Es gibt immer wieder Momente, in denen man sich daran erinnert, was man an Filmen aus Asien eigentlich so zu schätzen weiß. Das ist oft dann der Fall, wenn altgediente Themen auf sehr merkwürdige neue Art interpretiert werden. Die Südkoreaner haben so eine innovative, wenngleich in unseren Breitengraden schwer zu entschlüsselnde Bombe jüngst mit “The Host” im Monster Movie-Genre gezündet; “New Police Story”-Regisseur Benny Chan mischt nun das überladene komödiantische Subgenre “überforderter Erwachsener trifft auf Baby” ein wenig auf. “Rob-B-Hood” ist trotz der global bekannten und von vielen Menschen (inklusive mir selbst) zugleich gefürchteten, jedoch von noch viel mehr Menschen geliebten Prämisse ein Projekt, das im Westen auf diese Weise in eintausend Jahren nicht entstehen könnte.
Was die Amerikaner mit einem Remake (dieses Quasi-Remakes eines französischen Filmes, das seinerseits auch schon zwei US-Remakes erfahren hat) wieder verstärkt in süßliche Gefilde ziehen würden, dem hängt in Hongkong von Anfang an ein Hauch des Verruchten an, das einzig und alleine für erwachsene Augen bestimmt ist. Zwar ist der Humor wie von den Chinesen gewohnt wieder mit ganzer Seele infantil, doch parallel dazu zaubert Chan eine Aura des Komplexen, das eben nicht nur die Slapstick im Umgang mit dem Neugeborenen als einzige Dimension kennt. Das Spiel um die Kindesentführung wird erweitert um die individuellen Probleme aller Beteiligten und schnell ist man davon entfernt, “Rob-B-Hood” als reinen Lobgesang auf die Verantwortung zu betrachten, wie man es sonst aus Komödien mit ähnlicher Konstellation gewohnt ist.
Mit der Reunion der drei alten Freunde Jackie Chan, Yuen Biao (zumindest eine Nebenrolle) und Sammo Hung (fehlt ganz) hat es zwar bekanntermaßen nicht geklappt, aber das Drehbuch hat dennoch unübersehbar auf genau diese Konstellation hingearbeitet. Gespickt mit Reminiszenzen an alte Filme der drei Kollegen, wäre der Streifen ein absolut würdiges Follow Up aus seligen “Powerman”-Zeiten geworden, hinübergerettet ins zum damaligen Zeitpunkt bereits sechs Jahre alte 21. Jahrhundert.
Jackie Chan schlägt sich nun mit Louis Koo und Michael Hui herum, was ihn aber nicht davon abhält, sich voll und ganz in die alten Muster fallen zu lassen. Obwohl bei weitem nicht die für den Kung Fu Comedy-Star ungewohnt ausgeprägte Charakterkomplexität aus “New Police Story” erreicht wird, gesteht sein Regisseur ihm erneut eine Vielschichtigkeit zu, die er in den USA nie bekommen hat. Fong Ka Ho ist nach langer Zeit mal wieder eine zwielichtige Figur im Repertoire Chans, wenn eben auch in tiefstem Herzen einmal mehr einer der Guten; die beiden Auftritte als Bösewicht liegen schon lange zurück und sind wohl darauf zurückzuführen, dass er damals noch zu jung war, um sich seine Rollen selbst aussuchen zu können.
Doch der von ihm gespielte Gauner ist weder der vorlaute Hampelmann aus ganz alten Tagen noch der höfliche Exot aus dem Land der “unbegrenzten Möglichkeiten” (die zumindest für ihn in Sachen Darstellungsvielfalt gar nicht mal so unbegrenzt sind). Fong Ka Ho ist vielmehr ein Konglomerat aus Chans besten Tagen in den Achtzigern / frühen Neunzigern. Er gerät in einen Generationenkonflikt mit seinem eigenen Vater wie in “Drunken Master II”; er erleidet teilweise emotionale Überforderung, als er sich zwischen dem eigenen Wohl und dem eines anderen Menschen entscheiden muss, wie in “Powerman 3 “.
