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Review

kurz angerissen*

Dreht man einen Film über eine außergewöhnliche, der Norm zuwiderlaufende Person, läuft man Gefahr, sie oder ihre Besonderheiten zu überstilisieren und damit zu verkitschen. Ein desaströses Beispiel der jüngeren Filmgeschichte ist David Finchers Versuch, F. Scott Fitzgeralds Kurzgeschichte über den rückwärts alternden Benjamin Button zu erzählen. Ganz entgeht auch Ben Stiller nicht der Versuchung, den ebenfalls aus einer Kurzgeschichte stammenden Walter Mitty in eine Wolke aus stiller Bewunderung zu packen. Die Figur aus der Feder James Thurbers steht stellvertretend für das von der Gesellschaft überforderte Individuum, und von ihr zu erzählen bedeutet, die Aufmerksamkeit auf sie zu richten, um das System selbst entweder in Frage zu stellen oder, wenn dieses schon ein notwendiges Übel ist, wenigstens einen Sinn für seine Schattenseiten zu erzeugen.

Stiller aber schwächt den unangenehmen Faktor „Mitfühlkino“ dadurch ab, dass er die formellen Aspekte seines Films stark betont und Regieeinfälle regnen lässt, die die Handlung immer wieder in völlig unvorhergesehene Bahnen werfen. Die zwischen schwarzem Humor und Melodramatik pendelnde Stimmung ist damit zwar besiegelt, aber unmöglich kann man vorhersagen, was als nächstes passiert und wo ein Tagtraum mit der Wirklichkeit kollidiert.

Das bedeutet die Rettung des Films, der auf diese Weise nicht nur immer spannend bleibt, sondern auch zu atemberaubenden Bildern fähig ist, die mit allerhand Instant-Philosophie unterfüttert werden.

Damit die Kontraste zwischen grauem New Yorker Büroalltag und isländischen Traumlandschaften nicht zu radikal ausfallen, sind schon zu Beginn Karikaturen eingebaut (Adam Scott als bärtiger Karrierehai), die sich später symbolisch spiegeln (Angriff eines echten Hais); die Farbgebung schält sich nur gemächlich aus dem Grau der ersten Szenen, bis es die strahlenden, kühl-blauen Farben Islands erreicht hat. Dass „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ dennoch mitunter uneinheitlich wirkt, ist den plötzlichen Aktivitätsschüben der Figur geschuldet, die dem ruckartigen Aufwachen aus einem Traum in einen Traum hinein gleichen.

„Nur“ ein kandierter Mainstream-Film zum Nachdenken letztlich, regietechnisch aber sehr interessant umgesetzt.

*weitere Informationen: siehe Profil

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