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01.03.2020

PIPPI IN TAKA-TUKA-LAND (1970)

Nach zwei Kinoauswertungen der beliebten TV-Serie folgte mit "Pippi in Taka-Tuka-Land" der erste tatsächlich fürs Kino konzipierte Film um Pippi Langstrumpf. Waren die Vorgänger bereits hoch qualitatives Kinderprogramm mit hohem Unterhaltungswert, so setzt der dritte Film um die Piratentochter noch eins drauf, bildet er doch meiner Meinung nach den Höhepunkt der klassischen schwedischen Pippi Langstrumpf-Filme. Und das empfinde ich als Erwachsener noch ebenso, wie bereits zu Kinderzeiten. So sehr die vereinfachte Plotstruktur auch typisch Kinderfilm ist, auch als Erwachsener hat man noch einen Heidenspaß mit dem Werk, das weit über nette Retro-Erinnerung hinaus geht. Der Humor, die Stimmung, die liebevolle Inszenierung, all das schließt man noch immer in sein Herz, und ich könnte mir vorstellen, dass auch wer, der nicht mit den Filmen groß wurde, Freude an dem Produkt haben dürfte.

Spätestens mit diesem Teil 3 müsste dies zumindest funktionieren, der nun ohne Serienherkunft nicht mehr so episodenlastig ausgefallen ist, wie sich die ersten beiden zwangsweise anfühlen mussten. Nach einer kurzen Vorgeschichte geht es schnell los, und die Kinder geraten von einem Abenteuer ins nächste, bis schließlich in der Piratenhochburg angekommen der Rest der Geschichte ausgedehnt dort verweilt. Es mag zu Beginn etwas komisch anmuten, dass die Eltern von Tommy und Annika ihre Kinder drei Wochen in die Obhut von Pippi Langstrumpf begeben, um sie sicher aufgehoben zu empfinden, widerspricht es doch ihrer Meinung über Pippi in der TV-Serie, ansonsten leistet sich "Pippi Långstrump på de sju haven" (Originaltitel) keine Schnitzer. In selbiger Besetzung, wie gehabt inszeniert von Olle Hellbom, setzt der Film die Qualität der Vorgänger fort und setzt diese innerhalb einer fortlaufenden Geschichte ein, die von einem humoristischen Höhepunkt zum nächsten hüpft. Pippis Unbesiegbarkeit und Heldenmut wird noch um einige Grade mehr übertrieben, zusätzlich zudem verstärkt indem im Gegenzug die Piraten um so ängstlicher wirken. Und gerade dieser aus Erwachsenensicht empfundene störrische Größenwahn Pippis mit großer Klappe erheitert allerlei Situationen. Selbstverständlich trumpfen derartige Punkte auch aufgrund der hervorragenden deutschen Synchronisation.

Neben dem humoristischen Effekt wird zudem stets auf eine stimmige Abenteueratmosphäre gesetzt. Kleine Bedrohungen werden direkt genug eingefangen, um das Publikum nicht in Watte zu packen, geraten gleichzeitig aber nie düster genug, als dass sich das Ergebnis nicht kindgerecht gucken würde. Alkohol und Brutalitäten finden in verspielter Kindersicht Einzug in die Geschichte, anstatt aus pseudo-pädagogischen Gründen derart wichtige Zutaten zu verbannen. Hier wird weder verharmlost, noch pädagogisch übertrieben rot gesehen, "Pippi in Taka-Tuka-Land" entstand in einer Zeit, in der man noch wusste wie kindgerechtes Kino ohne moralinsauren Unterton, übertriebener Verharmlosungen, extremer Verkitschung oder altersanbiedernder Coolness funktioniert. Entspannt erzählt, zweckmässig getrickst und mit einer bunten Schar lustiger Figuren bereichert, schaut sich die Abenteuerkomödie sehr kurzweilig und schafft es mittels eines vergnüglichen Untertons und gut gesetzter Pointen und Dialoge Erwachsene nicht zu unterfordern.

