Gut, dass eine Texttafel zu Beginn darauf hinweist, dass die hier gezeigten Taten nicht verherrlicht werden sollen. Sonst könnte man nämlich stellenweise tatsächlich auf den Gedanken kommen, Åkerlund wolle am Beispiel einer düsteren Subkultur ein romantisiertes Coming-Of-Age-Abenteuer komponieren, das trotz all der geschilderten Ausweglosigkeiten Sehnsüchte danach wecken kann, selbst Teil einer so verschworenen Gemeinschaft zu sein.
Zumindest geht der Regisseur, der einst selbst in der Szene aktiv war, durch seinen Inszenierungsstil recht oft eine Allianz mit der Euphorie eines Kirchen verbrennenden Varg Vikernes ein, der als Antagonist eine fast schon disney-ähnliche Verwandlung durchmacht. Es ist letztlich die oft erlebte Geschichte vom introvertierten Außenseiter, der in eine Wolke dunkler Magie gerät und sich unter ihrem Einfluss in ein Monster verwandelt, das nichts mehr mit der ursprünglichen Person zu tun hat – nur eben ohne die für Kindermärchen typische Rückverwandlung. So läuft das eben nicht in der Realität.
Jene Realität, also die gesammelten Fakten und Erfahrungsberichte zur Geschichte der Black-Metal-Band Mayhem, dient Åkerlund als Strukturierungshilfe, die er allerdings nach Belieben zu dramaturgischen Zwecken aufbauscht, auch mit unlauteren Mitteln, wenn nötig – von Details wie einem Scorpions-Patch auf Vargs Kutte bis hin zu ganzen Subplots, zu denen auch eine frei erfundene Liebesgeschichte gehört, so wie es sich eben für ein Disney-Märchen gehört. Hauptfigur Euronymous ist in alldem so etwas wie der wertneutrale Reflektor der Kultur, die er repräsentiert – der Erzähler, der den Zuschauer an die Hand nimmt und ihm erklärt, wie seine Leute ticken. Er befindet sich sozusagen im Auge des Sturms, mitten im Sweet Spot, mit idealem Blick auf die Geschehnisse.
Dabei entsteht ein zugänglicher, schwer unterhaltsamer Film, der sich Erzählmethoden bedient, die den meisten Zuschauern wohl vertraut sein dürfte. Man könnte sagen, es wird ihnen erlaubt, dem omnipräsenten Geruch des Todes zu trotzen und länger in der für sie unwirtlichen Umgebung zu verharren, weil sie die Sicherheit haben, jederzeit in ihre behütete Normalität zurückkehren zu können; selbst wenn sie sich mit Black Metal nicht auskennen, so wissen sie doch mit dessen Präsentation umzugehen.
Kein Film also, der bei echten Insidern übermäßige Begeisterungsstürme auslösen dürfte, denn dazu ist die Aufmachung zu kommerziell und der Zugang nicht sperrig genug. Ein Film für die ganze Familie also? Das nun wiederum nicht; was nämlich bei diesem Film überrascht, ist die beängstigende Authentizität, mit der die Momente der Eskalation eingefangen werden. Obwohl sich Åkerlund zwischenzeitlich auch zu äußerst plumpen Spielereien verleiten lässt (die stilistisch verfremdeten Horror-Visionen hätten nicht unbedingt sein müssen), gelingen ihm mindestens drei morbide Höhepunkte. Alleine die Inszenierung des Selbstmordes von Mayhem-Sänger Dead ist an Realismus kaum zu übertreffen. Weniger ist damit die Umsetzung der Effekte gemeint (wenngleich auch diese von empfindlichen Naturen eher gemieden werden sollten), sondern vielmehr das nahezu willenlose Hineingleiten in den Suizid, das nichts mit dem melodramatischen Märtyrertum Hollywoods zu tun hat, sondern vielmehr einer kausalen Abfolge von Missgeschicken gleicht, die in letzter Konsequenz zum herbeigesehnten Ende führen. Als Kontrast dazu folgen dann später noch zwei Hinrichtungen, diesmal also Sterbeszenen von Menschen, die leben wollen. In allen Fällen jedoch wird das Sterben als kompliziert dargestellt; fast so, als kämpfe der Puls im Körper gegen die permanenten Schnitt- und Stichverletzungen auf eigene Kraft unerbittlich um sein Leben, egal ob der Besitzer des Körpers den Kampf schon aufgegeben hat oder nicht.
Das sind schockierende Momente der bitteren Wahrheit in einer ansonsten zugänglich aufbereiteten Rückschau auf die norwegische Black-Metal-Keimzelle der 90er, die man möglichst kritisch-differenziert betrachten sollte, um ihr im Positiven wie Negativen gerecht zu werden. Eines muss man Åkerlund lassen, ihm ist hier auch dank seiner überwiegend starken Darsteller (herauszuheben Rory Culkin als Euronymous und Emory Cohen als Varg, aber auch Jack Kilmer als Dead) etwas gelungen, das zumindest nicht kalt lässt.