„The Burglar Bunch"
Im Jahr 2006 standen Hollywood-Celebrities wie Orlando Bloom, Megan Fox, Lindsay Lohan und vor allem Paris Hilton einmal ganz anders im Rampenlicht, als sie es sonst gewohnt waren. Eine Gruppe jugendlicher Verehrer hatte sich monatelang unbefugten Zugang zu den Anwesen der Stars verschafft und dort Beute im Wert von 3 Millionen Dollar mitgehen lassen. Im besonderen hatten sie es dabei auf Designerklamotten und diverse Accessoires abgesehen, die sie aus öffentlichen Auftritten und Hochglanzmagazinen kannten. Der sogenannte „Bling Ring" war weniger an persönlicher Bereicherung interessiert, sondern wollte vielmehr Lifestyle und Look ihrer Opfer so authentisch wie möglich kopieren um dem ersehnten Startum und dem damit verbundenen Lebensgefühl so nahe wie möglich zu kommen. So brüsteten sich die Diebe in aller Öffentlichkeit mit ihren Trophäen und posteten ungeniert immer neue „Beweisphotos" auf Facebook. Dieses ebenso konsequente - schließlich avancierten sie damit auf einem niedrigerem Level selbst zu Stars - wie dämliche Verhalten - das Auffliegen der Beutetouren war damit praktisch vorprogrammiert - machte schließlich die polizeiliche Ermittlungsarbeit zu einem Kinderspiel.
Man kann sich gut vorstellen, was Sofia Coppola an diesem Stoff gereizt haben könnte. Schon bei ihrem letzten - 2010 in Venedig mit dem goldenen Löwen prämierten - Film „Somewhere" hatte sie sich kritisch mit den Schattenseiten des Starkults auseinandergesetzt. Coppola wurde dafür allerorten als kluge Zeitchronistin gefeiert, die den Irrsinn des globalen Medienzirkus um popkulturelle Berühmtheiten auf ungewöhnliche und sehr scharfsichtige Weise sezierte.
„The Bling Ring" kann hier durchaus als Variation desselben Themas verstanden werden, eine Variation mit geändertem Blickwinkel. Hier geht es um die möglichen Auswirkungen des medialen Dauerfeuers auf dafür empfängliche, weil orientierungslose und/oder gelangweilte Jugendliche. Das Starsein gleicht einer glitzernden Dauerparty, bei der ständig die angesagteste Garderobe ausgeführt und die ohnehin schon prächtige Stimmung mit allerlei verbotenen Substanzen noch zusätzlich angeheizt wird. Diesem vermeintlichen Ideal gilt es nachzueifern, schließlich hat jeder ein Recht auf persönliche Glückseligkeit.
Natürlich ist ein solches Denken eine pervertierte Auffassung von den Verheißungen und Mechanismen des American Dream. In Hollywood ist das momentan ein beliebtes Sujet. So lieferte erst kürzlich der als tumber Krawallprolet verschiene Michael Bay mit „Pain & Gain" eine überraschend bissige und treffsichere, schwarzhumorige Satire ab. Martin Scorsese dagegen erwartete man in solchen Gefilden schon viel eher, was er mit dem Exzessgewitter „The Wolf of Wall Street" dann auch eindrucksvoll bestätigte.
Während Bay und Scorsese jeder auf seine Art und geschickt die jeweiligen Stärken ausspielend auf grelle Überzeichnung setzen, liefert Coppola einen nüchterneren Blick auf die Verführungen von Glitzer und Glamour. Ihre Bildsprache ist präzise, exakt und verzichtet auf exaltierte Mätzchen. Dennoch gelingen ihr ein paar großartige Aufnahmen, wie beispielsweise ein aus der Distanz gefilmter Bruch des „Bling Ring", bei dem die Einbrecher wie verspielte Kinder in dem illuminierten Anwesen herumtollen. Auch Anwesen und Besitz der Stars weiß sie entsprechend mondän ins Bild zu setzten und visualisiert damit nachvollziehbar die davon ausgehende Faszination. Das ist nicht zuletzt auch deshalb so authentisch, weil die ebenfalls geprellte Paris Hilton Coppola in den originalen Räumlichkeiten ihres Kitschtempels drehen ließ und sich auch für einen Cameo hergab. Immerhin bewies sie damit so etwas wie Selbstironie.
Bei der Besetzung der jugendlichen Glamour-Gang setzte Coppola dann aber weitestgehend auf unbekannte Namen, lediglich Emma Watson - die zeigt, dass sie deutlich mehr kann als Harry Potters Freundin Hermine - sticht dabei hervor. Die eigentliche Hauptfigur ist aber der einzige Junge der Gruppe, aus dessen Sicht der Film erzählt wird. Der Außenseiter Sam (Israel Broussard) findet in der ebenfalls style-besessenen Rebecca (Katie Chang) eine vermeintliche Seelenverwandte. Sie ist es auch, die ihre Leidenschaft mit krimineller Energie paart und die Masche etabliert, sich bei den Schönen und Reichen zu bedienen. Neben Sam folgen ihr alsbald auch noch die ebenfalls vom Celebrity-Hype infizierten Nicki, Chloe und Sam. Anfangs sind sie selbst überrascht wie leicht die Häuser ihrer Idole zu lokalisieren sind und wie problemlos man dort einsteigen kann. Diese spielerische Leichtigkeit treibt sie zu immer häufigeren und riskanteren Unternehmungen. Wie ihre Vorbilder wollen sie nun aber auch zeigen (im Internet und auf der Straße), was sie haben und gelangen damit zumindest zu lokaler Berühmtheit als „The Bling Ring".
Natürlich steckt in dieser Konstellation ein gehöriges Maß an satirischem und gesellschaftskritischem Zündstoff. Copolla spielt dieses As aber nicht aus und überlässt es dem Zuschauer, sich ein Urteil zu bilden. Das mag intellektuell betrachtet ein lohnenswerter Ansatz sein, in der Realität des vorliegenden Films führt er allerdings zu einer Oberflächlichkeit, die viel Potential verschenkt. Dass die Jugendlichen ihr Handeln und v.a. die dazu führenden Mechanismen in keiner Weise reflektieren ist dabei nicht das Problem, weil absolut realistisch. Indem der Film sich aber fast ausschließlich und fast schon dokumentarisch mit seinen 5 Protagonisten und ihren Taten beschäftigt, bleibt er inhaltlich, erzählerisch und psycholgisch seltsam blass. Zwar erlaubt sich Coppola ein zwei böse Seitenhiebe (u.a. werden Nicki und Sam vor dem gemeinsamen Morgengebet mit ihrer Mutter erst einmal auf eigenen Wunsch mit ihrer täglichen Dosis Ritalin versorgt), insgesamt bleibt sie aber weitestgehend auf Distanz zu ihren Figuren und nimmt die Position einer neutralen Beobachterin ein.
Martin Scorsese, der ja in „The Wolf of Wall Street" einen ähnlichen Ansatz wählte, umgeht die damit verbundenen Fallstricke mit einem inszenatorischen und auch mimischen Parforceritt der noch lange nachwirkt. Bei „The Bling Ring" bleibt dagegen nur Leere, aber vielleicht wollte Sophia Coppola auch genau das erreichen, schließlich ist der Celebrity-Wahn letztlich auch nichts weiter als ein hohles Gefäß. Eine neue Erkenntnis ist das nicht. Wenigstens ist sie schön bebildert. Und immerhin ist auch das letztlich konsequent.