Stephen Chow schaffte sich international erst mit “Shaolin Soccer” und “Kung Fu Hustle” einen Namen, doch schon ein Jahrzehnt vorher schielte er in den Westen, als er der Schauspielerei erstmals den Regisseursberuf anhängte und sich fortan selbst inszenierte. “Gwok chaan Ling Ling-chat” bedeutet in etwa soviel wie “hausgemachte 007". Und darin entlarvt er James Bond, die größte Ikone unter den westlichen Filmhelden, nach klassischem Stephen-Chow-Rezept als Volltrottel mit dem Glück als engsten Verbündeten.
Die Ära des Superagenten hatte sich zu diesem Zeitpunkt seine bisher längste Pause genommen, war doch der letzte Bond “Licence to Kill” auch schon wieder fünf Jahre alt. Zeit also für eine Parodie von außen, und die hat sich stellenweise gewaschen.
Zumindest gelingt es dem Komiker mit dem sehr eigenwilligen Humor, aus 1:1 imitiert wirkenden Szenarien des Vorbildes, die keinerlei parodistische Elemente zeigen, urplötzlich in die Parodie einzubrechen und den Zuschauer damit total zu überrumpeln - auf ähnliche Weise, wie es die amerikanische TV-Serie “Sledge Hammer” mit Copfilmen nach “Dirty Harry” handhabte. Das beginnt bei den Bond-typischen Credits mit tanzenden Silhouetten, Montagearbeit, die Objektgrößen und Perspektiven entrückt und sich bewegenden Farbspektren unter einem markanten Soundtrack. Ist diese Titelsequenz anfangs noch kaum von den Originalen zu unterscheiden, entwickeln die Silhouetten plötzlich ein Eigenleben und beginnen sich gegenseitig niederzuprügeln und zu erschießen. Ein Vorbote für das, was da noch kommen möge, denn die weiteren Ereignisse folgen diesem Prinzip und sind sich für keine Albernheit zu schade.
Bond-Fans kommen natürlich voll auf ihre Kosten, denn Chow hat die Reihe gut studiert und bringt nun allerlei Insider nicht nur aus dem Titel-Paten “Liebesgrüße aus Moskau”. So gilt es einen Mann mit einer goldenen Waffe zu jagen, ein Bösewicht trägt ein destruktives Gebiss und es gibt ein Wiedersehen mit Abarten von liebgewonnenen Charakteren wie Moneypenny, M oder Q. Letzterer darf natürlich auch wieder sehr sinnige Gimmicks vorstellen, repräsentativ etwa eine Taschenlampe, die auf Solarenergie läuft (bitte selbst zu Ende denken!).
Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Demontage des Gentleman-Images des James Bond, wie er bis zu diesem Zeitpunkt vor allem von Sean Connery und Roger Moore verkörpert wurde. Deren Filme sind ohnehin bevorzugte Zielscheibe geworden, während die jüngeren, härteren Bonds mit Timothy Dalton weniger im Fokus stehen. Chow geht wirklich an die Substanz und packt Bond sprichwörtlich an den Eiern.
Eigentlich ist Chows OO7-Interpretation nicht grundlegend anders als das, was er auch in “Shaolin Soccer” und “Kung Fu Hustle” spielte. Ling Ling-chat ist ein von sich selbst überzeugter Volltrottel, der sich stets seine Coolness bewahrt, auch wenn die Situation, in der er sich befindet, die Superagentenaura noch so sehr entzaubern mag. So ergeben sich dann Bilder wie das, wo er als Fischverkäufer nur mit Schürze bekleidet hinter seinem Stand steht und ein Glas geschüttelten, nicht gerührten Martini hält. Auch die in keiner Situation seinen Mund verlassende Kippe ist stetiger Begleiter eines krampfhaft aufrechterhaltenen männlichen Erscheinungsbildes. Kalauer und gesichtsverrenkende Massen gehören zu dieser Comedy nicht dazu. Chow verzieht keine Miene. Nicht er selbst dreht total ab, sondern seine Umgebung, und das passt selbstverständlich zum parodierten Gegenstand, der für seine übermenschliche Coolness in jeder noch so brenzligen Szene unzählbar oft kopiert und zitiert worden ist.
