„The Sum of All Fears“ hatte anno 2002 nicht schlecht Kasse gemacht, war aber kein Überhit und noch dazu bereitete das Klima des 11. September 2001 nicht unbedingt den besten Nährboden für realitätsnahe Terroristenthriller.
Ausgerechnet jenes terroristische Ereignis ist allerdings der Stein des Anstoßes beim 2014er Reboot der Franchise: Als Jack Ryan (Chris Pine) im Fernsehen die Bilder von)9/11 sieht, bricht er sein Doktorandenstudium ab und schließt sich den Marines an, wird jedoch im Afghanistankrieg verwundet und erlernt das Laufen nur langsam dank der Ärztin Cathy Muller (Keira Knightley) wieder. Noch im Krankenhaus wird er von CIA-Agent Thomas Harper (Kevin Costner) angesprochen, ob er seinem Land nicht in Zukunft als Finanzanalytiker dienen will. Ryan willigt ein, arbeitet offiziell an der Wall Street für eine große Firma und beobachtet inoffiziell auffällige Phänomene auf dem Weltmarkt. Auch im Reboot bleibt Jack Ryan also in erster Linie der Kopfmensch und Schreibtischtäter; allerdings (wie schon seine Vorgänger) einer, der zupacken kann, falls nötig.
Privat ist Ryan mehrere Jahre mit Cathy liiert und arbeitet schon ebenso lange an der Wall Street, als ihm verdächtige Transaktionen auffallen, die auf den russischen Mogul Viktor Cherevin (Kenneth Branagh) zurückgehen. Ryan vermutet, dass dieser gezielt den US-Dollar aufbaut, um die amerikanische Wirtschaft in die Knie zu zwingen, indem er seine Anteile nach einem Terroranschlag blitzschnell verkauft. Obwohl kein Clancy-Roman zugrunde lag, wirkt das Drehbuch wie eine modernisierte Version der Ideen des kalten Kriegers Clancy: Erneut stehen sich die ehemaligen Blockstaaten gegenüber, auch wenn es sich bei Cheverin und seinen Mitverschwörern in erster Linie um Individuen mit (teilweise) durchaus kapitalistischen Motiven handelt.
Da Cherevin diesen Anschlag selbst planen muss, damit er das richtige Timing hat, schickt man Ryan nach Moskau. Dort soll er Beweise für die Schuld des Industriellen sammeln, gerät aber bald in Lebensgefahr…
Für Freunde des klassischen Agentenfilms ist „Jack Ryan: Shadow Recruit“ eine Angelegenheit, bei der man sich schnell heimisch fühlen kann. Nicht nur die geupdatete Version des Kalter-Kriegs-Szenarios, das den Zerfall der Sowjetunion mitdenkt (ähnlich wie beispielsweise „Projekt: Peacemaker“), sondern auch die Konzentration auf erdige, kleiner skalierte Actionszenen und klassische Spionageszenarien geben dem Film einen angenehm altmodischen, aber glücklicherweise nicht altbackenen Touch. Mag sein, dass Ryan, Muller, Harper und Cheverin in erster Linie archetypische Figuren als Held, Frau an dessen Seite, Mentor und Schurke darstellen, aber sie füllen diese Funktionen mit genug Profil aus um bestehen zu können.
Dabei sticht vor allem Kevin Costner hervor, der den alten Hasen im Agentengeschäft mit der nötigen Ruhe und Abgeklärtheit spielt, der jederzeit so aussieht, als würde er weitreichende Entscheidungen ohne mit der Wimper zu zucken fällen. Ebenfalls überzeugend ist Kenneth Branagh als kultivierter wie taktierender Antagonist, mit diabolischem Plan mit aalglatter Fassade, weshalb Chris Pine hin und wieder Gefahr läuft zwischen den beiden zerrieben zu werden, sich aber doch recht wacker schlägt. Einzig und allein Keira Knightley wirkt etwas blass, was aber auch am Drehbuch liegt, das ihrer Figur wenig zu tun gibt – das Beziehungs-Hickhack zwischen Rya und Muller inszeniert der Film nie bedeutsam inszeniert, sondern lediglich nutzt es lediglicg um letztere nach Moskau zu verfrachten.
An diesen Details merkt man leider auch, dass „Shadow Recruit“ doch ganz klar um seine Action- und Spannungsszenen gestrickt ist, dazwischen leider ein wenig in den Leerlauf schaltet. Dabei zehrt der Film von seinem Old-School-Charme, der allerdings nur bedingt über den Baukastenplot und einige unschöne Logiklücken hinwegtröstet: Der häufigste Schnitzer ist sicher der, dass Ryan mehrfach „I‘m just analyst!“ brüllt, sich kurz darauf aber dann doch meist daran erinnert, dass er in der Marine-Ausbildung auch was gelernt hat und auch mal Krieg war.
Wenn Ryans Fähigkeiten zum Zuge kommen, läuft auch „Shadow Recruit“ meist zu höherer Form auf, weil dann nämlich Suspense und Action angesagt sind. Vor allem der der Einbruch in die Firmenzentrale Cheverins und der Showdown, bei dem eine Vehikeljagd angesagt ist, bleiben als Highlights des Films in Erinnerung, der seine Schauwerte eher dosiert, aber wenn dann effektiv einsetzt. Denn auch 2014 ist Jack Ryan kein souveräner Superagent der Marke James Bond, sondern ein talentierter Teamplayer, der sich vor allem durch Köpfchen auszeichnet.
Insofern kann man sich bei „Shadow Recruit“ schon wohlfühlen, denn kompetent inszeniert, gut besetzt und ebenso ordentlich gespielt ist das Reboot der Jack-Ryan-Franchise schon. Leider überzeugen unterm Strich aber eher einzelne Set Pieces, denn dem Großen und Ganzen fehlt trotz oldschooligem Flair ein wenig der Drive – da hätte das Drehbuch schon etwas mehr hergeben müssen. Schade drum.