"Super Teamwork"
Teamfähigkeit gehört in der modernen Berufswelt (vor allem) westlicher Industrienationen zu denjenigen Schlüsselkompetenzen, ohne die sowohl Einstieg wie auch das Fortkommen kaum mehr möglich scheinen. Das gemeinsame Lösen von Problemen sowie das kooperative Bewältigen diverser Aufgaben vertragen sich allerdings nicht sonderlich mit Individualismus bzw. der Förderung persönlicher Stärken des Einzelnen. Gerade für das US-amerikanische Selbstverständnis ein nicht unerheblicher Spagat, gilt doch die individuelle Entfaltung von je her als Grundecht des Staatsbürgers.
Was für den normalen US-Bürger einem veritablen Spagat gleichkommt, muss den Mitgliedern der Superheldentruppe The Avengers wie die ultimative Blutgrätsche vorkommen. So verkörpern Iron Man, Thor, Captain America und Hulk sämtlich und ausnahmslos Individualismus in Reinkultur. Nicht nur ihre Superkräfte bzw. außerordentlichen Fähigkeiten, sondern insbesondere auch ihre übergroßen Egos und teilweise exzentrischen Marotten prädestinieren und verdammen sie zu gesellschaftlichen Außenseitern, für die Teamwork ungefähr so verlockend erscheint wie ein lebenslanger Schreibtischjob.
Diese exaltierten Charaktere unter einen Hut zu bringen und sie auch noch als gemeinsam operierenden Eingreiftruppe zu formieren macht den besonderen Reiz der Crossover-Comicverfilmung The Avengers aus, ein Reiz der in den falschen Händen schnell zum überkandidelten und nummernrevueartigen Nerd-Kindergeburtstag hätte verkommen können. Glücklicherweise hat man bei Marvel seit der filmischen Superhelden-Renaissance häufig ein goldenes Händchen bei der Besetzung des jeweiligen Regiepostens bewiesen. Vor allem Sam Raimi (Spider Man-Trilogie), Jon Faverau (Iron Man, Iron Man 2) sowie Kenneth Branagh (Thor) bewiesen enormes Gespür für Witz, Timing und Modernisierungspotential, ohne dabei den Geist der teilweise recht angestaubten Comicvorlagen zu verraten und schafften das Kunststück Kritiker wie Fanbase gleichermaßen zu überzeugen.
Auch mit Josh Whedon hat das Studio en richtigen Mann engagiert. Der Erfinder von TV-Serienhits wie Buffy und Angel findet genau die richtige Mischung aus effektgespickten Actionszenarien und unterhaltsamer Interaktion seiner illustren Figuren. Dabei war es definitiv eine große Hilfe, dass die diversen Superhelden bereits durch ihre jeweiligen Einzelfilme ausführlich charakterisiert und definiert worden waren. Whedon kann somit auf das Vorwissen der Zuschauer um die diversen Manierismen und Spleens der extrovertierten Heroen bauen und sie ohne Umschweife aufeinander loslassen. Zwar werden nicht wenige Comicjünger laut Beifall klatschen, wenn es endlich - weil tricktechnisch realisierbar - zum physischen Aufeinandertreffen von Iron Man, Hulk, Thor und Captain America kommt, dennoch sind die verbalen Scharmützel der egomanischen Helden die wahre Attraktion des Films.
Da prallen exaltierter Narzissmus (Tony Stark alias Iron Man), patriotischer Pragmatismus (Captain America), göttliche Arroganz (Thor) sowie (un)kontrollierte Aggressivität gepaart mit professoraler Verwirrtheit (Hulk (Bruce Banner) fröhlich aufeinander. Das hat Charme, Schwung und selbstironischen Pep, da hier vor allem die allzu menschlichen schwächen und Eigenheiten der Helden voll zur Entfaltung kommen. An dieser Stelle fügen sich auch die beiden weniger schillernden und bislang lediglich als Sidekicks aufgetretenen Teammitglieder Black Widow (Scarlett Johansson) und Hawkeye (Jeremy Renner) nahezu nahtlos ein, zumal Regisseur Whedon auch der russischen Spezialagentin und dem Meister.Bogenschützen immer wieder auch eigenen Szenen gönnt und zudem in der finalen Auseinandersetzung tragende Rollen zubilligt.
