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02.07.2017

PRAXIS DR. HASENBEIN! (1997)

Mit „Praxis Dr. Hasenbein!“ perfektionierte Helge Schneider seine Art des gegen alle Filmregeln verstoßenden Filmschaffens, das er mit „Texas“ bereits gekonnt eingeführt hatte und mit „Null Null Schneider“ auf eine Extreme aufgeblasen hatte. Konnte man diesem schon kaum eine Handlung anmerken, der dritte Streich des Ausnahmekomikers („Johnny Flash“ nicht mitgezählt, da er eher ein Andreas Kunze-Film ist) verweigert sich endgültig einer wirklichen Geschichte, ist der theoretische Hauptaspekt der Geschichte doch ebenso sehr Nebensache wie alles andere Gezeigte, oder anders betrachtet: er ist so sehr Hauptaugenmerk wie alles andere was im Film passiert.

Helge Schneider nutzt eine „Lindenstraße“-ähnliche Situation. Er präsentiert uns die arbeitenden und lebenden Bürger des Straßenviertels in welchem Hasenbein mit seinem Sohn Peterchen wohnt, zeigt deren Alltag, der ebenso wie die Ortsansässigen selbst, höchst skurrile Züge aufweist. Aber alles was uns grotesk und merkwürdig vorkommt, ist in diesem kleinen Mikrokosmos völlig normal, da hinterfragt niemand irgendetwas, mit Ausnahme eines bizarren Filmes über einen Vogelmann, den mancher Kinobesucher dann selbst innerhalb seines grotesken Alltags als zu unsinnig empfand. Letztendlich parodiert Helge Schneider auf seine ganz eigene Art wie gehabt Medien und Bürgeralltag, liebt es mit Klischees zu spielen, was gerade in Szenen absichtlich übertriebener Gefühlsduselei seinen satirischen Höhepunkt findet, z.B. wenn Hasenbein nach Absage einer Geburtstagseinladung mit seinem Gewissen ringt, oder aber im Zeigen der Fröhlichkeit innerhalb des Kinderheimes mittels eines ständig gemeinsam gesungenen Liedes.

„Praxis Dr. Hasenbein“ ist so harmlos in seiner Art wie bescheuert, und aufgrund der reinen Schneider-Komik, völlig abgegrenzt einer erzählenswerten Geschichte oder klassischer Pointensetzung üblicher Komödien, scheidet er von allen Werken des Komikers die Geister wohl am meisten, was aber zumindest bedeutet, dass Freunde des Ausnahmehumoristen hier einen Höhepunkt seines Schaffens erleben, strotzt „Praxis Dr. Hasenbein“ doch nur so voll brillanter Ideen, so dass zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt. Die Schwachstellen eines „Null Null Schneider“ tauchen nicht mehr auf, Schneider selbst agiert in Hochform, und da jeder Darsteller seine eigene skurrile Art an den Tag legen darf, atmet der Film die Luft gemeinschaftlichem Schaffens und wird damit nie komplett zu einer Ein-Mann-Show.

Freilich liegt es in Helges Natur sich dennoch stets in den Vordergrund zu spielen, und schließlich ist er auch die Hauptfigur, und das fertige Werk atmet an allen Ecken und Enden seinen Humor, sein Kunstschaffen und seine Mentalität. Aber der bunte Haufen Randdarsteller bereichert das Geschehen ungemein und lässt das komplette (Nicht)Geschehen um so grotesker wirken, eben weil Hasenbein kein Irrer allein unter Normalen ist. Und man darf Helge Schneider dafür loben, dass er es in dieser irrsinnig scheinenden, grotesken Alternativwelt schafft, dem guten Beobachter dennoch das Absurde des tatsächlichen Alltags unserer wirklichen Welt vor Augen zu führen.

Die Methoden mit welchen Helge wie üblich diesbezüglich förderlich arbeitet sind ungewöhnlich und eigenständig zu nennen. Spezielle eigens für diesen Film verwendete Ideen, wie das Einbringen des ewig per Handy telefonierenden Skinheads Carlos als Bewohner des Kinderheimes und dessen besten Auftrittes, wenn er Solo das Fitze Fatze-Lied singen soll, verleihen „Praxis Dr. Hasenbein!“ im Einheitsmeer klassischer Helge Schneider-Filme einen individuellen Bonus, so dass der dritte Streifen dieser Art nicht nur in seiner Extreme des Helge-typischen Vorgehens auffällt, sondern auch inhaltlich zum Highlight innerhalb des filmischen Schaffens des eigentlich auf Musikkomik spezialisierten Künstlers wird.

