Greta Garbo war die Königin, die nur einmal in ihrem Leben lachte.
Ihren Filmrollen, so eindrucksvoll und tief sie sich in die Historie des Hollywood-Kinos eingebrannt haben, hängt die tragische Ironie des Lebens an. So unvergesslich, ewig während wie ein Diamant, dennoch so voller Traurigkeit und Ernst ist es, das Vermächtnis der Garbo. Ganz universell ist die Schwedin heute eine Ikone; regiert hat sie jedoch fast ausschließlich im Fach der Tragödie - ihren Fähigkeiten zum Dank, mit denen sie im Stummfilm zu einer Größe wurde: Gefühle ohne großen Hokuspokus authentisch nach außen zu tragen. Als der Tonfilm sich durchsetzte, wartete man geduldig auf sie und auf ihren ersten Satz. “Garbo talks!”, so das Werbebanner, das sie auf die nächste Ebene der Entwicklung des Kinos begleitete. Und dann sprach sie: “Gimme a whiskey, ginger ale on the side and don’t be stingy, baby.” 1930.
Neun Jahre später wiederholt sich Filmgeschichte: Ernst Lubitsch schenkt der Garbo ihr erstes und einziges echtes Lächeln ihrer gesamten Karriere. Weder Zufall noch Wunder, dass sie Lubitsch selbst auserkoren hatte, um bei “Ninotschka”, dessen Drehbuch unter Mitarbeit von Billy Wilder entstand, Regie zu führen. Wie sie schon in “Mata Hari” sagte: “I am my own master”. Garbo regierte wie eine Königin - ihr trist gebautes Königreich scheint sie sich selbst ausgesucht zu haben, ebenso wie den zarten Hauch von Sonnenaufgang. Und es ist tatsächlich nichts anderes als das: “Ninotschka” zeigt keinen Status, wie es der auf den Wechsel in den Tonfilm anspielende Werbespruch “Garbo laughs!” suggeriert. Er zeigt eine Veränderung: den langsamen und romantischen Aufgang einer Sonne, die in dieser Welt nur ein einziges Mal erblühte und nach ihrem Untergang für immer verborgen bleiben sollte.
Lubitschs Film untersteht einer ebenso ungewöhnlichen wie interessanten Struktur. Unmittelbar vor Kriegsausbruch gedreht, ist die Konfrontation der ideologischen Minuspole des Kapitalismus und des Kommunismus allgegenwärtig und macht sich auf unterschiedliche Art im Diskurs bemerkbar.
Einerseits rekonstruiert Lubitsch die zeitgenössischen gesellschaftlichen Erscheinungen mitunter auf erschreckend realistische und schonungslose Art. Mit hoher Beobachtungsgabe wird das oft schmerzhafte Kollidieren gegensätzlicher Ideologien “auf der Straße”, also im einfachen Alltag nachgezeichnet. Ausgerechnet die Hauptdarstellerin äußert dann einen Satz, der in seiner Radikalität noch heute ein bitteres Aufstoßen verursachen kann:
“The last mass trials were a great success. There are going to be fewer but better Russians.”
Zu diesem Zeitpunkt, als Garbos Ninotschka noch ein fast mechanisch funktionierender Eisblock ohne Gefühl ist, wird eine nahezu extremistische Position gegen den Kommunismus eingenommen. Eine Komödie als “Schwarzbuch des Kommunismus”, das einen “roten Holocaust” herauszustellen versucht? Ein Wagnis mit hohem Risikofaktor, so scheint es zumindest im ersten Moment.
Im Großteil baut Lubitsch jedoch nicht auf Realismus, sondern auf symbolträchtigen Bedeutungsträgern auf, die der Regisseur allesamt auf den politischen Hintergrund bezieht. Die drei sowjetischen Genossen symbolisieren etwa Repräsentanten des russischen Proletariats, die grundsätzlich - wohl schon aus einer anthropologischen Sicht heraus - dem Kapitalismus gar nicht mal so abgeneigt sind, wenn man ihn erst einmal kennen gelernt hat. Paris weiterhin, die Metropole des verschwenderischen Lebensstils; aristokratische Völlerei in den Augen der nüchternen Abgesandten aus Russland, von Lubitsch jedoch durchaus romantisch eingefangen. Dabei wurde in Paris nicht einmal gedreht.
