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Review

Ich vergebe ja wirklich nicht gerne die Mindestpunktzahl, aber hier mache ich es mit Freuden. Was Kevin Williamson da verbrochen hat, ist einzigartig in der Filmgeschichte.

Was ich sagen will: natürlich gibt es an sich viel schlechtere Filme. Technisch wurde ja sogar vieles richtig gemacht.
Entgegen der meisten anderen Filme rutscht dieser hier nicht wegen der obligatorischen Filmschwächen an den Bodensatz. Die Kameraarbeit ist in Ordnung, der visuelle Look stimmt, die Drehorte sind okay, ja es gibt sogar ein paar nette Dialoge. Nur die Schauspieler sind eher unteres Mittelmaß, was aber genrebedingt noch zu verkraften ist.

Und jetzt muß ich meine obige Aussage über Kevin Williamson revidieren, denn der kann nur bedingt etwas dafür, dass "Tötet Mrs. Tingle" ein grottenschlechter Film ist; zumindest in seiner Eigenschaft als Regisseur.
Der Punkt ist folgender: der Streifen ist sinnlos. Absolut unnötig und überflüssig. Die zugrundegelegte Story ist nicht für das Spielfilmgerüst geeignet. Wer "Star Wars - Episode I" als längsten Bildschirmschoner der Welt bezeichnet, mag damit Recht haben (obwohl ich diese Meinung nicht ganz teile), aber nur deswegen, weil er eine längere Laufzeit als "Tötet Mrs. Tingle" hat.

Dabei kann man die Grundidee noch irgendwie ansatzweise nachvollziehen. Zwar ist der Teeniefilm nicht so mein Genre, aber auch ich war mal 16 und verstehe, wieso eine Geschichte so reizvoll ist, in der der Spieß einfach umgedreht wird und das Verhältnis zwischen Schüler und einer besonders giftigen Lehrerin umgepolt wird, so dass von nun an der Schüler die Zügel in der Hand hält. Ein kleines Machtspiel, das auf den Gerechtigkeitssinn pocht, der einem jeden Menschen angeboren ist, und mag er sich noch so sehr den Gesetzen der Gesellschaft unterwerfen.

Es krankt aber gewaltig an der Umsetzung. Worauf will der Film hinaus? Schon nach dem ersten Filmdrittel ist die Lehrerin in der Gewalt von ein paar aufmüpfigen Schülern. Alles Weitere konzentriert sich auf Psychospiele bevorzugt zwischen Mrs. Tingle (Helen Mirren) und Leigh Anns (Katie Holmes), die von ein paar absurden Einfällen unterbrochen werden (Mrs. Tingles Verehrer), die die Geschichte kein Stück voranbringen. Wenn der Film zu Ende geht, dann ist es so, als habe er nie existiert. Und das stört ungemein.

Dabei gibt es ein paar Filme, bei denen die vollkommene Sinnfreiheit einen gewissen Reiz hat. Man denke nur an "Ey Mann, wo is` mein Auto?". Klar, auch der rühmt sich nicht gerade mit Qualitätsmerkmalen, aber bei all der semantischen Jungfräulichkeit setzt sich hier irgendwas zusammen.
Auch "O Brother, Where Art Thou?", eine Coensche Hymne auf die Südstaaten zur Zeit der großen Depression, glänzt gerade durch das sinnfreie Aneinanderreihen von isolierten (durch Homers Odyssee inspirierten) Events, die sich zu einem beinahe kosmischen Bedeutungskonstrukt zusammensetzen.
Und welchen Sinn haben schon viele der Dialoge aus Tarantinos Gangsterepos "Pulp Fiction", außer den Alltag und das Leben zu beschreiben?

Williamsons Arbeit hingegen wirkt - wie schon treffend von Moonshade bemerkt wurde - wie eine aufgeplusterte Episode einer Jugendserie, die rein gar nichts verloren hat in der Welt der Kinofilme.

Darüber hinaus sind nicht einmal die Rollen gut ausgearbeitet und auch nicht gut gecastet worden. Mrs. Tingle wird etwa im Vorfeld als Monster dargestellt. Ein solches Monster stellt Helen Mirren aber nie dar. Sie spielt ihre Rolle recht passiv, kühl, abwesend und doch berechnend. So wird zwar ein Klischeecharakter gemieden, der aber ausnahmsweise dringend nötig gewesen wäre, um etwas Pepp in die Story zu bringen. Mit der vorliegenden Interpretation funktionieren die Psychospielchen einfach nicht. Es stellt sich beim Zuschauer auch nicht der Groll gegen die Lehrerin auf und das Gefühl, dass sie es verdient habe, gefesselt am Bett zu kleben. Man fragt sich eher, wann diese dämlichen Teenies das Spiel endlich beenden und jeder wieder seiner Wege geht, zumal der Lehrerin die ganze Situation ziemlich am Arsch vorbeizugehen scheint.
Kurzum: die Motivation fehlt.

*Achtung: der folgende Abschnitt enthält Spoiler!*

Zu allem Überfluss endet der Film dann auch noch so belanglos, wie er bis dahin vor sich hingeplätschert ist. Mit dem Tod irgendeiner Person wäre alles anders gewesen. Plötzlich wäre die vorhergehende Belanglosigkeit ein Stilmittel gewesen, um zu zeigen, dass auch scheinbar harmlosere Situationen zu einem Horror ausarten können, der nicht wieder gutzumachen ist. Das hatte z.B. auch "The Hole" leicht über den Durchschnitt gehoben, der atmosphärisch mit "Tötet Mrs. Tingle" ziemlich vergleichbar ist.
So hofft man den ganzen Film über, dass am Ende eine raffinierte Storywende alles in einem anderen Licht erscheinen lässt. Pustekuchen. Niemand stirbt, es gibt keine Aussage oder sonst etwas. Der deutsche Titel führt noch zusätzlich in die Irre.

*Spoiler Ende*

In der Konsequenz ist diese auf Teenager zugeschnittene dramatische Komödie so ziemlich der entbehrlichste Film, den ich je gesehen habe. Bleibt der Film technisch betrachtet durchgehend auf solidem "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast"-Niveau, besteht er inhaltlich aus nichts als heißer Luft. Und das ist so ziemlich das Schlimmste, was einem Film passieren kann.
1/10

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