kurz angerissen*
Nicht nur der Polizeikommissar stutzt bei der abenteuerlichen Erklärung des Wissenschaftlers, ein Drogenschmuggler sei bei der Flucht von radioaktivem Regen aufgelöst worden. Was soll man schon erwidern, wenn der Experte bierernst auf seinem Stuhl sitzt und derartige Theorien in den Äther bläst, ohne sie konkret belegen zu können? Ja, der „Flüssigmensch“, wie er in wörtlicher Übersetzung im japanischen Originaltitel bezeichnet wird, ist schon schwerer zu greifen als Riesenlurch Godzilla. Während unsere Lieblingsechse nämlich als unübersehbare Allegorie auf die Atombombenwürfe meterhoch durch Hochhausschluchten wankt und kaum zu übersehen (somit also auch kaum zu leugnen) ist, wird die Suspension of Disbelief im wesentlich subtileren Horror-Krimi „Das Grauen schleicht durch Tokio“ schon stärker strapaziert. Denn nun geht es nicht mehr um die Explosion als solche, sondern ihre Nachwirkung in Form von atomarer Strahlung, die sich wahrhaft schleichend im Land verbreitet.
Im gleichen Jahr also, als die Amerikaner mit „Blob – Schrecken ohne Namen“ ihre Furcht vor einer Infiltration durch den Kommunismus verarbeiteten, fanden die Japaner ganz ähnliche Wege, mit ihren eigenen Ängsten umzugehen, was auf eine globale Verbindung dieser Ängste hinweist. Für Godzilla-Vater Ishirō Honda bedeutet die Hinwendung zum diffusen Glühen undefinierter Substanzen inszenatorisch neue Herausforderungen unter Beibehaltung vergleichbarer Subtexte. Seine Stärken und Schwächen bleiben in etwa dieselben: Zu sehr hält er sich mit Erklärungen der Phänomene auf, die ob ihrer kindlichen Imagination keinen inhaltlichen Nährwert bieten, zu lange bleibt er im oberflächlichen Nachtleben der Stadt kleben, obgleich er es einigermaßen stilsicher einfängt.
Gerne hätte man noch mehr Effektszenen gesehen, denn gerade die Einstellungen grün leuchtender Silhouetten auf einem nächtlichen Geisterschiff sind genau die Art Bilder, die man sich von einem solchen Film erhofft. Einige Trickaufnahmen überzeugen sogar nach heutigen Maßstäben noch (aufwärts aus dem Wasser fließender Schleim bei Regenfall, in sich zusammenfallende Kleidungsstücke der geschmolzenen Opfer etc.), trotz ihrer Durchschaubarkeit sind sie in Würde gealtert, wenn die meist in Naheinstellungen gedrehten Effekte auch gegen die monumentalen Poster-Shots des amerikanischen Blobs nicht viel zu melden haben.
Aber gerade das macht das Grauen aus Tokio ja so schleichend: Zähflüssige Substanzen, die sich wie Saugnäpfe am Bein festklammern oder wie eine ölige Decke auf Schultern tropfen. Hast du es registriert, ist es schon zu spät.