Hat man sich mal eine Zeit lang so richtig gehen lassen, kommt irgendwann die Einsicht, dass es einfach nicht so weitergehen kann. Sofern der innere Schweinehund nicht allzu übermächtig ist, rappelt man sich auf und nimmt sich vor, ab sofort alles besser zu machen. Vielleicht ging es auch Charles Band zu Beginn der 2010er Jahre so. Sein Flaggschiff, die umfangreiche „Puppet Master“-Reihe, war nämlich bereits vor langer Zeit gekentert. Allenfalls die weiße Fahne am Mast lugte noch aus dem Wasser. Nach der missglückten Puppen-Restauration mit „Retro Puppetmaster“ (1999), der unmotivierten Flashback-Show „Puppet Master: The Legacy“ (2003) und dem inoffiziellen TV-Special „Puppet Master vs. Demonic Toys“ (2004) war die Marke im Grunde zerstört. Aber Band wäre nicht Band, wenn er nicht immer wieder vom Boden aufstehen würde, um als Musterbeispiel für Beharrlichkeit ins Lexikon der Filmbegriffe einzugehen… und einfach weiter zu schwimmen, wo jeder andere längst freiwillig abgetaucht wäre.
Woher aber genau die Motivation nach sechs Jahren Sendepause kam, die Fäden wieder aufzunehmen, darüber kann nur spekuliert werden. Die Neuausrichtung des Videomarktes auf HD-Medien könnte womöglich ein Faktor gewesen sein. Die Blu-ray hatte sich inzwischen gegenüber der HD-DVD durchgesetzt, der Nebel über der unklaren Marktlage lichtete sich also langsam und als tüchtiger Geschäftsmann wollte der Full-Moon-Chef sicher als einer der Ersten sein Stück vom hochauflösenden Kuchen abhaben. Passend dazu wurden die alten Puppet-Master-Filme langsam für einen HD-Release in Position gebracht. Da lag es sicherlich nahe, gleich noch ein paar weitere Teile zu produzieren, um den Fan bei der Stange zu halten.
Darüber hinaus dürften die „Puppet Wars“ immer noch wie lästige Plagegeister in Bands Kopf gespukt haben. Immerhin war einige Jahre zuvor von Paramount mal eine deutlich höher budgetierte Reise in die Kinosäle in Aussicht gestellt worden, nach Bands Wunsch am liebsten in drei Kapiteln. Es sollte nie soweit kommen. Sehnliche Träume von einer epischen Saga lösen sich aber nicht einfach aufgrund durchkreuzter Geschäftspläne auf, und so gönnt sich der Puppenmeister mit „Puppet Master: Axis of Evil“ nun ein kleines Trostpflaster. Hier ist er also doch noch, der späte Auftakt einer monumentalen (oder zumindest: monumental gedachten) Trilogie nach dem Vorbild großer Kassenschlager wie „Star Wars“ oder „Indiana Jones“. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass im Hause Full Moon das klamme Budget während der Konzeptphase keine Rolle spielt.
„Axis of Evil“ also. Niemand Geringerem als Ex-Präsidenten George W. Bush werden hier die Worte aus dem Mund geklaubt, um den großen Masterplan eines kleinen Filmstudios in eine wohlklingende Phrase zu bannen. Zugegeben, ein passender Titel, muss man bei der „Achse des Bösen“ doch nicht nur an Marionettenkreuze denken, sondern eben auch an die Achsenmächte des Zweiten Weltkriegs, auf die der Begriff zurückfällt. So geht es im Auftakt der Trilogie dann auch tatsächlich um deutsch-japanische Verschwörungen in abgedunkelten Opernsälen, während die naiven Amerikaner sich im Glauben an den Sieg des Guten im Pathos üben und auf die magische Essenz allen Lebens vertrauen.
David DeCoteau, der als Charles Bands rechte Hand zum wiederholten Mal auf den Regiestuhl zurückkehrt, muss zu diesem Zweck zurück in das Jahr 1939, in dem die Saga einst begann. Mehr noch; er recycelt praktischerweise gleich die Eröffnungsszene des „Puppetmaster“-Originals, und zwar in voller Länge. Augenblicklich kehren unliebsame Erinnerungen an den achten Teil der Reihe zurück, der praktisch nur aus Ausschnitten älterer Teile bestand. Zwar gibt es für den Rückgriff auf das Archivmaterial diesmal eine Entschuldigung, da die Sequenz nun durch neu gedrehte Einschübe aus einer neuen Perspektive erzählt wird, aber eigentlich hatte man gehofft, die Stock-Footage-Hölle ein für allemal durchschritten zu haben und endlich wieder neues Material genießen zu können. Ganz besonders nach der bisher längsten Pause.
Kamera und Regie mühen sich wenigstens, die Optik der neu gedrehten Szenen nahtlos mit den Originalausschnitten zu verknüpfen, auch wenn das leider nicht völlig gelingt. Gerade was das Regie-Handwerk angeht, werden die qualitativen Unterschiede zwischen David Schmoellers Vorgaben und David DeCoteaus Imitationen offensichtlich; so dynamisch und kreativ wie damals, mit all den wuselnden POV-Shots und stylishen Einstellungen, wirkt das alles heute nicht mehr. Gegenüber den unterirdischen Produktionen der 00er Jahre zeigt sich der Look aber zumindest deutlich verbessert. Alles sieht wieder etwas mehr nach Film aus und weniger nach Heimvideoband.
