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Review

Retrospektiv betrachtet, ist “Shang-High Noon” die zweite, etwas erfolgreichere US-Franchise Jackie Chans in der Zeit nach seinem Durchbruch auf amerikanischem Boden. Retrospektiv deswegen, weil die Eastern-Western-Komödie zunächst im Kino nur mäßig lief und erst auf DVD so richtig zum Kassenknüller wurde, so dass auch erst jenes Medium eine Fortsetzung ermöglichte.

“Rush Hour” bleibt aber nach wie vor die populärere Serie, und Chans Partnerschaft mit Chris Tucker diejenige, die dem Massenpublikum zuerst einfällt. Dabei ist doch die Chemie zwischen Chan und seinem blondgeschopften “Shang-High”-Kollegen Owen Wilson so viel stimmiger, die Interaktion zwischen beiden so viel dichter und der Humor so viel köstlicher. Sowohl die “Rush Hour”- als auch die “Shang-High”-Franchise sind in erster Linie Buddy-Movies - in diese Sparte wurde Chan in Amerika nun mal unweigerlich gesteckt, es gehört sozusagen zur bildlichen Vertragsbasis, die ihm globalen Erfolg sichert. Und aus dieser Sparte heraus betrachtet mag “Rush Hour” die erfolgreichere Reihe sein; die Comedyposse zwischen dem fernen Osten und dem wilden Westen ist aber die gelungenere.

Alleine der Umgang mit dem Buddy-Konzept ist beispielhaft und ebenso simpel wie geschickt: Es wurden einfach mal die ureigensten Genres des amerikanischen und chinesischen Kinos ausgepackt und zueinander in Beziehung gesetzt: das Kung Fu-Historienepos und der Western. Der Zuschauer wird mit Einsetzen der Credits vor dem Film förmlich erschlagen mit gigantischen Kulissen und einer Farbenpracht, die ihresgleichen sucht. Die Szenen vor dem Hause der Prinzessin sind ein Gemälde aus stilechten Kostümen und authentischen Gemäuern, die den Betrachter sogleich die Gegenwart vergessen lassen, welche zwei Jahre zuvor in “Rush Hour” als Spielplatz verwendet wurde.

Durch eine zugegeben kaum der Rede werte Story um Geld, Verrat und Entführung wird dann die Verbindungslinie zum Westen gesetzt. Die banale Plotkonstruktion mit einigen sehr einfallslosen Drehbucheinfällen (Prinzessin verliert ihr Büchlein beim Aufbruch in die USA et cetera) reißt zwar immer wieder leicht aus dem Geschehen, optisch verschmilzt dieses jedoch zu einer herrlich anzusehenden Einheit. Wie zwei Puzzleteile fügt sich die eine und die andere Seite des Produktionsdesigns zusammen und koppelt den Osten mit all seinen befremdlich schillernden Farben und Formen an den Westen, wo Staub und Wüste den Look bestimmen. In Anbetracht des Genres ist zwar auch hier Sonnenschein und die ganze Farbenpalette zu erkennen; man hat es also erwartungsgemäß nicht mit dem dreckig-nihilistischen Look eines klassischen Spaghettiwesterns zu tun. Aber dennoch ist das Zusammentreffen zwischen zwei tiefgreifenden Kulturen zu erkennen, und es macht alleine schon durch die gelungene Optik Spaß.

Ganz hervorragend ist nun die Verlinkung dieser ineinandergefügten Filmgenres mit den beiden Hauptdarstellern. Freilich ist Jackie Chan auch diesmal der ausschlaggebende Faktor, diesen Film zu machen, er ist das Zugpferd und wenn man so will die wichtigere Komponente in dem dualen Buddy-Konstrukt. Für den Westen ist er zweifellos der schauspielerische Repräsentant des fernen Ostens; diesen Rang hat er sich in Jahrzehnten mit vielen Rückschlägen und Erfolgen hart erarbeitet.
Es gibt aber einen qualitativen Unterschied zu den anderen Doppeln, an denen Chan teilgenommen hat, egal ob nun Chris Tucker, Danny Aiello oder gar Dumpfbacken wie Lee Evans. Und dieser Unterschied hört auf den Namen Owen Wilson. Denn Wilson wurde nicht einfach wahllos in das Ambiente geschmissen, nur um irgendeinen beliebigen Klischee-Amerikaner zu repräsentieren. Wilson ist Texaner. In Dallas geboren und aufgewachsen an der Seite seiner beiden Brüder Luke und Andrew. Ein Rotzbengel war er, flog in der zehnten Klasse von der Schule. Halt ein echter Rebell, ein Cowboy. Dieses Bild verfolgte er dann auch bei seinen Filmrollen - in “Armageddon” etwa sieht man ihn vor einem blutroten Sonnenuntergang auf einem Bullen reiten, kurz bevor er ins Weltall geschossen wird. Wilson ist halt die personifizierte jugendliche Freiheit, von der Attitüde her einem James Dean gar nicht so unähnlich, nur vielleicht etwas ironischer. Die Casting-Abteilung hat sich also durchaus etwas gedacht, ihn als Banditen und Möchtegern-Lebemann zu verpflichten. Und so macht seine Persönlichkeit diesmal absolut Sinn. Eine Sache, die man von Chris Tucker, so publikumsträchtig seine Blödeleien auch sein mögen, nicht behaupten kann.