Nicht zuletzt natürlich der zentrale Parallelismus, die Antithese zu “Star Wars”, das langsame Wechseln der Garbo auf die “helle Seite der Macht”, als sie Darth Melvyn Douglas nach und nach verfällt. Der Kapitalismus ist unfehlbar, menschlich, gut. Das "menschlich" hier ein Paradoxon, denn weder ist der Mensch vollkommen gut noch unfehlbar.
Empörende Resultate bei einer eingehenden Betrachtung, ein gar scheußliches, ja verwerfliches Rezept, doch Halt! Die wichtigste Zutat ist noch gar nicht beigemischt.
Sie findet sich in der entwaffnenden Komödie, deren Präsenz alles, wirklich alles ändert. Mag die Grundaussage sich tendenziell auch im Endresultat noch der Märchenwelten entstammenden Gut-und-Böse-Dichotomie bedienen, so ist doch eines letztlich entscheidend: man soll einfach nur über sie lachen und sie um Gottes Willen nicht für voll nehmen.
Man sollte nicht so weit gehen zu behaupten, “Ninotschka” sei eine Satire; die Struktur dieser Komödie ist vollkommen anders. Das Drehbuch hat es überhaupt nicht auf die Beleuchtung marxistisch-leninistischer Denkmuster abgesehen. Die Beziehung zwischen Ninotschka und Léon funktioniert zwar als Parallelismus, ist tatsächlich aber selbst eigentliches Zentrum der Aufmerksamkeit und nicht bloß Medium für einen größeren Zusammenhang. Es gibt Momente, da wirkt der Film wie eine moderne romantische Komödie. Das unbeirrte Buhlen um die kühle Dame ist ein Muster ohne Zeitbezug. Heute noch gerne gesehen.
Für den Humor bedeutet das eine ganz besondere Ungezwungenheit. Man würde niemals auf die Idee kommen, das unnatürlich gleichmäßige (geradezu mathematisch berechenbare) Auftauen der Russin zu kritisieren. Schließlich hat man genau darauf gewartet. Selbstverständlich spielt das Skript dabei ganz intensiv mit der bisherigen Karriere der Schauspielerin und baut diverse Seitenhiebe ein. Das Warten auf den ersten Lacher der Garbo birgt ein gewisses Spannungspotenzial und tatsächlich, als der Knoten dann endlich geplatzt ist, muss die Dramaturgie prompt einen Hänger verbuchen und weiß sich leider nur noch dadurch zu helfen, über alle Maßen zu übertreiben, endend in einer Szene, als der Kopfmensch vom Filmbeginn nun stockbetrunken und enthemmt in einem Hausflur sitzt und wirres Zeug säuselt.
Letztendlich ist es deswegen auch irgendwo verständlich, dass es für Greta Garbo im Bereich der Komödie nie zu mehr gereicht hat. In “Ninotschka” funktioniert sie zwar hervorragend und harmoniert obendrein optimal mit dem charmanten Melvyn Douglas, doch überwiegend basiert der Humor auf den vergangenen Erfolgen, mit denen die Schwedin nach oben gelangte; wenngleich die Dialogschreibung auch sonst von hoher Qualität ist. Ein merkwürdiges Werk letztendlich, von einer ungewöhnlichen Struktur; vollgepackt mit Klischees und Propaganda zwar, aber eingepackt in Heiterkeit der offensivsten Sorte, höchst unterhaltsam obendrein. Chapeau dem einzigen Tage, an dem ein Sonnenstrahl auf das edelsteinverzierte Gewand der Königin fiel. Und sie lachte.