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Review

Bei Komödien ist es meist schwierig, von Genialität zu sprechen. Oberstes Gebot ist hier schließlich meistens, die Menschen zum Lachen zu bringen. Wer dem Zuschauer nicht nur ein Lächeln, sondern gleich einen ganzen Lachanfall herauskitzeln kann, hat gewonnen.

Insofern ist "Dumm und Dümmer" ein Meisterstück, vermutlich die bis dato beste Roadmovie-Komödie aller Zeiten. Und das sage ich ohne Übertreibung, auch wenn nicht jeder Zuschauer meine Meinung teilen wird.

Aber wie kann sich ein Film über zwei absolute Vollidioten ein solches Prädikat verdienen? In der Regel hat man es in diesem Comedy-Bereich mit absolut niveaulosen Orgien üblen Geschmacks zu tun, die im besten Fall in nicht ganz nüchternem Zustand Lachkrämpfe verursachen. So haben wir es etwa beim Chaoten-Duo Bill und Ted gesehen, deren Witze zumindest den Neanderthaler im Manne zum Lachen brachten, oder die "voll schädlichen" Bud und Doyle, bei denen alle Hoffnung verloren ist.

Das Erfolgsgeheimnis bei "Dumm und Dümmer" hat einen Namen: Farrelly. Die durchgedrehten Brüder haben ihren Sinn für abgedrehten Humor mehrfach bewiesen, auch wenn die neueren Werke nicht mehr den Biss von früher versprühen. Was die Coens für den Thriller sind, sind die Farrellys für die Komödie. Als unbestrittenes Meisterstück gilt ihre Ode an die Liebe, "Verrückt nach Mary", die uns mit einem Seitenhieb vermittelt hat, dass nur die Unvollkommenheit perfekt ist.

Die Story um Harry und Lloyd wird zwar auch von dem Liebesmotiv angetrieben (Lloyd tut alles, um seine Zufallsbekanntschaft und große Liebe wiederzusehen), aber doch steht hier die Situationskomik und der Roadmovieaspekt ganz befreit von allen Zwängen im Vordergrund.

Die Grundzutaten des Films sind dabei gar nicht mal so besonders. Harry fährt Hunde in seinem Hundevan zu Vorführungen, Lloyd arbeitet als Chauffeur. Beide sind die dicksten Kumpels, dabei einer dümmer als der andere; soll heißen, sie treiben ihre eigene Dummheit gegeneinander in ungeahnte Sphären. Ihr Traum, zusammen einen Wurmköderladen zu eröffnen, liegt allerdings weiter entfernt denn je. Als Lloyd sich dann unsterblich in einen Fahrgast verliebt, nämlich Mary Swanson, die dann am Flughafen einen Koffer verliert, beschließt Lloyd, ihr nachzureisen und ihn ihr zurückzubringen. Unter falschem Vorwand kann er Harry zu dem Trip überreden. Aber: der Koffer wurde absichtlich am Flughafen vergessen, war als Übergabe gedacht. Nun werden Harry und Lloyd auf ihrem Weg ins kalte Aspen von den Gangstern verfolgt, die den Koffer wiederhaben wollen...

Wir haben also die üblichen Verdächtigen zu bestaunen, wie etwa Freundschaft und Liebe, gemixt mit Verwechslungssituationen und den dazugehörigen Zufallsaktionen. Mit anderen Worten: Harry und Lloyd gelten bei den Verfolgern als gerissene Hunde, sind aber in Wirklichkeit nur Volltrottel, denen der Zufall in die Hand spielt, mal mehr, mal weniger. Das Ganze wird dann angerührt mit einer Liebesgeschichte, die die Freundschaft zwischen Harry und Lloyd auf die Probe stellt.