Die Botschaft aus Buch und Vorgängerfilmen, dass man sich nicht aus Prinzip einer Autorität unterzuordnen hat, wenn die Regeln die sie befolgen lediglich den Sinn der Regeleinhaltung beinhalten, wird hier konsequent auf eine Verbrechergesellschaft angewendet. Warum sollte Pippi kuschen? Die Piraten, die Gehorsam fordern, sind schließlich Verbrecher. Dementsprechend angenehm dreist kommt Pippi Langstrumpfs musikalische, auf einem Kneipentisch tanzend vorgetragene, Vorstellung dem Piratenkapitän gegenüber herüber, ein Moment den ich als den besten inmitten eines von großen Momenten nur so wimmelnden Filmes empfinde. "Pippi im Taka-Tuka-Land" (Alternativtitel) ist innerhalb einer vorbildlichen und gut unterhaltenden Kinderfilmreihe der Höhepunkt in jederlei Hinsicht und zu Recht im Laufe der Zeit ein namhafter Klassiker geworden. Während man andere Filme und Serien für die Kleinen meist mit erwachsenen Augen mit einer gewissen Geduld und viel Wohlwollen konsumiert, funktioniert der hier besprochene Film rein unterhaltungstechnisch für die Großen ebenso gut, wie zu Kinderzeiten. Er ist für mich eines der besten Produkte seines Fachs, welchem man das Herzblut aller Beteiligten geradezu ansieht.  OFDb

04.02.2018

PIPPI LANGSTRUMPF (1969)

Astrid Lindgren hat der Welt mit ihren Pippi Langstrumpf-Büchern etwas wundervolles, lustiges und geistreiches zugleich beschert. Und mag es mittlerweile auch Zeichentrickverfilmungen, einen amerikanischen Realfilm und eine russische Version geben, den Geist der Bücher fangen lediglich die vier schwedischen „Pippi Langstrumpf“-Filme aus den 60er und 70er Jahren ein, bzw. die TV-Serie, sind die ersten zwei Spielfilme der Piratentocher Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf doch eigentlich Zusammenschnitte eben dieser, wohingegen „Pippi in Taka-Tuka-Land“ und „Pippi außer Rand und Band“ direkt für das Kino produzierte Spielfilme sind. Vielleicht liegt es daran, dass sie zu den Höhepunkten der filmischen Verwirklichung von Lindgrens Vision werden, und das ist kaum zu glauben, so großartig wie sich bereits der erste Zusammenschnitt guckt. Einen besseren oder gleichrangigen Kinderfilm gibt es nur selten.

Das Genre des Kinderfilms verwende ich nur recht selten und ungern, degradiert es ein Werk doch eigentlich in eine Nische, die ein erwachsenes Publikum nicht mehr ansprechen würde, zumal ein Kinderfilm immer auch ein anderes Genre abdeckt, sei es Kalle Blomquist und „Die Vorstadtkrokodile“ im Krimibereich, „Peterchens Mondfahrt" im Abenteuerbereich oder „Pippi Langstrumpf“ in jenem der Komödie und des Fantasyfilms. „Pippi Langstrumpf“ ist nicht nur fröhlich, kindgerecht und kunterbunt ausgefallen, er bereitet auch einem älteren Publikum einen Heidenspaß, ohne dass sich das Werk durch die Kinderfilmmentalität zu theoretisch guckt. Der Film mag die typischen Vereinfacherungen für die Umwelt und die Gesellschaft in der wir leben verwenden, die für die Kinderliteratur und ihre Verfilmungen geradezu typisch sind und damit den Kinderfilmbereich unverkennbar hervorstechen lassen, aber die vier Filme von Regisseur Olle Hellbom verfügen über so viele weitere Qualitäten, dass der erwachsene Zuschauer keine Abstriche in Kauf nehmen muss. „Pippi Langstrumpf“ ist so fern und nah der Realität, so unsinnig und bodenständig, so unterhaltsam und abwechslungsreich, wie es auch der Erwachsenen-Mainstreamfilm heutiger Tage ist, meist fällt dieser jedoch im Vergleich zum hier besprochenen Werk einfallsloser und geistloser aus.

