kurz angerissen*
Steve McQueen ist mit “12 Years A Slave” offensichtlich nicht an einer historischen Einordnung gelegen, sondern primär an der Nachfühl- und Erlebbarkeit eines Einzelschicksals, womit er vor allem dem Geist der Vorlage, einer Autobiografie, gerecht wird, aber bequemerweise auch die in Hollywood herrschende Nachfrage nach Emotionalität stillt, wie man unschwer am Oscargewinn erkennen kann. Politische und gesellschaftliche Kontexte lässt er allenfalls in vereinzelten Aussagen von Figuren einfließen, die Kontakt zum Weltgeschehen haben (ein wichtiger Seiteneffekt des Films, der beispielsweise den kurzen, aber nicht unwesentlichen Cameo von Brad Pitt rechtfertigt). Im Zentrum jedoch steht der kleine Hof- und Plantagen-Mikrokosmos, den ein einstmals freier Mann fortan seine autonome kleine Welt nennen muss, sowie die Herausbildung dieser schrecklichen Situation, die vor allem freie Menschen mit Leichtigkeit nachfühlen können – und freie Menschen bilden schließlich das Publikum.
McQueen hat sich trotz dieser Mainstream-Anlagen bewusst für eine gegen den Strich gebürstete Art des Filmemachens entschieden. Einerseits liefert er einen Cinemascope-Film im Stil der goldenen Hollywood-Ära, mit prachtvollen Farben und einer Verklärung der wundervollen Feld- und Sumpflandschaften Louisianas, kurz, eine einschmeichelnde Optik mit so viel Detail, dass man sich trotz der beschränkten Sets darin verlieren kann. Dann aber zerstört er die soeben errichtete Schönheit mit exploitativen Misshandlungs-Szenen, die wiederum gerade vor den prachtvollen Hintergründen doppelt schmerzhaft erscheinen. Wenn das Fleisch unter den Peitschenschlägen platzt, wendet die Kamera nicht ab, sondern hält gnadenlos ihre Position.
Die Irrationalität des gesamten Systems wird dabei deutlich herausgearbeitet und sein zwangsläufiges Scheiternmüssen essenziell auf den Punkt gebracht. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass der Film gerade bei den Sklavenhaltern eifrig Differenzierungen vornimmt. Die Charaktere der vor dem Gesetz gleichgestellten Landbesitzer, die von Michael Fassbender und Benedict Cumberbatch dargestellt werden, könnten unterschiedlicher nicht sein; der Eine sieht seine selbstzerstörerischen Tendenzen durch die gesellschaftliche Legitimation seines verachtenswerten Handelns angestachelt, der Andere fühlt sich in seiner Rolle offensichtlich nicht wohl und ist darum bemüht, sein schlechtes Gewissen durch kleine Taten zu erleichtern. Niemand jedoch scheint die Zustände in seinem tiefsten Inneren als legitim anzusehen, sondern allenfalls zu seinen eigenen Vorteilen zu nutzen.
Überraschend allerdings, dass die im Titel genannten zwölf Jahre nicht wirklich greifbar gemacht werden, was einiges an Intensität kostet. Selbst nach all den Jahren der Sklaverei spielt Chiwetel Eljofor seine Figur immer noch mit der gleichen „Wie bin ich in diese Situation geraten“-Quintessenz, die ihm bereits gleich nach seiner Entführung in Washington und seinem Aufwachen in Ketten ins Gesicht geschrieben steht. Eine Entwicklung lässt sich dann doch vielmehr an den Sklavenhaltern ausmachen; Cumberbatch und vor allem Fassbender lassen die Zeit deutlich schmerzhafter verstreichen als der eigentliche Protagonist.
Stark subjektivierte Filme sind immer manipulativ und problematisch. An diesem Umstand ändert auch ein thematisch sicher notwendiger Film wie „12 Years A Slave“ nichts. Allerdings nutzt McQueen diese Perspektive immerhin für eine aufrüttelnde und erschütternde Erfahrung; wenngleich sie mit Hollywood-Konventionen konform geht und nur einige der gesteckten Ziele erfüllen kann (diese aber dafür umso beeindruckender), hallt sie spürbar nach und stellt die Idee der Sklaverei letztlich bei aller Fokussierung auf ein einzelnes Fallbeispiel doch geschickt als ein Gesellschaftsmodell dar, das dem ursprünglichen Wesen des Menschen nach zwangsläufig scheitern muss.
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