Elizabeth Sloane (Jessica Chastain) ist eine typische Karrierefrau, die in ihrer Eigenschaft als Chef-Lobbyistin bereits so manche Kampagne erfolgreich durchgeführt hat. Mit ihrem Team soll sie nun eine neue Werbestrategie austüfteln, um im Auftrag der finanzstarken US-Waffenindustrie weibliche Wählerstimmen für eine neue Kampagne zu gewinnen. Sloane, die keinerlei moralische Skrupel zu kennen scheint, hat allerdings andere Vorstellungen als ihre Auftraggeber, wie diese weiblichen Wählerinnen zu erreichen sind. Noch während sie am Heimweg nach der Arbeit darüber nachdenkt, wird sie von einem Mann auf ihre neue Kampagne angesprochen, den sie zunächst für einen Reporter hält. Der vermeintliche Reporter stellt sich dann jedoch als Leiter der Agentur der Gegenkampagne vor: Er will Elizabeth Sloane für die Gegenseite gewinnen. Sein Auftreten fordert den Ehrgeiz der Karrieristin heraus: Sie geht kurzentschlossen auf sein Angebot ein, wechselt somit die Seiten und nimmt einen Großteil ihres Teams mit. Ein spannender Kampf beginnt: Beide Seiten versuchen nun, mit allen Mitteln und Tricks die die US-amerikanische Medien-Landschaft bietet, ihre jeweilige Kampagne durchzubringen...
Die französisch-kanadische Produktion Die Erfindung der Wahrheit mit ihrer Werbekampagnen-Thematik klingt zunächst eher banal und auf ein bestimmtes Nischenpublikum zugeschnitten, kann aber vom ersten Augenblick an durch eine unwahrscheinlich stark auftretende Jessica Chastain fesseln - wie diese sich in dieser eher männer-dominierten Welt allein durch messerscharfen Verstand, spitze Zunge und ihren untrüglichen sechsten Sinn durchsetzt, ist schlichtweg faszinierend. Eine ebenfalls starke Leistung bietet Mark Strong als Agentur-Chef Rodolfo Schmidt, der es schon bald (fast) bereut, wen er sich da an Bord geholt hat. Strong, ein entschlossener, offener Charakter mit ethischen Prinzipien (und damit fast schon das Gegenteil von Sloane), dieser Strong, der alleine schon einen ganzen Film tragen könnte, hat hier beide Hände voll zu tun, seine Kampagnenleiterin einzubremsen - was ihm allerdings nicht immer gelingt. Zu unberechenbar agiert die im Original titelgebende Miss Sloane, wobei mir der deutsche Titel Die Erfindung der Wahrheit besser gefällt, nimmt er doch in etwas hintergründiger Weise vorweg, um was es den Betreibern wie Gegnern der Kampagne geht: Ihre eigene Wahrheit möglichst plakativ darzustellen.
Während also nun die Waffenlobby über genügend Geld verfügt und mit einigen verbliebenen Team-Mitgliedern nun gegen Sloane und ihre neuen Mitarbeiter agiert, müssen letztere mühsam durch Spenden Geld auftreiben. Es gilt, Senatoren zu überzeugen, und tägliche Umfragen und Sitzungen ergeben, daß Sloanes Team die zunächst weit in Führung liegenden Waffenlobbyisten langsam einholen kann. Hierzu bedient man sich diverser TV-Shows und Events, auch eine direkte Konfrontation Sloanes mit ihrem ehemaligen Chef-Strategen im Live-TV gehört dazu - Die Erfindung der Wahrheit ist geradezu ein Lehrbeispiel, wie Lobbyismus in den USA funktioniert. Beide Seiten arbeiten mit allen zu Gebote stehenden Mitteln, wodurch sich dem Zuseher ein ums andere Mal die Frage stellt, wie moralisch vertretbar gewisse Handlungsweisen sind - heiligt der Zweck wirklich alle Mittel? Diese Frage drängt sich besonders an jener Stelle auf, als Sloane eine Mitarbeiterin ohne diese vorher einzuweihen geradezu verheizt, nachdem sie von deren Er- und Überleben eines Schul-Massakers erfahren hat. Fragwürdig auch, als ebendiese Mitarbeiterin nachts überfallen wird und der Täter von einem Zeugen einfach abgeknallt wird, was die Waffenlobby wiederum als Erfolg eines "bewaffneten Bürgers" feiert...
Obwohl Chastain alle anderen Darsteller fast nach Belieben an die Wand spielt, ist die von Regisseur John Madden getroffene Auswahl an Darstellern bemerkenswert gelungen, alle Rollen sind sehr gut besetzt: Ihr früherer Agenturchef (Sam Waterston), der Waffen-Hersteller (Chuck Shamata), ihre frühere rechte Hand (Alison Pill) wie auch ihr ehemaliger Partner und nunmehr erbitterter Gegner Pat Connors (Michael Stuhlbarg), um nur einige zu nennen. Die Erfindung der Wahrheit zieht in ordentlichem Tempo eine straight durcherzählte Geschichte auf, der man sich zu keiner Zeit zu entziehen vermag. Erfreulicherweise verzichtet der Film, der ähnlich einem Blockbuster aufgemacht und routiniert abgefilmt ist, auf jegliche Gefühlsduselei und uninteressante Nebensächlichkeiten - selbst der Umstand, daß Miss Sloane, die ansonsten nur für ihren Beruf und ihre Karriere lebt, für gewisse körperliche Sehnsüchte dann und wann einen Callboy aufsucht, fällt in seiner dezenten Darstellung nicht negativ auf.
Die Erfindung der Wahrheit ist höchst unterhaltsames, intelligentes Kino, und wenn am Ende noch ein überraschender Plot-Twist auftaucht, scheinen die über zwei Stunden Lauflänge wie im Flug vergangen zu sein - gerne hätte man noch mehr gesehen von dieser grandiosen Miss Sloane - 9 Punkte.