Der zugrundegelegte Plot verrät deutliche Zugeständnisse an damalige Zeit und Popkultur. “Jurassic Park” kam anno 1994 wohl in so ziemlich jeder Parodie vor und auch hier ist nicht nur ein gestohlener Dinosaurierschädel Grund für die Aufregung, sondern Ling Ling-chat unterhält sich auch mit seinem Kollegen über “Rassic Park” und die verlängerte Schnittfassung “Jurassic Park” und dessen Parallelen auf den vorliegenden Fall. Plakate damaliger Kinofilme sind überall zu erhaschen und die Mittneunziger geben immer wieder kleine Laute ab, anhand derer man sie identifizieren kann.
Hauptgegenstand der Story ist das von Anita Yuen verkörperte Bondgirl Siu Kam, dessen Auftrag darin besteht, den Mann mit der Doppelnull zu töten. Nach einem an John Woos Shootouts mahnenden Beginn konzentriert sich das Skript daher stark auf zwischenmenschliche Momente der Liebe, Tragik und inneren Zerrissenheit, die dann allesamt köstlich ins Lächerliche gezogen werden. Bekannte Schemata greift der Film auf und funktioniert sie auf treffende Weise um.
Leider ballen sich die Gags oft auf einige wenige Szenen, so dass im fast komplett actionfreien Mittelteil auch relativ viel Leerlauf herrscht. Während etwa die Szene im Hotel zwischen Chow und Yuen einen Knaller nach dem anderen loslässt, braucht es anschließend relativ lange, damit sich die Gagdichte wieder etwas regeneriert. Zudem sind auch nicht alle Witze von gleicher Qualität, so dass man je nach Humor eventuell auch mal längere Zeit überbrücken muss, bis es wieder gut losgeht. Zumindest aber die von Stephen Chows Figur ausgehende Ausstrahlung sorgt permanent für Amusement.
Dass der Gewaltgrad ausgesprochen hoch liegt und Dutzende von onscreen gezeigten Schusswunden vorkommen, die tatsächlich eher an das Heroic Bloodshed-Genre erinnern als an eine Komödie, könnte für Unmut sorgen und ist in jedem Fall totale Geschmacksfrage, die auch bei “Kung Fu Hustle” schon für leichtes Unbehagen gesorgt hat. Ich für meinen Teil habe dieses Stilmittel akzeptiert und rechne es eben als willkommene Abwechslung einer der Familientauglichkeit zugegenlaufenden Eigenart an; mögen muss man es aber nicht, ebensowenig wie Salzhering mit Schokolade, für die es aber sicherlich auch Nachfrage gibt. Der Humor bedient eben eine besondere Art von Humor, für die ich mich nach einer kleineren Überwindungsphase dann aber auch öffnen konnte.
Nur weil diese Parodie aus Hongkong kommt, sollte man sich übrigens kein Kung Fu erhoffen; Stephen Chow bleibt da wirklich nah an der Vorlage, vielleicht auch, weil er seinen eigenen Worten zufolge nach seinem Einstieg ins Filmgeschäft nie mehr wirklich geglaubt hat, sich auf den Kung Fu-Bereich spezialisieren zu können. Stattdessen gibt es auch diesmal eine der obligatorischen Musikeinlagen und vieles andere nur der Kuriosität wegen. Wozu sicherlich auch der schräge Score zu zählen ist, eine Mutation der originalen 007-Erkennungsmusik, die immer und immer wiederholt und mit absichtlich hilflosen Eigenkompositionen abgeschmeckt wird.
“Liebesgrüße aus Peking” trägt eindeutig Stephen Chows Handschrift, und wer seine Filme bislang mochte, darf sich seine Bond-Parodie unter keinen Umständen entgehen lassen. Zwar bleibt das Humorniveau trotz der kurzen Laufzeit nicht durchgehend auf einem Pegel, die Unterhaltung wird dennoch großgeschrieben und überzeugt mit manchmal zwar vorhersehbaren, aber dennoch immer sehr eigenen Gags. Bond-Kenner werden sicherlich dank der vielen Insider den größeren Spaß haben, doch wäre dem nicht so, könnte sich Chow nicht den Regisseur und Hauptdarsteller einer Bond-Parodie schimpfen.