Allerdings lässt sich der Zuschauer von der halbwegs filmreifen Optik keinen Bären aufbinden. Der vermeintlich seriöse Agententhriller, man könnte ihn auch als ein Historiendrama beziehungsweise einen politisch angehauchten Historienfilm verstehen, ist schnell als reines Possenspiel entlarvt. Völlig humorlos hangelt sich DeCoteau von einer uninteressanten Dialogsequenz zur nächsten, in der Hoffnung, hier könne ein wahrlich erwachsener Film entstehen, der selbst anspruchsvolle Geister zufrieden in den Sessel sinken lässt. Dabei sind die kammerspielartigen Szenenbilder viel zu klein, um den Ansprüchen an das eigene World Building zu genügen, obwohl sich bei den Drehs an chinesischen Originalschauplätzen mit Sicherheit endlos viele fotogene Motive ergeben haben dürften. Die Dialoge gerieten gleichzeitig zu oberflächlich, um Subtexte aufzuwühlen, ja, sie mutieren gar zu einer Ansammlung wüster rassistischer Beschimpfungen, die zumindest aus dem Munde des sonst sympathisch wirkenden Helden unangemessen scharf wirken, auch wenn sie sich letztlich gegen die fiesen Nazis und ihre Verbündeten richten.
Ungewollt verwandelt sich „Puppet Master: Axis of Evil“ so in eine Parodie auf die von ihm angeschnittenen Genres der anspruchsvolleren Filmkunst, weil er sie mit den beschränkten Mitteln einer B-Movie-Produktion erfolglos zu imitieren versucht. Nur leider ist es keine Parodie der amüsanten Art. Wir haben es mit einem ausgesprochen langweiligen Film zu tun, der nur augenscheinlich viele Klassen besser ist als ein „Puppet Master vs. Demonic Toys“ – denn der hatte ja immerhin einen überdrehten Corey Feldman mit Mad-Scientist-Perücke zu bieten, der seine Weihnachtstage in Boxershorts in seiner Puppenwerkstatt verbrachte. Wenn es nun auf den Unterhaltungswert ankommt, verweist Feldman seinen Nachfolger Levi Fiehler klar in die Schranken, obwohl der eigentlich sogar einen liebenswerten Eindruck macht und gar nicht so schlecht gecastet ist.
Einmal mehr liegt das Problem zum Teil auch wieder bei den Puppen, deren Einsätze in den Kategorien Dauer und Qualität erneut ungenügend ausfallen. Für eine Reihe, die offiziell der Überkategorie Horror angehört, wird erschreckend wenig davon geboten. Die ikonischen Stop-Motion-Einstellungen David Allens aus den ersten drei (mit Wohlwollen fünf) Teilen sind in eine so weite Ferne gerückt, dass sie schon fast nicht mehr wahr sind; rückblickend muss man sich schon sehr bemühen, um beim Comeback der kleinen Holzköpfe überhaupt einen memorablen Kill auszumachen, und das, obwohl doch mit den Nazis wieder die Lieblingsgegner an Bord sind, gegen die Blade, Pinhead & Co. immer besonders motiviert waren. Tunneler hat mal wieder eine blutige Bohreinlage zu bieten und Leech Woman seilt ihre Blutegel schön eklig in die Sushi-Platte eines Japaners ab, allerdings geraten diese Moves auch langsam arg repetitiv. Wo bleiben originelle, durchgeplante Konzeptsequenzen wie jene, die „Puppet Master III“ zu bieten hatte, um die Nazis bildgewaltig ihrer gerechten Strafe zuzuführen?
Zumindest ein Neuzugang holt noch ein paar Kohlen aus dem Feuer. Der seit Teil 3 bekannte sechsarmige Cowboy Six Shooter sollte ja ursprünglich ein Ninja werden, nun hat ein solcher tatsächlich den Weg ins Repertoire gefunden. In den wuselig-putzigen Schleich-, Kletter-, Kriech- und Wurfsternaktionen des kleinen Kerls mit den Leuchtaugen wird endlich jene kindliche Spielfreude sichtbar, die man ansonsten die ganze Zeit über vermisst. Würden die alteingesessenen Veteranen doch auch diesen Elan aufs Parkett bringen…
Über weite Strecken ist „Puppet Master: Axis of Evil“ das kreative Ergebnis einer Gruppe Erwachsener, die gerne erwachsene Dinge tun würden, aber bloß zu kindlichem Denken in der Lage sind… und noch dazu lediglich über das Taschengeld eines Kindes verfügen. Große Ideen in kleinen Schuhschachteln – das Mitleid des Betrachters ist dem Film gewiss, erst recht nach dem Cliffhanger und der Aussicht auf ein ganzes Imperium aus Schuhschachteln. Das kann ja noch was werden.