Wie gesagt, das ist nicht neu. Aber die Umsetzung lässt einen wirklich mit der Zunge schnalzen. Das Wichtigste vorweg: die Liebesgeschichte ist angenehm dezent, erdrückt zu keinem Zeitpunkt die Komik. Sie hält sich immer zugunsten des Humors im Hintergrund. Man kennt ja das alte Dilemma: man legt eine Komödie ein, kann auch herzlich lachen, und irgendwann kommt ein widerlich schnulziger Moment, der einem das Lachen auf dem Munde gefrieren lässt. Derartige Wendungen sucht man hier zum Glück vergebens. Stattdessen werden die Liebesgeständnisse Lloyds in witzige Dialoge gepackt, wobei das Ganze niemals ins Lächerliche gezogen wird.

Ansonsten ist der Film ein Roadmovie mit den Komponenten einer Verwechslungskomödie. Forciert durch die grenzenlose Dummheit der beiden Protagonisten gelingt Peter Farrelly etwas, das es nur noch selten gibt: gleich reihenweise kommen die Witze so perfekt rüber, dass der Zuschauer nicht nur lächeln muss, sondern teilweise wirklich am Boden liegt vor lachen. Sicher, man muss den Humor der Farrellys zumindest ansatzweise mögen, aber dann bekommen die Lachmuskeln wirklich was geboten.

Einen nicht zu verachtenden Anteil daran haben sicherlich die beiden Hauptdarsteller. Jim Carrey gilt ja ohnehin als Meister der physischen Komik. Durch seinen Pottschnitt, seine Zahnlücke und der ihm auf den Leib geschriebenen Charakterzeichnung unterscheidet sich seine Performance als Lloyd aber von sämtlichen anderen Rollen. Alleine der Anblick verführt zum Grinsen.
Und kaum zu glauben, aber wahr: der weniger bekannte, und schon gar nicht als Komödiant berühmte Jeff Daniels liefert sich mit Carrey ein ebenbürtiges Duell um die Krone der absoluten Dummheit. Ganz wie vom Regisseur beabsichtigt, sieht man zu jedem Zeitpunkt des Filmes einen anderen ganz vorne, mit einer Nasenlänge Vorsprung.

Die Sets sind, so wie es bei einem Roadmovie sein sollte, abwechslungsreich genug, um das Gefühl einer episodialen Einteilung hervorzurufen. Dadurch wirkt der Film auch recht lang. Indem der Zuschauer ihn aber häppchenweise geniessen kann, bleibt alles kurzweilig und frisch.

Gewürzt wird der Plot mit netten Einfällen. Vorangestellt sei hier Lloyds Träumerei, wie etwa der Kampf mit dem Koch.
Auch Kostüme und Ausstattung hinterlassen einen bleibenden Eindruck. In der ersten Nacht nach dem Ansehen des Filmes wird man wahrscheinlich zuerst einmal einen Alptraum von Harrys und Lloyds Anzügen haben.

Die Qualität von "Dumm und Dümmer" ergibt sich also durch den Mix von Alt und Neu. Man nehme die altbewährten Grundstrukturen und garniere das Ganze mit ein paar frischen neuen Ideen. Zu diesen ist letztlich vor allem die namensgebende Charakterzeichnung der Protagonisten zu zählen, denn wenn man sieht, wie sich Harry und Lloyd z.B. mit dem neu erworbenen Reichtum die Nase putzen und dabei alle Schuldscheine im Koffer sammeln mit der absolut ernsten Absicht, alles zurückzuzahlen, dann hat man das Gefühl, Zeuge einer Meta-Ebene der Dummheit geworden zu sein. Folglich ist jeglicher Vergleich der Verhaltensweisen von Harry und Lloyd mit wirklichen Menschen unangebracht. Realismus wird hier zu keiner Zeit beabsichtigt.

Peter Farrelly hat das Kunststück geschafft, eine vollkommen platte Story um zwei Vollidioten zu stricken, deren Humor gerade von anspruchsvolleren Zuschauern erfasst wird. Dabei gelingt ihm ungeachtet aller Logiklöcher das , was eine Komödie automatisch in die erste Liga befördert: die Provozierung von Lachkrämpfen.
Keine Frage, Tiefgang sucht man auch hier vergebens, das Wasser reicht auch hier gerade mal bis zu den Knien. Und doch bedient dieser Film den anspruchsvolleren Humor.

Good Taste Makes Bad Taste.
9/10

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