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Review

kurz angerissen*

Keine Aussage über Homosexualität wolle Regisseur Abdellatif Kechiche mit seiner Adaption des französischen Comics „Blau ist eine warme Farbe“ treffen, sondern stattdessen einen universellen Film über Liebe und damit eingehende Emotionen wie Sehnsucht, Hass, Verlangen, Glück oder Trauer gedreht haben. Dies ist ihm trotz insgesamt ansprechender Regie nicht im gleichen Maße gelungen wie etwa einem Ang Lee mit „Brokeback Mountain“, wobei schwer zu definieren ist, ob die Vorlage Ursache dafür ist oder die Inszenierung. Tatsächlich zeichnet sich die Geschichte dadurch aus, dass sie versucht, das aufwühlende Schicksal der beiden Hauptfiguren allgemeingültig zu erzählen, schwankt aber immer wieder zwischen der offensichtlichen Hinwendung zu rein lesbischen Themen und universell nachvollziehbaren Situationen, die jedoch nicht selten mit Klischees ausgekleidet werden. So finden zwei, drei recht explizite Sexszenen in den Film, die tatsächlich in erster Linie wie ein unbeholfenes „how to do“ für lesbischen Sex anmuten, anstatt die Unsicherheit und das Erkunden seitens der unerfahreneren Adèle in den Vordergrund zu stellen. Wenn hingegen Szenen eines Lebens geschildert werden, in denen die Vorstellung der eigenen Eltern oder des Freundeskreises ansteht, gelingt es dem Regisseur etwas besser, die spezifische Problematik zwischen diesen beiden Menschen in einen generellen Kontext zu setzen, wobei in der Beichte einer Affäre gegen Ende zum ersten Mal wirklich der Punkt erreicht ist, an dem man sich vollständig mit den Figuren identifizieren kann, gleichwohl Léa Seydoux und Adèle Exarchopoulos sie bemerkenswert natürlich darstellen.

Dass die offenere Emma selbstverständlich aus einem intellektuellen, freigeistigen Umfeld kommt, während die unsichere Adèle eher der Arbeiterklasse angehört und Homosexualität ebenso wenig Platz findet in der Ideologie ihrer Eltern wie das Arbeiten in künstlerischen Berufen, erscheint allzu offensichtlich kategorisiert. Dies mag dazu beitragen, dass es lange dauert, bis man die Liebesgeschichte wirklich nachfühlen kann. Spaghetti mit Tomatensoße auf der einen und Miesmuscheln auf der anderen Seite werden so zum Sinnbild für eine kategorische Klassentrennung, die den Film die eigens postulierte Authentizität wieder zum Teil verlieren lässt.

Sonst allerdings ist dieser Adaption kein Vorwurf zu machen; selbst 180 Minuten werden spielend gefüllt, tatsächlich hätte der ein oder andere Handlungsstrang sogar noch weiter ausgebaut werden können (etwa das Verhältnis zwischen Emma und Adèles Eltern). „Blau ist eine warme Farbe“ lebt neben der Präsenz der Hauptdarstellerinnen auch von seiner klaren Optik und all den Close-Ups, die für eine gleichermaßen diskrete wie auch sinnliche Intimität sorgen.

*weitere Informationen: siehe Profil

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