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Review

„Raider of the lost landmark“

Auch bei Computerspielen gibt es inzwischen zahllose Genres. Und wie bei Kinofilmen ist die Zuteilung oft gar nicht so leicht bzw. gibt es immer wieder Überschneidungen. Action-Adventures tummeln sich in beiden Gefilden, also sind Verfilmungen hier gewissermaßen logisch. Und irgendwann muss ja mal der Knoten platzen, soll heißen irgendwann muss doch mal eine Spiele-Verfilmung zum Kinohit werden, schließlich sehen die ganzen CGI-Fantasy-Comic-Filme doch genau nach dem aus, was vom Publikum immer so schnöde ignoriert wird: einem lupenreinen Computer-Ursprung. Jetzt ist natürlich die Frage, warum der x-te Avenger von der Ersatzbank ungleich größere Massen mobilisiert, als seine Kollegen aus dem Rechner. Vielleicht, weil die ja eigentlich in die Millionen gehenden Spiele-Fanboys bei der Umsetzung oft die Vorlage nicht wieder erkennen, vielleicht auch, weil die Unkundigen von eben diesem Spiele-Hintergrund von vornherein abgeschreckt werden? Wie dem auch sei, die jüngsten Versuche mit den Medium-Titanen „Warcraft“ und „Assassins Creed“ waren erneut ein imposanter und damit höchst peinlicher Beleg für die Flopgarantie von Games-Flmen. Da macht es durchaus Sinn - insofern man attestiert, dass ein stetiges Anrennen ja irgendwann mal zum Durchbruch führen muss -, auf eines der ganz wenigen Siegerpferde in diesem Loser-Zirkus zu setzen.

„Tomb Raider“ ist nicht nur einer der ersten globalen Games-Superhits, sondern auch eines der ultra-raren Beispiele für eine erfolgreiche Leinwandadaption. Das damalige Sexsymbol Angelina Jolie dürfte einen erheblichen Anteil daran gehabt haben, aber für ein mittelpreisiges Action-Abenteuer mit einem banalen Handlungsgerüst kann das kaum als einzige Erklärung taugen. Nein, die burschikose Grabräuberin mit zwei großkalibrigen Wummen über der knappen Khaki-Short ist eine Popkultur-Ikone und zudem eine der ganz wenigen Pixel-Helden, die auch über eine riesige webliche Fanschar verfügt. Vor allem aber zeitigt das ganze Szenario recht unverhohlene Parallelen zum berühmtesten Abenteurer der Filmgeschichte. Zwar ist Lara nicht einfach ein weiblicher Indiana Jones-Klon, aber die betont actionreiche Hatz nach mysteriösen Schätzen, bei der neben fiesen Schurken auch allerhand raffinierte Fallen und verzwackte Rätsel warten, sind allzu deutliche Gemeinsamkeiten, um sie als bloßen Zufall abzutun.

Es gab also durchaus gute Argumente für einen Kino-Reboot und bei der amerikanischen Independent-Gesellschaft GK-Films konnte man auf eine im Vergleich zu den zwei Jolie-Streifen weniger trashige Ausrichtung hoffen. Die Verpflichtung der frisch gebackenen Oscar-Gewinnerin Alicia Vikander war dafür schon mal ein erster Fingerzeig, denn die junge Schwedin war bis dato vor allem für anspruchsvollere Charakterrollen bekannt. Mit dem international relativ unbekannten Norweger Roar Urthaug setzte man auch hinter der Kamera auf eine grimmigere und ernsthaftere Ausrichtung. Außerdem hatte der mit dem heimischen Katastrophenthriller „The Wave“ bewiesen, dass er den Dreisprung „Charakter-Drama“, „CGI-Effekte“ und „Budget-Größe“ überzeugend meistern kann.

