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Review

kurz angerissen*

Das rein strategisch funktionierende Computerspiel lässt jeden erdenklichen Freiraum, was die Story anbelangt. „Simpsons“-Autor Jon Vitti wurde also vermutlich mit dem Wort „Angry“ in einen dunklen Keller gesperrt, um daraus mehr zu stricken als geflügeltes Arsenal und gekringelte Zielscheiben. Ans Tageslicht gelangte er mit einem Drehbuch, das in der ersten Hälfte ein CGI-Remake von Adam Sandlers „Die Wutprobe“ sein könnte, um in der zweiten Hälfte in den Artillery-Game-Modus zu wechseln und Schweine mit Vögeln zu beschießen.

Tatsächlich lässt Vitti humortechnisch viel von seinem gelben Hauptbetätigungsfeld einfließen und überzeugt dabei mit bissiger Gesellschaftsbeobachtung. Zynismus ist die wichtigste Antriebsfeder des roten Titelhelden, der von seiner naiven Umwelt regelmäßig zur Weißglut gebracht wird. Damit trifft „Angry Birds“ durchaus einen Nerv; wer selbst gerne mal über die Dummheit der großen Masse verzweifelt, die dank sozialer Netzwerke heute präsenter ist denn je, dürfte sich mit Red (im Original eingesprochen von Jason Sudeikis, im Deutschen ausnahmsweise auch mal kompetent besetzt mit einem gut aufgelegten Christoph Maria Herbst) durchaus identifizieren können.

Teil der erwähnten Dummheit ist es auch, dass ein Handlungsverlauf wie jener von „Angry Birds“ geistig schwächeren Naturen als willkommene Anti-Einwanderungsparabel dienen könnte; schließlich besucht hier durchweg feindlich gesinntes Schweinsvolk die Vogelinsel, um über Arglist und Täuschung Vogeleier zu stehlen. Deutsche werden hier Übereinstimmungen mit der deutschen Einwanderungspolitik erkennen (und je nach Standpunkt für die eigenen Zwecke umdeuten), Amerikaner die vereinfacht gehaltenen Sachverhalte ebenfalls auf ihre Umstände abbilden können. Dabei nimmt der Animationsfilm unter Rückgriff auf ein reduziertes Weltbild lediglich Stellung ein für gesunden Argwohn gegenüber Blendern und hat somit ein hervorragendes Argument gegen den Vorwurf, die Verfilmung eines derart inhaltsleeren Spiels könne nur einen inhaltsleeren Film hervorbringen.

Im Gegensatz zur großen Konkurrenz etwa von Pixar funktionieren die Charaktere ungeachtet des hohen Identifikationspotenzials aus einer Frust- und Ärger-Regung heraus jedoch kaum auf der emotionalen Ebene. Die fast nur aus Kopf, Schnabel und Augen bestehenden Figuren gelangen nicht über Cartoon-Zweidimensionalität hinaus, insbesondere, wenn sie merkwürdige Verhaltensweisen an den Tag legen, die nur in Kenntnis der Spielvorlage Sinn ergeben. Als die stark an die „Minions“ angelegten Schweine schließlich unter Beschuss genommen werden, verkommt der Film endgültig zum Let's Play, das nur noch an möglichst zerstörerischer Action interessiert ist. Als sich schließlich dann wieder sämtliche Tiere in den Abspann tanzen (möglichst mit unvorteilhaften Körperrundungen und in queeren Klamotten), ist doch wieder der langweilige Konsens erreicht.

Schade, denn stärkeres Zündpotenzial bleibt „Angry Birds“ damit verwehrt. Der bissige Anfang jedoch rettet die Produktion unerwartet doch noch ins Mittelfeld.

*weitere Informationen: siehe Profil

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