lynx   »   [go: up one dir, main page]

Review

Zwischen "Good Omens" und den bereits entstandenen Fernseh-Zweiteilern einiger Scheibenwelt-Romane (von "Hogfather" 2006 bis "Going Postal" 2010) liegt nun mehr als ein Jahrzehnt und eine beachtlich voranschreitende Evolution der Fernsehunterhaltung. Ferner gehört die neueste Pratchett-Verfilmung selbst nicht zur Scheibenwelt-Reihe und Neil Gaiman hatte auch noch als Fremdkörper seine Finger im Spiel. Und doch haben diese unterschiedlichen Entstehungsbedingungen nichts daran geändert, dass sich eine Terry-Pratchett-Adaption unabhängig von Ort (einer der führenden Streaming-Anbieter) und Zeit (2019) immer sehr ähnlich anfühlt.

Man könnte sagen, Pratchetts Schreibstil ist so eigentümlich, dass er durch jedes Wort eines jeden Satzes einer jeden Dialogzeile eines jeden Schauspielers dringt. Die Mini-Serie spaltet sich nicht bloß in ihre sechs Episoden, sondern in viele weitere Fragmente, womit sie die vielen Kreisel und Zirkel des Buches imitiert. Kleine Bündel von Szenarien werden aufbereitet, in denen mindestens zwei, maximal aber eine gute Handvoll skurriler Gestalten beieinander stehen und sich feingeistige Bonmots gefüllt mit Zynismus, Ironie und weiteren Spitzfindigkeiten um die Ohren hauen. Die Sets sind jeweils blumige Entsprechungen der Stimmungen, die in diesen Grüppchen herrschen - manchmal werden sie akkurat abgebildet, manchmal geschieht das genaue Gegenteil und aus einer Trauerweide wird ein Freudentanz oder aus einem Höhepunkt ein Antiklimax. Pratchett-Stoffe sind eben besonders gut darin, bedeutungsvolle Gesten zu einem albernen Witz herunterzuspielen. Das beherrschen in dieser Form sonst nur Monty Python und Douglas Adams.

David Tennant und Michael Sheen spielen die Pole in dem Theaterstück der sich ständig verändernden Kulissen. Nicht zuletzt spielen sie aber auch beste Kumpels, deren Freundschaft über Jahrtausende hinweg zu einem festen Band gewachsen ist. Und das tun sie mit einer solchen Freude an den jeweiligen Gegensätzen ihrer Partner, dass die Serie zum Plädoyer für frei gelebte Vielfalt wird. Klar, dass das einer Gruppe frommer Christen nicht passt, die prompt einen Affront wittern und sich zum Verfassen eines Protestschreibens entschließen - wobei sie nebenbei ihre Unfähigkeit demonstrieren, zwischen dem großen A und dem großen N zu unterscheiden, was in Hinblick auf das Thema der Serie, die verschwimmenden Grenzen von Himmel und Hölle, zu allerfeinster Realsatire wird.

Sowohl von dem unnachahmlichen Wortwitz als auch von der allgemeinen Stimmung (Quintessenz: Alles wird gut!) kann man sich jedenfalls durchaus anstecken lassen. Allerdings ist "Good Omens" selbst in bewegten Bildern mehr Buch als Serie. Cineastische Werte lässt sie regelmäßig schleifen: Die vielen Spezialeffekte sind von sehr durchwachsener, uneinheitlicher Qualität, auch das Produktionsdesign lässt keine klare Linie erkennen und der Fluss der Erzählung bockt regelmäßig wie eine Hochgeschwindigkeitsachterbahn, in die man zu viele Stopps eingebaut hat. Das sind ähnliche Schwächen, wie man sie schon den Verfilmungen aus dem letzten Jahrzehnt unterstellen konnte. Das legt den Schluss nahe, dass dieser spezielle Autor so fest in seinem Medium verwurzelt ist, dass es selbst in Zeiten der verrücktesten Serien-Experimente (Gaiman selbst ist ja gerade mit dem Musterbeispiel "American Gods" am Start) immer noch unmöglich erscheint, ihn in ein neues Medium zu transferieren.

Insofern ist es wohl so eine typische Love-it-or-hate-it-Kiste. Entweder man kann die Mängel in Bezug auf das Adaptive ausblenden und geht auf in dem verzwirbelten Humorverständnis oder man fragt sich eben, was dieses Gehampel zwischen Himmel und Hölle eigentlich soll. Sollte man sich zwischen diesen Optionen nicht entscheiden können, leidet man womöglich unheilbar an Agnostizismus.

Details
Ähnliche Filme

Лучший частный хостинг