattet, die auch wirklich zünden.

Mit Henriksen gibt dann glücklicherweise endlich mal die Action ihr Stelldichein. Auf die Qualität der Eingeweideschlacht aus Teil eins darf man natürlich vergeblich warten, aber die vorhergehende knappe Stunde hat dem Zuschauer so viel Geduld abverlangt, dass er nun für jeden Happen dankbar ist.
Es darf aber nicht darüber hinweggesehen werden, dass die Präsentation der Käfer, lässt man das Gesehene nochmal wirken, traurig ist. Hin und wieder schlürfen sie im altbekannten Menschenkostüm durch die dunklen Gassen; die Angriffe folgen zu sehr dem Trend und sind sehr stakkatohaft geschnitten, so dass man mehr glaubt, gesehen zu haben, als man wirklich sieht. Der Effekt ist der, dass man im ersten Moment zufrieden ist, sich bei näherer Überlegung dann aber übergangen fühlt. In ihrer ganzen Pracht werden die Kakerlaken dann sowieso nicht gezeigt.

Als ideenlos erweist man sich in Sachen Weiterentwicklung des Mythos Judas-Züchtung. Weder der biologische Zyklus wird weiter erklärt noch werden ästhetische Neuerungen eingebracht. Das grenzt an Faulheit, denn wenn man sich von einem dritten Teil einer Horrorserie etwas erhofft, dann Weiterentwicklung. Statt dessen ist “Mimic 3" eine künstliche Verlängerung ohne weiteren Nutzen.

Fazit: Wenn es bisher noch nicht geschehen ist, machen sich spätestens beim dritten Teil der Käfer-Horrorserie Ermüdungserscheinungen bemerkbar. “Mimic 3" erweist sich trotz seiner kurzen Laufzeit immer noch als künstlich langgezogenes Sequel mit sehr viel Langeweile. Der Ansatz, den Horror langsam ins Spiel zu bringen und über Subtilität einen Klimax aufzubauen, scheitert kläglich, was immerhin den Effekt hat, dass das technisch immer noch schwache, aber vom Pacing her deutlich knackigere letzte Drittel wie eine Erlösung wirkt, nicht zuletzt durch die Anwesenheit von Lance Henriksen. Zu hoffen ist, dass die Produzenten ein Einsehen haben und es bei der Trilogie belassen.
Vier Erkenntnisse sind aus “Mimic 3" zu ziehen:
1. Man sollte sich mal wieder das Original angucken. Wahlweise auch “Das Relikt”.
2. Für das Thema “Neurosen” ist Ridley Scotts “Matchstick Men” eine gute Wahl.
3. Alfred Hitchcocks “Das Fenster zum Hof” gehört in jede gute Filmsammlung.
4. Lance Henriksen hat Besseres verdient.

Diese Kritik erscheint auch bei www.filmbesprechungen.de

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