Das Ergebnis ist herzerfrischend. Zwischen Chan und Wilson stimmt einfach alles. Chan funktioniert mit seiner zurückhaltenden, abwartenden Art als Buddy eigentlich grundsätzlich immer, so dass es meist an seinem Gegenstück liegt, die Sache auch zu einer wechselseitigen Symbiose zu machen, und da hat es Wilson einfach raus. Er interagiert wahrhaftig mit seinem chinesischen Kollegen, geht wirklich auf seine Art ein, anstatt an ihr vorbei zu klamüsern. Man spürt die Beziehung zwischen beiden. Hilfreich ist dabei die süffisante Belustigung, eben die Take-it-as-it-comes-Einstellung, die Wilson bei seiner eher subtilen Comedy zu Tage bringt. Es ist ganz einfach herrlich, den Ausdruck von seinem Gesicht zu lesen, als Jackie ihm in die Hand spuckt und er daraufhin entgegnet: “Das wird eine lange Reise...”
Im Rücken haben beide das historische Flair ihrer Herkunft, Jackie sein China, Owen seinen amerikanischen Westen. Und der fungiert in seiner optischen Pracht als Katalysator für die Buddy-Konstellation, die auf neue Art interpretiert wird, sieht man doch sonst meist zwei Buddies trotz all ihrer Unterschiede aus ein und demselben Metier kommen (als da wären zB. die für den Scheiß zu alten Cops aus “Lethal Weapon”). Diesmal jedoch kommen beide aus vollkommen entgegengesetzten Richtungen, finden auch eigentlich nie ein gemeinsames Karma, müssen dies aber auch nicht, um sich prächtig zu verstehen - gerade im Zeitalter der Globalisierung eine wichtige Erkenntnis.

Doch die prachtvollen Sets dienen nicht nur den Hauptdarstellern zur Verdeutlichung ihrer Beziehung; sie bieten auch reichlich Feld für Hommagen und Reminiszenzen an Klassiker des Westerns und des Easterns. “The Good, the Bad & the Ugly” wird durch die Galgenszene geehrt, während der schön schmierig agierende Xander Berkeley seine Rolle des Nathan Van Cleef äußerlich wie namentlich als Huldigung an den berühmten Lee Van Cleef auslegt, der einige der fiesesten Bösewichte des Genres abgegeben hat und dessen erste Rolle übrigens eine im Westernklassiker “12 Uhr mittags” war, der im Original unter dem Namen “High Noon” bekannt ist. Weiterhin spricht sich Chon Wang (Jackie Chan) phonetisch wie John Wayne und Roy O’Bannon (Owen Wilson) gibt später auch noch seinen wahren Namen preis.
Der Eastern ist diesbezüglich nicht ganz so stark vertreten, aber zumindest Jackie-Fans werden aufhorchen, wenn es um Trinkszenen geht. Ja, “Drunken Master II” wird bei der Badewannensequenz (die samt des anschließenden Fluchtversuchs auf eine kindische Art zu den witzigsten Filmmomenten gehört) zumindest angedeutet, als Wang “Uno Mass?” säuselnd Seifenblasen produziert. Drunken Boxing findet in der Szene mit Van Cleef auch in Ansätzen statt, aber leider viel zu schwach, um dies als richtige Hommage auszulegen - angeblich war hier keine Zeit mehr für eine Choreografie vorhanden. Schade, denn das hätte dem Fass im positiven Sinne den Boden ausgeschlagen.

Viel zu schwach wird leider Lucy Liu als Prinzessin Pei Pei in den Film integriert. Sie hat zwar vergleichsweise viel Screentime für eine Nebenrolle und kommt im Finale sogar dazu, etwas von ihren Kampfkünsten zu zeigen. Nur wirken viele ihrer Szenen mehr oder minder überflüssig oder zumindest ungeschickt ausgearbeitet, so dass sich alles rund um ihre Entführung im Grunde genommen als uninteressant herausstellt. Der Entführer (Roger Yuan) und alles, was mit ihm zu tun hat, bleibt so blass, dass der eigentlich nur als trietzender Sidegag involvierte Zwist zwischen O’Bannon und Van Cleef sich viel interessanter gestaltet und man von diesem am liebsten gar nicht mehr weg möchte. Ja, selbst die alte Bande O’Bannons sieht man lieber, obwohl die nun wirklich kaum eine Bedeutung für den Plot hat, sieht man mal von dem seltsamen Finale vor der Kirche ab.

Die Martial Arts-Einlagen Chans und seiner Gegner, darunter auch ein paar Cherokees, sind stets amüsant anzusehen und halten einige denkenswürdige Einlagen bereit, immer hübsch verknüpft mit einer netten Portion Comedy. Highlight ist die Choreografie der Saloonschlägerei, die wirklich originell in Szene gesetzt wurde. Insgesamt ist an Stunts nichts wirklich Extremes oder Gefährliches dabei, doch alleine das Setting gibt den Kämpfen genug Flair, um sie jederzeit sehenswert zu machen.

Besonders kantenreich ist “Shang-High Noon” in letzter Konsequenz nun nicht, und risikobehaftet höchstens insofern, als dass ein historischer Background gewählt wurde, der ja offenbar nicht jedem gefallen hat. Er sorgt aber zusammen mit Chans Partner Wilson für die frischeste Buddy-Konstruktion seit Jahren und zeigt ein verdammt gut harmonierendes Protagonisten-Zweigespann, unterstützt von vielen guten Nebendarstellern, die leider nicht allesamt sehr gut in Szene gesetzt wurden. Auch die Entwicklung des Plots lässt sehr zu wünschen übrig und ist gewissermaßen so etwas wie eine Entschuldigung dafür, eine Actionkomödie drehen zu können. Visuell ist der ganze Film mit seinen vielen Panoramashots aber eine Wucht, die Action taugt was und der Humor, untermalt von einem richtigen Gute-Laune-Score, ist zwar kindgerecht, aber angenehm unaufdringlich. Das macht “Shang-High Noon” mit seinem Sequel zum vielleicht besten US-Film, den Jackie Chan bisher gemacht hat.
7.5/10

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