Seinen Höhepunkt erreicht der ohnehin genial zu schauende Streifen dann, wenn kurz vor Schluss plötzlich der Krieg ausbricht, uns Helge kurz im Off-Kommentar nahebringt wie Dr. Hasenbein den Krieg erlebt, bzw. besser gesagt ignoriert, hat, um dann auf das Nachkriegs-Viertel überzuschwenken, welches das bislang gekannte Treiben dort sehr humorvoll auf den Kopf stellt. Im Hintergrund passend hinzugefügte Gegenstände, wie der elektronische Geldautomat oder die gelbe Mülltonne, suggerieren bereits äußerlich eine Moderne, die im Gegensatz zum freien, fröhlichen Einerlei zuvor eine strengere Welt der Regelsetzung aufweist. Und mitzuerleben was aus den Figuren und Läden wurde, die man zuvor ins Herz geschlossen hat, verfehlt seinen jeweiligen humoristischen, wie kritischen Zweck ebenso wenig. Mittendrin schafft es der Darsteller des Peterchen zudem noch sich über verdrängte Vaterkomplexe lustig zu machen, indem er nach der erwachsenen Version seiner zuvor als Kind dargebotenen Rolle das zuvorige Spiel als Kind in die Erwachsenenrolle zurück mit einfließen lässt.

Dieser und viele andere Momente beweisen die Intelligenz eines Streifens, den viele aufgrund des Absurdem und der Vorurteile gegenüber Helge Schneiders ungewöhnlichem, aber ehrlichem Humors nicht erkennen können oder wollen. Mag Helge auch hemmungslos herumalbern, und dies des öfteren auch sicherlich verspielt geistlos, in anderen Momenten weiß er ganz genau was er auf seine ganz spezielle Art aufs Korn nimmt oder kritisiert und warum er es auf die jeweilige Art macht. Für aufgeschlossene Menschen ist es eine fruchtbare Bereicherung sich mit Schneiders Künsten auseinanderzusetzen, egal ob wir von Helge dem Musiker, dem Filmemacher, dem Zeichner oder dem Schriftsteller sprechen.  OFDb

25.06.2017

NULL NULL SCHNEIDER - JAGD AUF NIHIL BAXTER (1994)

Befanden sich Helge Schneiders Vorgängerfilme „Johnny Flash“ und „Texas - Doc Snyder hält die Welt in Atem“ noch halbwegs im Bereich des Geschichteerzählens, wenn auch dort bereits das Publikum damit vor den Kopf schlagend sich an wenige gängige Regeln filmischer Erzählungen zu halten, da überrumpelte der Komiker mit seinem Folgewerk „00 Schneider - Jagd auf Nihil Baxter“ den Zuschauern endgültig, indem er eine sich an keinerlei Filmregeln haltende Nummernrevue ablieferte, die derart improvisiert war, dass Ausrutscher wie das Schauen in die Kamera oder plötzliche Lachflashs enthalten blieben. Parkplatzwärter Helmut Körschgen wurde gar absichtlich aufgrund jeglicher fehlender Schauspielleistung überhaupt erst besetzt.

Klassische Komödienwitze, wie sie der Zuschauer aus Otto-Filmen oder Werken von Dieter Hallervorden kannten, sind kaum noch enthalten, und wenn sie es sind, fallen sie ziemlich einfach gehalten und infantil aus. Wer etwas mit dem Film anfanfangen möchte, und noch mehr mit dem Folgewerk „Praxis Dr. Hasenbein“, in welchem Helge sein Verfahren der improvisierten Nichterzählung, wie ich sie einfach einmal nenne, auf die Spitze trieb, der muss etwas mit der Improvisationskunst Helge Schneiders und Konsorten anfangen können, der muss einen Hang zur schlechten Erzählung mögen, der muss aber auch die Kunst hinter dem vermeindlichen Schund erkennen, der beileibe kein Schönreden desaströser Zustände ist. Denn wer gut beobachtet, der erkennt die geistreichen Intentionen gesellschaftliche Normen und Kinoklischees zu zerlegen, mit ihren Eigenschaften zu spielen und sich mit ihnen auf absurde Art auseinanderzusetzen.

