kurz angerissen*
Frauen, die das Heft in die eigene Hand nehmen, haben in den letzten Jahren nicht unerheblich den Zeitgeist gefärbt. "Widows" reflektiert diesen Zeitgeist sicherlich effektiver als alberne Fantasy-Komödien wie "Ghostbusters", auf deren Holzhammer-Feminismus die weibliche Stimme im Film bis dato vorwiegend beschränkt blieb. Indem Steve McQueen ein gesellschaftspolitisches Gesamtraster erstellt, will er aufzeigen, dass die Ausbeutung des jeweils schwächeren Gliedes in der Kette längst durch alle Schichten gesickert ist. Er portraitiert sie parallel im Kontext der Politik, des Business und des Einfamilienhauses, er zieht Querbezüge zwischen den Ebenen und erschafft auf diese Weise ein ambitioniertes Modell selbstzerstörerischer urbaner Existenz.
Zeitgleich kommt man aber nicht umhin zu bemerken, dass auch auf der Agenda gestanden haben muss, die Mechanismen des Heistfilms und Thrillers komplett auszureizen. Die Kamera filmt spektakulär aus Fluchtwagen, falsche Fährten werden gelegt, Arschlöcher lassen stets kamerareif ihren miesen Charakter heraushängen, Drohgebärden in Wolf-gegen-Reh-Situationen sind für den Spannungsaufbau zuständig und der Gangsterboss von Welt profiliert sich nach wie vor mit psychotischen Ausbrüchen, um eine Wolke der Angst um sich herum zu erzeugen. Zumindest im Film hat sich diesbezüglich nichts geändert; neu ist allenfalls, dass die Realität inzwischen gleichgezogen ist.
Was McQueen nicht gelingt, ist eine Synthese der Genre-Elemente und der Inhalte. Als Thriller ist "Widows" sagenhaft zäh, worunter wiederum auch die Charaktermomente leiden. Viola Davis, Elizabeth Debicki, Cynthia Erivo und Michelle Rodriguez wirken stark und setzen das Anliegen ihrer Figuren überzeugend um... und doch bleibt man seltsam distanziert von ihren tollkühnen Plänen, den unvollendeten Job ihrer Männer zu Ende zu führen.
Es ist am Ende eher die Grundidee, in der sich die große Tragweite des Stoffes zeigt, weniger die Umsetzung. McQueen liefert ein wenig von allem in der Überzeugung, aus den Einzelteilen etwas Größeres als die Summe der Teile generieren zu können; ein schwieriges, aber machbares Ziel, wie die Filmgeschichte zu mehreren Gelegenheiten unter Beweis gestellt hat. Wenn aber wie in diesem Fall die Interaktion zwischen zwei Ebenen, hier der Form und des Inhalts, nicht hundertprozentig glückt, bleibt nur wenig mehr zurück als der gute Wille.