Wer jetzt ob eines befürchteten Arthouse-Raider Schnappatmung bekommen hat, kann wieder befreit durchschnaufen. Auch „Tomb Raider“ anno 2018 ist ein actionreicher Abenteuerfilm, der seine nicht allzu tief schürfende Handlung flott und optisch ansprechend erzählt. Alicia Vikander wirkt deutlich natürlicher wie ihre Vorgängerin, aber ihr überdurchscnhnittliches Schauspieltalent wird hier kaum nachgefragt. In guter neuer Superhelden-Tradition wurde sie im Eiltempo per persönlichen Ernährungs- und Fitnesscoaches in Actionheldinnenform gebracht, womit jedem klar sein dürfte, wo hier der Fokus liegt. Und so sehen wir die sichtbar drahtigere Vikander als Fahrradkurier durch London brausen, mit Pfeil und Bogen die Häscher ihres Vaters jagen und auf einer geheimnisvollen japanischen Insel eine fulminate Jump and Run-Show abziehen. Für leise Zwischentöne bleibt da wenig Zeit, was aber nicht weiter schlimm ist, denn die zahlreichen Rückblenden zur beruflich bedingten On-Off-Beziehung zwischen Klein-Lara und Vater Richard (Dominic West) dienen deutlich mehr der Hintergrunderklärung des Plots, denn der Vertiefung seiner Protagonisten und fallen dementsprechend oberflächlich aus.

Dennoch sorgt die Lara-Begins Komponente für eine gewisse Erdung der weniger fantasyhaft angelegten Titelheldin, was sich dann auch mit den späteren Indiana-Jones-Elementen konsequent fortsetzt. Natürlich wird die Suche nach dem Grab der mythischen japanischen Königin Himiko nicht unbedingt den wissenschfatlich geprägten Archäologen begeistern, zumal die zu überwindenden Fallen eine unverhohlene Spielberg-Huldigung erkennen lassen. Andererseits ist man um eine explizit nicht übersinnliche Erklärung bemüht und hält Laras kämpferische wie sportliche Höchstleistungen im Rahmen des menschlich (gerade noch so) Möglichen (okay, die Überwindung eines dreimal so schweren und im Nahkampf geschulten Gegners via Würge-Beinschere mal außen vor gelassen).

Ein wenig schade ist, dass der in den TV-Serien „The Shield“ und „Justified“ so großartig aufspielende Walton Goggins keinerlei Gelegenheit bekommt, sein Ausnahmetalent für ambivalente Bad Guys in den Ring zu werfen. Als zwielichtiger Expeditionsführer Mathias Vogel ist er in erster Linie ein blasse Kopie von Indys Nemesis René Belloq („Jäger des verlorenen Schatzes“) und erreicht nie dessen lustvoll-charmante Grausamkeit. Dass das verantwortliche Autorentrio in einer anderen Liga spielt wie das kongeniale Duo George Lucas-Lawrence Kasdan, ist dem gesamten Film anzumerken. Schwung, Wortwitz oder Einfallsreichtum bei Storywendungen und Actioneinlagen, überall hat das große Vorbild deutlich die Nase vorn.
Als leckere Nach- bzw. Vorspeise zum opulenten Spielberg-Hauptmenü taugt „Tomb Raider“ aber allemal. Vikander ist so sympathisch wie sportlich und macht die in dieser Rolle obligatorische Bella Figura. Urthaug inszeniert so schnörkellos wie temporeich und weiß seine Locations optimal zu nutzen. Schließlich dürften Handlung und Setting Computerspiel- wie Abenteuerfilm-Fans gleichernaßen zufrieden stellen, womit man schon mal das Groß der Genre-Kollegen übertrumpft hat. Das Publikum sah das wohl ähnlich. Mit dem dreifachen Einspiel des Budgets kann man zwar nicht mit den filmgewordenen Groschenhefthelden konkurrieren, aber für ein Sequel reicht das allemal. In der Game-Verfilmung-Liga ist das fast schon der Meistertitel.

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