Wer also die Arbeiten Helge Schneiders, egal ob im Musik- oder im Filmbereich, auf albernen Klamauk reduziert, der verkennt das Genie dahinter. Jener der sich auf das was uns Helge Schneider als Film verkaufen möchte, einstellen kann, der erlebt nicht nur hemmungslosen Klamauk, der zu großen Lachanfällen führen kann, er kann auch intellektuell gefordert werden, vorausgesetzt die Scheuklappen konservativen Kunstgefühls sind abgelegt. Im Vergleich zum Vorgänger und Nachfolger haben sich meiner Meinung nach aber dennoch Schwächen eingeschlichen, die das Erleben auf Unterhaltungsbasis im Vergleich ein wenig reduzieren.

So ist die recht dominant eingebrachte Rolle des Nihil Baxter zu nervenzerrend interpretiert, selbst bei Wohlwollen in ihrer extrem vorgetragenen Art kaum auszuhalten und eher der noch vorhandenen Unreife des Komikers zum Überagieren geschult, sprich eine Art Übertreibung darbietend, die es viele Jahre später in „Null Null Schneider 2“ (und ich behaupte mal auch in anderen Filmen, hätte Helge solche gedreht) nicht ohne Grund mehr gegeben hat. Auch kurze Momente des Stillstands, die in anderen Werken des Komikers meist für überraschend stillere Komik genutzt wurden, nagen aufgrund ihrer Länge an den Nerven des Publikums, z.B. dann wenn Baxter ewig klagt wie langweilig ihm ist, während er sich lustlos mit seiner Kunstsammlung befasst.

Auch das zu häufige wiederholen recht sympathischer Witze, wie dem Ersatzreimen aus Kinderzeiten a la Hase, Hase, Popase tut dem Film nicht gut, verliert der Humor doch damit langsam seinen Charme und wirkt wie das Hinwegtäuschen von Einfallslosigkeit. Das liest sich sehr streng inmitten solch gelungener, individueller Komikkunst, denn den aufgezählten Schwachpunkten stehen Stärken gegenüber, welche die konfuse Fasterzählung gestemmt bekommen. „00 Schneider“ mag ein anstrengend zu schauender Film sein, aber auch ein unglaublich witziger und unterhaltsamer.

Running Gags, wie die von Kunze gespielten Frauenrollen, so ziemlich jeder Auftritt Helmut Körschgens und das Gespür fürs Absurde (wunderbar herrlich die Pilotenkommentare während eines Flugzeugfluges, oder die Kameraaufnahme beim Rennen eines in Unterhose gekleideten, scheinbar geistig Verwirrten) sind bereits dominante Trümpfe innerhalb eines Filmes in welchem man mit allem rechnen muss, eben weil es keine Regeln zu geben scheint. Satirische Ansätze sind stark verkleidet vorhanden, ebenso wie besagte Filmklischees, die oft kaum noch zu erkennen sind, so bizarr wie der Ausnahmekomiker sie verarbeitet.

Manches Mal wäre es schön gewesen Helge hätte seinen Mitspielern mehr Raum zur Entfaltung gelassen, manches Mal ist es gut dass er dies nicht zulässt, oder in der Ausnahme eben doch. So ist sie eben, die Improvisation, macht man sie rückgängig, um zu wiederholen und Fehler auszubügeln, manipuliert man sie bereits. Helge Schneider wird schon gewusst haben wann eine Szene im Kasten ist und wann eine Wiederholung von Nöten war. Das Gespür dafür erkennt man dem herrlich kaputten Gesamtwerk stilistisch an. Dass Christoph Schlingensief als Kameramann und Mitregisseur beteiligt war, verwundert mit Kenntnis dessen Filme kaum, ist seine Art der Filmschundkunst jener von Schneider doch recht ähnlich, nur dass Helge sich dem humorvollen Part verschrieben hat, während Schlingensief stilistisch ähnlich vorgehend eher gesellschaftskritische Dramen umgesetzt hat. Im Gegenzug war Helge häufig an Prokten Schlingensiefs beteiligt.  OFDb
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