Nach Schwartenkrachern für Erwachsene, „Nightmare on Elm Street 5“, „Predator 2“ und „Judgement Night“ um genau zu sein, sollte Stephen Hopkins sich immer mehr dem massenkompatiblen Eventkino annähern, wobei „Blown Away“ einen Zwischenschritt darstellt.
Immer noch ein Actionthriller mit Erwachsenenfreigabe, aber schon weniger deftig als seine vorigen Genrefilme, der seine Geschichte mit dem inhaftierten irischen Bombenleger Ryan Gaerity (Tommy Lee Jones) beginnt, der flieht, indem er eine Bombe aus herein geschmuggelten Materialien baut, seinen Zellenkumpan absticht und dessen Leiche sowie eine Matratze zum Schutz vor der Explosion nutzt. Ein fieser Hund also, ohne Loyalität und Achtung für Menschenleben – auch unter Gleichgesinnten.
Ryans Anlaufstelle bei seiner Flucht in die USA ist, gar nicht so verwunderlich, die dortige Iren-Metropole Boston. Dort ist James Dove (Jeff Bridges) die große Koryphäe beim Bombendezernat – was zu seinem Unglück auch das Zeigen seines Gesichts im Fernsehen zur Folge hat. Ryan hat nämlich noch eine Rechnung mit ihm offen, was Rückblenden andeuten, die im Filmverlauf immer klarer werden, immer längere Einstellungen benutzen und so nach und nach offenlegen, woher der Terrorist und der Cop einander kennen.
James will nur noch als Ausbilder arbeiten, vor allem nachdem er seine Freundin Kate (Suzy Amis) ehelicht und Ersatzvater für deren Tochter wird. Doch Ryan fordert James zum Duell, indem er mit Bomben nach und nach dessen Team erledigt…
Ein durchaus logischer Schritt, will Ryan seinem Erzfeind doch erst einen ähnlichen Verlust verspüren lassen wie er ihn selbst einmal erlitt, außerdem wäre ein einfaches Töten des Erzfeindes zu einfach für einen Sadisten (und gäbe auch weniger Spannungspotential für einen Film her). Vor allem in einer Szene, in der James’ Familie allein zu Haus ist und sich in jedem Haushaltsgerät eine Bombe sein könnte, zelebriert Stephen Hopkins regelrecht und baut einen schweißtreibenden Spannungsbogen auf, während James wie ein Irrer nach Hause hetzt.
Freilich hat das Duell von Bombenleger und Bombenentschärfer gelegentlich „Malen nach Zahlen“-Charakter: Die Teamkollegen James’ sind vor allem als Kanonenfutter da, erst nach ein paar Toten darf auch mal einer gerettet werden und zu Beginn des letzten Drittels droht das Schema sich etwas totzulaufen. Ebenfalls durchwachsen ist der Doppelshowdown, der zuerst ein spannendes Duell auf einem brennenden, später explodierenden Schiff bietet, danach folgt eine leider weniger eine weitaus weniger fesselnde Bombenentschärfung, die leider etwas drangeklatscht wirkt. Ansonsten tritt Hopkins bei den Einsätzen der Bomb Squad immer gut aufs Gaspedal, treibt den Spannungspegel durch phantasievolle Bombenkonstruktionen und entsprechende Entschärfungsversuche in die Höhe und serviert eye candy in Form von bildschirmfüllenden Feuerbällen, durch die Luft geschleuderten Vehikeln und ähnlichen Scherzen.
„Blown Away“ legt besonderen Fokus auf die Irischstämmigkeit seiner Protagonisten, nutzt den Aufhänger aber in erster Linie für ein paar oberflächliche Kommentare zum Nordirlandkonflikt und das Einbringen von U2-Mucke, doch wirklich Tiefgreifendes erwartet man lieber nicht. Ryan ist als Sadist definiert, der auf das Töten von Menschen abfährt, seine politische Gesinnung ist da bestenfalls zweitrangig – ebenso wie sein Faible für umfunktioniertes Kinderspielzeug, was seinen Bomben eine gewisse Handschrift gibt, aber sonst kaum aus der Figur hergeleitet wird. Auch James’ Vergangenheit nutzt der Film gerade mal für leichte Komplikationen im letzten Filmdrittel, in der wohl besten Szene des Films lässt sich erkennen, was möglich gewesen wäre. *SPOILER* James’ Kumpel Max O’Bannon (Lloyd Bridges), traditionell eingestellter Ire, opfert sich als er an eine Bombe gefesselt ist, James’ Rettungsversuch kommt zu spät, was ihn aber auch aus der Gefahrenzone bringt, Ryan beginnt erst zu weinen, danach irre zu lachen. Es wird fast kaum gesprochen, die Musik und die Bilder allein vermitteln die Stimmungen der Figuren, selbst bei Ryan blitzt mal mehr als der eine Psychopath durch. *SPOILER ENDE* Hätte der Film doch mehr solcher Szenen.
Jeff Bridges sollte vier Jahre nach „Blown Away“ in „The Big Lebowski“ vielleicht DIE Rolle seiner Karriere spielen, hier scheint er noch ein wenig auf der Suche nach seinem Profil zu sein: Er spielt durchaus solide, doch immer wieder hat man das Gefühl, dass ihm die Tode seiner Freunde nicht nah genug gehen. Während Bridges etwas underactet, liegt Tommy Lee Jones immer etwas drüber, erscheint häufig dämonisch, meint es in manchen Szenen aber zu gut und gerät ins Kaspern, was der Figur etwas schadet. Suzy Amis ist solider, aber unterforderter Support, Forest Whitaker kann als James’ Nachfolger bei Bomb Squad auftrumpfen und Lloyd Bridges verwandelt seine wenigen Szenen zu Highlights. Kurz in einer Szene zu sehen: Cuba Gooding Jr. als Nachwuchsentschärfer in James’ Klasse.
„Blown Away“ ist nicht ganz so explosiv wie sein deutscher Verleihtitel oder auch der amerikanische Titel behaupten, solides Genrekino ist Hopkins aber dennoch gelungen, das vor allem von den Entschärfungsszenen und dem Soundtrack lebt. Etwas mehr Drive, ein flotteres Schlussdrittel und eine Vertiefung der an sich recht gut erdachten Figuren hätten den Film vielleicht in die Oberliga katapultiert, so bleibt ein ordentlicher Actionthriller für Genrefreunde.