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Review

Season 02

(Season 1 wird in der Rezension als Kenntnis vorausgesetzt.)

II

Der abgewiesene Wolf kam zu einem zweiten Schäfer. "Du weißt, Schäfer", war seine Anrede, "dass ich dir das Jahr durch manches Schaf würgen könnte. Willst du mir überhaupt jedes Jahr sechs Schafe geben, so bin ich zufrieden. Du kannst alsdann sicher schlafen und die Hunde ohne Bedenken abschaffen."
"Sechs Schafe?" sprach der Schäfer. "Das ist ja eine ganze Herde!"
"Nun, weil du es bist, so will ich mich mit fünfen begnügen", sagte der Wolf.
"Du scherzt; fünf Schafe! Mehr als fünf Schafe opfere ich kaum im ganzen Jahre dem Pan."
"Auch nicht viere?" fragte der Wolf weiter, und der Schäfer schüttelte spöttisch den Kopf.
"Drei? - Zwei?"
"Nicht ein einziges", fiel endlich der Bescheid. "Denn es wäre ja wohl töricht, wenn ich mich einem Feinde zinsbar machte, vor welchem ich mich durch meine Wachsamkeit sichern kann."

Gotthold Ephraim Lessing: Die Geschichte des alten Wolfs. Zweite Fabel

In wiederum nur 13 Episoden wurde “The Shield” ab Januar 2003 in den USA in die zweite Staffel befördert. Sony hat sich nach langer Pause entschlossen, die DVD-Veröffentlichung der Serie in Deutschland weiter auszubauen und sorgte kurz vor Release für Verwirrung, als diverse Händler die Box entgegen früherer Aussagen nicht mit einer FSK 16, sondern ohne Jugendfreigabe auslieferten - und dennoch die gleichen Schnitte enthalten waren wie in der UK-Fassung, die in der zweiten Episode einiges entfernte.

Was sagt uns das über den Weg, den die Serie weiterverfolgt? Man sollte davon ausgehen, dass die großen Qualitäten der ersten Staffel erkannt und weiter ausgebaut wurden. Es musste also noch härter und noch konsequenter vorgehen als zuvor, und jene Szenen, die gekürzt wurden, beweisen das auch: Ungeschönt bietet “Season 2" allerhand Details aus dem wilden Überlebenskampf, den sich die Bewohner des Großstadtdschungels mit aller Gewalt liefern. Zwei Männer hängen bewegungsunfähig mit zwei benzinübergossenen Autoreifen an einem Pfahl und werden ohne Mitleid abgefackelt, und ein Cop zögert keine Sekunde, einem Verdächtigen das Gesicht auf eine heiße Herdplatte zu drücken. Eine Schlüsselszene, die nicht nur in Sachen Gewalt eine deutliche Sprache spricht, denn sie wird storytechnisch erhebliche Auswirkungen auf spätere Episoden dieser Staffel haben.

Doch in Sachen Gewalt war dies bereits der Höhepunkt. Tatsächlich ist glücklicherweise von einem krampfhaften Versuch, alles in der ersten Staffel Dagewesene zu toppen, nichts zu spüren. In jeglicher Hinsicht knüpfen die neuen 13 Folgen an die alten an und es geht weiter wie bisher: Neue Fälle, neue Situationen, neue Charakterentwicklungen und ein paar neue Charaktere. Alles fließend aus der ersten Staffel und deren Vorgaben heraus.

Es ist löblich, dass von einem Spannungsabfall nicht die Rede sein kann; im Gegenteil, inzwischen kennt man die Figuren und weiß, welche Spannungsbögen im Bereich des Möglichen sind. Die Drehbuchautoren enttäuschen nicht. Ob es sich nun um Vic Mackeys zerbrechende Familie handelt, um die fehlende Selbstbeherrschung Shanes, um Juliens Verdrängung seiner Homosexualität, Dutchs fehlendes Selbstwertgefühl oder Dannys Karriereentwicklung, alles dreht sich weiter und nimmt teils unerwartete Wendungen, die oft auch miteinander im Zusammenhang stehen.

Mit Gastauftritten wie dem von Carl Weathers (“Predator”, “Rocky I-IV”) werden immer wieder Überraschungen gestreut und neue Charaktere wie Detective Tavon Garris (Brian J. White), der Neue in Mackeys Team, halten den Fluss aufrecht.

Während der Storybogen um Julien langsam sehr merkwürdige Züge annimmt, die an “Brokeback Mountain” erinnern, überzeugt vor allem das, was sich um Catherine Dents Polizistin Danny herum aufbaut. Denn ihre Karrierebemühungen kollabieren mit Vics Versuchen, sich selbst aus immer wieder neuen problematischen Situationen zu manövrieren, was in Anbetracht des Umstandes, dass beide eine Affäre miteinander haben, ein sehr interessanter Punkt ist.

Mittendrin gehen die Storywriter sogar so weit, eine Episode einzubauen, welche die Anfänge des Reviers beleuchtet. Hier sieht man noch ein fast leeres Dienstgebäude und wohnt der ersten Begegnung zwischen Mackey und Captain Aceveda bei. Zunächst sehr ungewohnt (anfangs glaubt man beinahe, die Figuren spielten so, als würden sie sich erstmalig begegnen), türmen sich im Laufe der 45 Minuten dann aber allerlei “Aha”-Effekte, die Rückschlüsse auf bisher vielleicht noch ungeklärte Verhaltensweisen der Figuren in der Gegenwart zulassen.
Der Ausbruch in die Vergangenheit zeigt aber auch, dass es nicht im Interesse der Macher liegt, sich selbst irgendwelche narrativen Dogmen aufzubinden. Rückblenden sind also durchaus erlaubt, obwohl man bisher geglaubt hatte, die Serie triebe geradlinig, wenn auch mit Zeitsprüngen, nach vorne und niemals nach hinten.

Insgesamt bleibt “The Shield” in gewissen Bereichen trotz dieser kleinen Zwischenexperimente dennoch fast schon ein wenig konventionell. Zwar wurden bei Serienbeginn neue stilistische Rahmenbedingungen eingeführt, die jedoch werden nun bewahrt. Speziell Pro- und Epilog folgen stets dem gleichen Muster.
Doch das ist beileibe nicht falsch. Im Gegenteil, dem Zuschauer wird genau das geboten, was er haben will: Eine auch im zweiten Durchlauf ungemein ästhetische, hochwertige Copserie mit überdurchschnittlich stark ausgeprägter Kurzweil und spielfreudigen Akteuren. Die Fälle, ob nun dienstlicher oder privater Natur, verdichten sich und wenn zum letzten Mal der Score aufbrennt und die letzte Szene stattfindet, wünschte man sich, die Staffeln wären deutlich länger.

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