Die eigentliche Story ist dabei eigentlich Nebensache, dient sie doch hauptsächlich der Zusammenführung der unkonventionellen Heldentruppe sowie der Motivation zum gemeinsamen Kampf. Ohnehin ist die Idee den bereits in Thor nicht sonderlich beeindruckenden oder gar furchterregenden Loki erneut als Bad Guy auftreten zu lassen eher unoriginell, erfüllt aber zumindest ihren(etwas konstruiert) wirkenden Zweck. So entwendet der aus dem Götterreich Asgard verbannte Halbbruder Thors den bereits in einigen Spinn-Offs aufgetauchte kosmische Tesserrakt-Würfel aus den Händen der Geheimorganisation S.H.I.E.L.D, um mit dessen Hilfe eine Arme extraterrestrischer Krieger auf die Menschheit loszulassen.
S.H.I.E.L.D-Direktor und -Mastermind Nick Fury (Samuel L. Jackson) hat einige Mühe die zunächst wenig begeisterten Superhelden zur Mitarbeit zu bewegen. Nachdem man sich erst Mal ordentlich die Köpfe eingeschlagen und damit dem jeweils dem eigenen Ego so richtig Geltung verschafft hat, ist allerdings wieder etwas mehr Platz für Vernunft, Besonnenheit und Kompromissbereitschaft. Angesichts der globalen Bedrohung und mangels adäquater Alternativen raffen sich die die sechs Individualisten dann doch noch zur Kooperation auf und zeigen den außerirdischen Invasoren was es heißt, einen irdischen Superhelden zu erzürnen.
Dass dabei zum gefühlt 100sten Mal Manhattan in Schutt und Asche gelegt wird, geschenkt. Whedon gelingt es dieses vermeintlich filmisch längst ausgereizte Szenario frisch und spektakulär aussehen zu lassen, was vor allem am rhythmischen Cut und der für das heutige ADS- äh Actionkino geradezu panoramaartigen Übersichtlichkeit liegt. Zudem ist der Endkampf so angelegt, dass jeder Avenger seine persönlichen Qualitäten voll zur Geltung bringen und damit seinen Teil zum Triumph beitragen kann. Überhaupt ist es die zentrale Stärke des Films, dass sämtliche Titelhelden nicht einfach planlos in einen Blockbuster-Topf geworfen werden um möglichst viel Geld zu scheffeln, sondern dass ihre Auftritte und dabei vor allem die diversen Interaktionen geschickt austariert und angesichts der Protagonistenvielfalt verblüffend stimmig inszeniert sind. Da stört es dann auch nicht weiter, dass beim Creature-Design ihrer Gegner der Kreativitätsakku offenbar nur noch auf Reserve lief, und man mal wieder die üblichen uniformierten Monster mitsamt ihren biomechanischen Raum- und Kampfschiffen serviert bekommt.
Joss Whedon gelingt mit The Avengers der erste rundum gelungene Blockbuster des Kinojahres. Sämtliche im Vorfeld geäußerten Befürchtungen sind nicht eingetreten. Weder verkommt der Film zur One-Man-Show Robert Downey Jrs., dessen Figur (Iron Man) ohne Zweifel die charismatischste und dessen Einzelfilm sowohl finanziell wie qualitativ bisher das Maß aller Avenger-Dinge ist. Auch wirkt der sprichwörtlich aus der Rolle berstende Hulk nicht wie ein grüner Fremdkörper, sondern fügt sich überraschend harmonisch in Handlung und Ensemble, was im Übrigen nicht zuletzt der nuancierten Darstellung Mark Ruffalos geschuldet ist. Schließlich stehen sich die zahlreichen Helden nicht permanent im Weg, sondern funktionieren als perfekt untereinander bzw. aufeinander abgestimmte Einheit. Teamfähigkeit ist also auch unter heroischen Sonderlingen möglich. Ist doch super!