Review
von Con Trai
Eine weitere Enklave der Grafschaft Midsomer, der Ort der titeltragenden Midsomer Murders wird in The Night of the Stag heimgesucht; ein anderer Ort mit geringfügig anderen Sitten und Traditionen als die Gegend noch zuvor und hiernach. Dabei ist auch hier wieder die Religion in der Umgebung mitentscheidend, wurde erst kürzlich eine New Age Gemeinde ausspioniert und danach Abkömmlinge der Druiden unter die Lupe der polizeilichen Ermittlungen genommen, so trifft es hier eine mehr oder minder ebenfalls selbsternannte Truppe wiederum privater Götzenanbeter. Ebenso erneut ist auch dieser verschworene Verein von der Außenwelt abgeschottet, gemieden und gar belächelt bis verhasst; ein Konflikt und Konkurrenz, die für den Kriminalfall weiterhin Bewandtnis und zum Glück für die langlebige Mannigfaltigkeit der Serie auch noch eigene Brisanz und ihren Gewinn darin hat. Zwischen Menschenjagd und Volksfest, und mit der Gefährlichkeit scheinbarer Idylle und bauernschlauer Banalität:
Bei dem Erntedankfest der Gebietskörperschaft Midsomer Abbas wird ein Finanzbeamter und Steuerinspektor tot aufgefunden, was die Polizei um DCI John Barnaby [ Neil Dudgeon ] und DS Ben Jones [ Jason Hughes ], zufällig bereits vor Ort anwesend, zum nunmehrigen Tatplatz eines weiteren Mordes informiert. Dabei stoßen sie schnell auf gegnerische Parteien, hat sich doch der selbsternannte Prediger Norman Grigor [ Greg Hicks ] gegen die allgemeine Trinklust der Gegend und besonders den Schwarzbrenner Silas Trout [ Stephen Marcus ], den Pubbetreiber Samuel Quested [ Warren Clarke ] und den Mostmülenbesitzer Anthony Devereux [ Patrick Ryecart ] verschworen. Auch der Rest der Bevölkerung hat sein eigenes Wissen und die Motive, schweigt aber hartnäckig.
Ein wenig ändern könnte sich diese spezielle Ausrichtung der langlebigen Serie auch als Freizeitoase in Zukunft schon; mag es nur Zufall des Auftretens dreimal hintereinander und die Geschichten jeweils unterschiedlich in ihrer Anlage und Abwicklung sein, fällt dies aktuelle Rezidiv als Begleiterscheinung schon, wenn denn auch nicht wirklich störend auf. Zumal auch hier der gläubige Trupp trotz oder wegen ihrer inneren Ernsthaftigkeit eher der Lächerlichkeit preisgegeben wird, sei es dem der anderen Dorfklüngel gegenüber oder dem des weniger frommen oder gar gottgefälligen Zuschauers. Das ewige Singsang in familiärer Kommune, der Pathos und der Sermon geben so mehr Anlass für Belustigung allenthalben bis Kopfschmerz schlechthin, wobei da allerdings noch weitere Faktoren ihre Mühe und Rolle mittragen.
Denn das andere Idol, dem hier gehuldigt und ein Schrein erboten und erbaut wird, ist die Droge Alkohol. Der Selbstgebrannte, von dem nicht nur das Monetäre im Dorf abhängt, sondern auch die Freund-, Seil- und Sipppschaft untereinander. Am Ende des Monats lebt man von der Ernte und den Einnahmen, bis dahin vom Hochprozentigen und dem Glauben an das Glück und die Leichtigkeit darin. Nicht umsonst spielen auch ein chronisch Alkoholkranker mit unsicherem Gedächtnis und entsprechend fragendem Blick und ein eingeschworener Antialkoholiker bzw. ein momentan Trockener mit folgerichtig verkniffenen Gebaren und ebensolchen Gesicht die Hauptrolle in dem Gewusel in grüner Natur. Genauso wird auch die Leiche nur stilecht im Zuber gefunden und die Ränge und Schmiede und alles weitere an Plot in der Kneipe eingefädelt. Ein Streifzug in die Vorzeit und eine ganze eigene Form der Zivilisation, oder besser gesagt, des Fehlens dessen.
Einen klaren Kopf kann man als Außenstehender vom Publikum in dieser britischen Mischpoke aus Falschheit, aufgesetzter Fröhlichkeit, der Verschwiegenheit aus Angst und zu eigenem Vorteil trotzdem bewahren. Die Voraussetzung dessen wird durch eine sichere Inszenierung mit einprägsamen Figuren, einem übersichtlichen Untereinander von Mordverdächtigen, Lügnern und Betrügern und einer hübschen Reihung von kleineren Pointen und Absurditäten – wie einem Lynchmob auf Freiersfüßen, einer Art offiziell ausgerufenen und terminierten Unzucht, die als Ritual reanimiert wird – in sattsam strahlender Blüte der Natur erfüllt. Flora und Fauna dieses medialen Naherholungsgebietes laden zum Wandern im intensiven Wald und Streunern über Feld und Wiesen, quer durch Bienenimkerei und Apfelplantagen ein, selbst das Polizistenpärchen arbeitet diesmal mit- statt gegeneinander und lässt auch die verbalen Attacken gegenüber dem (nun auch nicht mehr so neuen)Partner und Kollegen sein.