War das Sandmännchen schon da? Wenn nicht: Ellen Rimbauer könnte Abhilfe schaffen.
Was sind Prequels? Sie sind rein technisch gesehen eine kausale Erklärung, wie es zu diesem und jenem Szenario kam, das man in der eigentlichen Geschichte schon kennengelernt hat. Gut. Aber warum dreht man Prequels? Etwa, weil es interessant ist, das “Warum” zu beleuchten? In den meisten Fällen wohl kaum. Das “Warum” interessiert höchstens Wissenschaftler und Forscher, die gerne alles bis ins letzte Detail ergründen möchten, um einem Mysterium auf die Spur zu kommen. Aber doch nicht den Filmkonsumenten! Der will eine ordentliche Portion “Wie”. Fun statt Grips.
Nein, der wahre Grund, weshalb man Prequels dreht, ist der: Chronologisch weitergehen kann man nicht, weil die Story bereits zu einem befriedigenden Abschluss gekommen ist. Und wenn es nach vorne nicht weitergeht, weicht man halt - richtiiiisch - nach hinten aus, um die Kuh zu melken. Simple Geographie sozusagen.
Stephen King breitet sich ja ohnehin kartographisch sehr gerne aus, erweitert den Horizont seines Zentrums Maine, so weit es nur geht. Masse statt Klasse, das ist seit Jahrzehnten das Motto vieler Verfilmungen der Werke des Schriftstellers.
Nun ist das “Tagebuch der Ellen Rimbauer” ja eigentlich gar nicht von Stephen King, sondern von Ridley Pearson, und diente schon 2002 als Vorlage für “Rose Red”, das Stephen King zur Haunted House-Gruselplatte ummodellierte. Erzählt wurde eine Geschichte aus der Gegenwart, aber eingeflochten wurden immer wieder Rückblenden in die Zeit Ellen Rimbauers, wo sich der Fluch um das verwunschene Haus, das immer wieder seine Form wechselt und sich “von selbst weiterbaut”, gründete.
Das ohnehin meist fragwürdige Prequel-Format bekommt hierdurch alleine schon eine neue Dimension der Unsinnigkeit. Nicht genug damit, dass überhaupt die eher uninteressante Geschichte aus der Endphase der Industriellen Revolution im Seattle des frühen 20. Jahrhunderts nochmal komplett aufgerollt wird; nein, streckenweise haben wir die Geschichte schon in “Rose Red” vorgekaut bekommen. Machten sich die Rückblenden dort noch ganz gut, verkommen sie hier zum bemühten Stock Footage-Patchwork des schnellen Geldes wegen. Einige Shots entstammen tatsächlich dem Archiv von Warner Brothers und der Rest wurde drumherum schnell zusammengeschustert. Das stinkt ja schon mal zum Himmel.
Und tatsächlich liefert uns Craig Baxley die längsten 85 Minuten seit langer, langer Zeit. Die Geschichte ist nicht nur vorhersehbar, sie zieht sich obendrein in der bemühten Mischung aus Drama und Grusel wie Kaugummi.
“Rose Red” war schon keine Meisterleistung, hatte aber wenigstens durch das prunkvolle Anwesen ordentlich Atmosphäre zu bieten. Obwohl man nun freilich das Set wiederverwertet hat (wird wohl auch einer der Gründe für die Produktion gewesen sein), kann es zu keiner Zeit dem Bildwert seines Pendants den Schneid abkaufen. Baxley scheint den letzten Funken Gespür dafür verloren zu haben, wie man das Haus effektiv einfängt. Unmotiviert wiederholt er die Vogelperspektive in der Eingangshalle, vor den Eingangstoren bei Regen und Nacht dämonisiert er mal das Gebäude über die Froschperspektive und lässt hin und wieder sein Auge über den Garten fliegen, mehr ist da nicht. Den Flow bestimmen gähnend langweilige Aufnahmen von klatschenden Weibern beim Nachmittagstee, selten dumme Gespräche zwischen Ellen Rimbauer und ihrer Dienerin Sukeena oder zwischen Ellen und ihrem Mann - letztere ohne Gespür dafür, die sich anbahnende Katastrophe anzudeuten. Visuell wird der Stil der Flashbacks aus dem Vorgänger beibehalten, doch was dort funktionierte, ist hier durch die Bildkompositionen auf TV-Niveau verschenkt.
Ganz und gar mitleiderregend sind dann aber die erbärmlichen Versuche, den Zuschauer zu schocken. Wenn die Kamera da langsam durch ein Zimmer streift, plötzlich im Vordergrund eine Art Springteufel aus einer Box hervorhüpft und man nicht einmal einen Ansatz von Erschrecktsein verspürt, dann möchte man Baxley am liebsten Mut machend auf die Schulter klopfen und sagen “Das wird schon noch”.
Die Handlung wird ohnehin in Etappen abgearbeitet, so wie man sie schon lange kennt. Vom Bauarbeitermord bis zum Finale im Kirchturm verläuft alles in gewohnten Bahnen - ein Spannungskiller sondergleichen. Aber die Glücklichen, die “Rose Red” und damit den Verlauf der Geschichte noch gar nicht kennen, brauchen nun keine Luftsprünge zu machen, denn auch sie werden nicht auf ihre Kosten kommen. Man hat das Gefühl, hier wird ganze Arbeit geleistet, bloß keine Spannung aufkommen zu lassen. Und wenn selbst beim Aufreißen einer Bluse weggeblendet wird, muss man sich nun fragen, ob der Film nun von der Kirche produziert wurde oder vom designierten “Master of Horror”.
Im Ganzen ein braves, risikoloses Gruselfilmchen, das nicht nur von der Idee her komplett überflüssig ist, sondern auch noch so unspannend ist, dass es jede Filmminute zu gefühlten zehn Minuten macht. Und dafür, dass man hier im Tagebuch eines Anderen stöbert, ist es auch noch stinklangweilig.
Ellen Rimbauer vs. Anne Frank - 0:1