Und nicht zuletzt wird er von einem Regisseur, der sich im Rahmen seiner Funktion mit Fug und Recht als Actionexperte bezeichnen kann, endlich mal wieder ansprechend in Szene gesetzt, was die Stunts betrifft. Wo etwa in der “Rush Hour”-Reihe zunehmend mit holpriger Schnittechnik und viel Hast die abnehmende körperliche Belastungsfähigkeit des Hauptdarstellers eher schlecht als recht kaschiert wird, trifft der Mann in seiner Heimat endlich wieder auf Ohren, die ihm auch zuhören. Die Stunts in “Rob-B-Hood” entbehren zweifellos der Überlebensgröße einmaliger und teils lebensgefährlicher Sequenzen von vor 20 Jahren. Aber sie machen nie den Fehler, zu viel zu wollen und schätzen die noch verbliebenden Fähigkeiten des alternden Stars stets richtig ein. Angenehm dosiert werden viele in ihrer Konstruktion eher kleinere, nichtsdestotrotz zum Teil jedoch beeindruckende Stunts und Kämpfe gezeigt, die Chan absolut in angemessenem Licht erscheinen lassen und in dieser Form kaum etwas von Abnutzungserscheinungen verraten. Mit dem Alter setzt er sich per Selbstironie zwar immer noch nicht auseinander, aber solange er noch glaubwürdig ist und nicht dem Tiefpunkt entgegen segelt, den derzeit Steven Seagal besetzt, der sich angeblich sogar schon beim Einsteigen in ein Auto hat doubeln lassen, ist das auch gar nicht nötig. Ein Verstecktanz um mehrere Toilettenhäuschen herum, ein sehr riskant ausschauender Crash an einer Kreuzung mit Dutzenden von Autos und einem Baby mittendrin oder der Sprung ein Hochhaus hinunter über Belüftungskästen, das sieht immer noch frisch und spektakulär aus.
Das Baby ist bei alldem zwar immer mittendrin und logischerweise in der Regel auch Hauptgegenstand der jeweiligen Szene, nimmt überraschenderweise dennoch in Sachen Leinwandpräsenz nicht die Überhand ein, die man begleitet von Zuckerguss en masse hatte befürchten müssen. Oft verdeckt von Kleidungsstücken oder einem Schlafkörbchen, gestaltet sich die Präsentation des Kindes zur Freude der Hasser von Baby-Kitsch nahezu wie ein Gebrauchsgegenstand. Das Baby erlangt dadurch streckenweise fast schon MacGuffinsche Qualitäten, zumindest solange Hektik und Situationskomik den Raum erfüllen. Dazwischen freilich muss immer mal wieder die Beziehung der beiden Gauner zum entliehenen Baby ein Stück weiterentwickelt werden, was sich in etwa auf dem Niveau bewegt, das man in der Folge “Baby an Bord” aus der achten Staffel der Sitcom “King of Queens” zwischen Doug und seinem kleinen Schützling geboten bekam. So darf der Racker wider Jackies Willen an dessen Brust nuckeln und in die Runde alleinerziehender Mütter wird der einzige “alleinerziehende Vater” dann auch noch eingeladen.
Trotz der stattlichen Laufzeit von zwei Stunden alleine schon in der internationalen, um einige Handlungsszenen gekürzten Fassung schafft man es, das Geschehen durchweg spannend und wendungsreich zu gestalten. Kritik lässt sich höchstens an speziellen Charakterkonstellationen (der vom Dreigespann stark distanzierte Michael Hui ist beispielsweise eher schwach in die Geschichte eingebaut) oder speziellen Drehbucheinwürfen üben (ob man derart mit vollgeschissenen Windeln herumwedeln musste, bleibt fraglich), selten jedoch an kompletten Szenenabfolgen. Der Unterhaltungsfaktor gestaltet sich enorm hoch, sofern man nicht mit den Erwartungen an einen üblichen, formelhaft ablaufenden Familienfilm ausgestattet ist.
Die Formelhaftigkeit holt das bunte Treiben erst am Ende wieder ein. Der in die Länge gezogene Showdown überzeugt zwar zunächst mit höchst abwechslungsreichen Sets vom Abenteuerspielplatz bis zur Kühlkammer, entlädt sich dann aber in einem übersteigert emotionalen Finale, als das Leben des Babys auf dem Spiel steht und Jackie freilich sein eigenes Leben riskieren würde, um es zu retten. Heraus kommt das Unvermeidliche und der Streit mit dem alten Vater wird natürlich in einem Zug mit aufgelöst, als das kleine Patschehändchen den alten Daumen umgreift. Was man sich dann noch mit dem merkwürdigen Epilog im Gefängnis gedacht hat, bleibt wohl Geheimnis der Macher oder zumindest Hongkongs, dessen Publikum vielleicht mit dieser Art von Galgenhumor mehr anzufangen weiß.
“Rob-B-Hood” hat sicher nicht mehr viel zu erzählen, in Europa, Asien und Amerika hat es die Geschichte schon unzählige Male gegeben; vermutlich kennen sie sogar die Pinguine auf dem Südpol. Doch wenigstens die Erzählweise gefällt bis kurz vor Ende durchaus. Seit dem Hoch mit “New Police Story” ist es handwerklichem Geschick zum Dank wiederum Benny Chan, der seinem Star Jackie Chan einen erneuten kleinen Höhepunkt im Herbst seiner Karriere schenkt, welcher ungeachtet aller Flops hoffentlich noch einen prächtigen Winter zur Folge haben wird.
6.5/10