Denn „PippiLangstrumpf“ steht keineswegs nur für die Superhelden-Version der Kinder, die sich auch einmal wünschen so stark und unabhängig wie ihre Heldin zu sein, um es auch endlich einmal den kommandierenden Erwachsenen heimzuzahlen. Die Geschichte wendet sich in ihrer gesellschaftspolitischen Aussage an Jung und Alt gleichermaßen, denn Pippi rebelliert nicht aus Trotzigkeit, sondern steht für ihre Freiheit ein. Sie wehrt sich gegen ein System, in welchem Gesetze der Gesetze wegen existieren, anstatt für den Menschen. Erwachsene wollen Pippi in ein Heim stecken, weil man das eben so mit alleinlebenden Kindern macht. Dass das Mädchen unabhängig ist, auf sich aufzupassen weiß und gut für sich sorgt, interessiert die Erwachsenen nicht. Die haben gelernt, dass es so ist wie es ist und hinterfragen ihren Alltag nicht mehr. Letztendlich warnt der Film und seine Buchvorlage, ebenso wie „Momo“, vor der Entstehung einer Gesellschaft, wie sie es mittlerweile geworden ist: eine leistungsorientierte Welt voller Verbote und Entmündigung. Darüber sollte manch einer einmal nachdenken, der fröhlich davon berichtet welch großes Vorbild Pippi Langstrumpf in seiner/ihrer Kindheit darstellte und was heute aus einem selbst tatsächlich geworden ist. Die Ideale könnten meist nicht unterschiedlicher sein - von wegen Vorbild!

Nun kommt „Pippi Langstrumpf“ aber nie moralinsauer mit dem erhobenen Zeigefinger daher. Der Grundton ist fröhlich gehalten, und selten nervte penetrante Fröhlichkeit so gar nicht wie hier, stimmt atmosphärisch doch der Grundton des Streifens, ist der Film doch liebevoll, kindgerecht, aber auch interessant und stilistisch inszeniert, immer orientiert an der Art der gerade laufenden Geschehnisse. Die Besetzung der wichtigsten Rollen lässt auch keine Wünsche offen, inklusive eines herrlich sympathisch spielenden Hans Clarin, dem man sein Herz am rechten Fleck in jeder Szene ansieht. Tommy und Annika mögen nervig wirken, aber so sind sie nun einmal charakterisiert. Etwas besser hätte man die beiden aber tatsächlich besetzen können, sie bilden die Ausnahme von der lobenswerten Regel.

„Pippi Langstrumpf“ und auch sein etwas schwächerer Nachfolger „Pippi geht von Bord“ mögen im Gegensatz zu den Kinofilmen mit gleicher Crew einen etwas dominanten Episodencharakter besitzen, anstatt tatsächlich eine durchgehende Geschichte zu erzählen, aber das wertet das Gesamtergebnis keinesfalls ab, vielleicht auch weil Pippis Welt ohnehin nicht nur fantasiereich und abenteuerlich gestaltet ist, sondern auch chaotisch und spontan. So mag der Film zwar von einer Idee zur nächsten hüpfen, sicherlich auch dem ursprünglichen Seriencharakter geschult, letztendlich weiß aber jeder Erzählstrang Begeisterung zu verursachen, sei es nun der Kulturenclash zwischen Pippis Welt und der zivilisierten bei einem Kaffeekränzchen, eine abenteuerliche Ballonfahrt, in welcher Pippi sich eher zufällig ihren Goldschatz zurückholt, die Rebellion gegen Polizei und Kinderschützerin Prysselius, oder der Besuch des Piratenvaters, dem ein wunderbar chaotisches Stadtfest auf Pippis Anwesen folgt.

Jede dieser Phasen weiß kindgerecht und hochamüsant zu unterhalten, zumal dem Werk im Gegensatz zu heutigen Kinderfilmen die Coolness fehlt, ein natürlicher Verzicht, der letztendlich für das unverkrampfte und wunderschöne Feeling sorgt und diese Art Kinderfilm ernstzunehmender wirken lässt, als die coolnessorientierten, oft feigen, Werke unserer Zeit, die dadurch infantil anstatt kindgerecht wirken. „Pippi Langstrumpf“ ist geistreiche Kurzweile für Jung und Alt, unverkrampft und unverstellt inszeniert, liebevoll verkörpert und richtet lobenswerte soziale, gesellschaftspolitische und charakterliche Appelle an sein Publikum, ohne diese über den Sehspaß zu stellen. Damit ist bereits der erste Teil der Reihe perfekt ausgefallen, was das Übertrumpfen durch die Teile 3 und 4 umso unglaublicher erscheinen lässt.  OFDb
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