William Castle zauberte mit seinem "Es geschah um 8 Uhr 30" einen kleinen, charmanten Schauer-Thriller, dessen Ausgangsidee zu gefallen weiß. Beim harmlos klingenden Telefonstreich, in welchem man sagt "Ich weiß was sie getan haben", geraten zwei Teenagerinnen an einen Mann, der soeben seine Frau getötet hat und auf mörderische Art aufgeschreckt wird. Selten wusste eine Retrowirkung ein Werk dieser Zeit derart zu stärken, wie hier. Dies nicht auf belustigende Weise, sondern tatsächlich durch die anderen Lebensumstände zum Thema Technik, Kommunikation, gesellschaftliche Normen und cineastische Seherfahrungen. Nicht immer handelt man mit Augen von heute sinnvoll, gerade was die prominent besetzte Nachbarin des Mörders betrifft, die zunächst etwas unangebracht eingebaut zu sein scheint. Was aber umso mehr überzeugt ist die Art wie sich die Jugendlichen samt kindlichem Geschwisteranhang benehmen. Wie sie miteinander umgehen, mit anderen, ihre Ängste, ihre Art zu reden und zu schwärmen wirkt für ein konstruiertes Produkt wie diesem Trivial-Grusler erstaunlich authentisch und bindet den Zuschauer somit unweigerlich an die naiven Persönchen, die in eine selbstgeschaffene Falle geraten. Ebenso beeindruckend ist das Szenario, wenn sich Opfer und Täter im Finale gegenüber stehen, das Drehbuch auch hier begreift dass es realitätsnah anstatt den Standard ausübend inmitten eines ansonsten reißerischen Plots die Geschichte vorwärts bringen darf, dem Thrillerfreund schuldend freilich nur um einen unangenehmen Umschwung nachzuliefern, der dann doch seine Pflichten erfüllt. Zumindest halbwegs, denn in jeder seiner Phasen bleibt "I Saw What You Did" (Originaltitel) ein recht harmloser Beitrag seiner Genres, dies jedoch auf derart sympathische Art, dass man dem Werk nie böse wird, dass es in Sachen Gefahr und Nervenkitzel nie aus den Vollen schöpft. Ihm sind seine Figuren einfach zu wichtig. Einen besseren Grund für diese Zurückhaltung wüsste ich nicht. OFDb
Von einem der daheim blieb, um die weiten Welten des Films zu entdecken...
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14.03.2023
01.03.2020
DER UNHEIMLICHE MR. SARDONICUS (1961)
William Castle schafft es immer wieder eigentlich arg plumpe Stoffe charmant darzubieten. Mag der gute Mann auch aufgrund seiner Metaebenen-sprengenden Gimmicks berühmt geworden sein - im hier vorliegenden Fall mit einer fingierten Abstimmung des Kinopublikums, wie der Film enden soll - sie wirken im Nachhinein geradezu störend, haben seine trivialen Filme dies aufgrund ihrer Sympathie, die sie ausstrahlen, doch eigentlich gar nicht nötig. In "Der unheimliche Mr. Sardonicus" fällt immer wieder auf, wie klassische Elemente geradezu klischeebeladen Einzug in das Szenario halten, während winzige Elemente diese gleichzeitig leicht aufbrechen. Das fällt z.B. in der Figur des Dieners auf, der keinesfalls so geistlos geraten ist, wie die üblichen Vertreter in Konkurrenzprodukten, und dem weit mehr Charakter beschert wird, als üblich. Zudem ist der nicht ernstzunehmende Humbug, den uns Castle als Horrorfilm verkaufen will, in schönen Settings abgefilmt. Das Schloss weiß, zumindest von innen, zu überzeugen. Und insbesondere der Rückblick, der das Schicksal Sardanicus erklärt, ist geradezu klassisch stimmig, auf einem nebeligen nächtlichen Friedhof spielend, umgesetzt. Er stellt meiner Meinung nach auch den Höhepunkt des Streifens dar, zumal er inhaltlich an dieser Stelle am interessantesten ausgefallen ist
In dieser Szene, wie auch in manch anderer, wirkt der Bösewicht unglaublich zahm. Dann ist er wieder der fiese Folterer ohne Gewissen. Aufgrund des stetigen Einhaltens seit Jahrzehnten im Genre verwendeter Klischees, wird die arg naive Geschichte aufgrund fehlender Reflexion ein Meer an Widersprüchlichkeiten und Unglaubwürdigkeiten, erkennt man doch z.B. nicht die Gründe, warum der Arzt nicht einfach vom Schloss flieht, Sardonicus und seinen Diener anderweitig überrumpelt, oder was auch immer. Man beruht sich auf die zeitgenössischen gesellschaftlichen Pflichten eines gewissen Charaktertyps, und erwartet dass der Zuschauer deswegen nicht weiter nach bohrt. Dementsprechend kann aus diesem charmanten Streifen nie mehr werden, als die sinnlose, nie gruselige Attraktion einer Geisterbahnfahrt auf dem Jahrmarkt. Und als wäre bereits das Grundgerüst des Streifens nicht schon lächerlich genug ausgefallen, kommt es noch mit wissenschaftlichen Unsinnigkeiten daher, die selbst im Bereich des klassischen Mad Scientist-Horrors seinesgleichen sucht, gerade was die Behandlungsmethoden des im Zentrum stehenden Arztes betrifft. "Sardonicus" (Alternativtitel) umweht eine Blauäugigkeit, die vom Zuschauer geradezu erwartet wird, damit das Werk überhaupt funktionieren kann.
Dass "Mr. Sardonicus" (Originaltitel) dennoch mehr geworden ist, als ein olles unfreiwillig komisches Produkt, liegt an dem skurrilen Touch, den William Castle seinem Werk beschert. Die Geschichte wird äußerst bizarr präsentiert, z.B. sowohl in der Idee des Maske tragenden Barons, als auch in dessen Enttarnung, erwartet man doch eher ein veräztes Gesicht oder Brandwunden, anstatt das worunter der Bösewicht tatsächlich leidet. Diese bizarren Zutaten inmitten eines stimmigen Settings und einer angenehm agierenden Besetzung, zeigen dass der Film keineswegs ein liebloses Schnellschussprodukt ist, sondern ein mit Ambitionen gestaltetes, das keinesfalls mehr sein möchte, als die kleine Portion Trivialität für zwischendurch. An der deutschen Synchronisation fällt auf, dass in einem Vorwort Castles von Ghuls die Rede ist, sie innerhalb des eigentlichen Films jedoch Vampire genannt werden, wahrscheinlich auch weil in deutschen Breitengraden die Figur des Ghuls relativ unbekannt ist, zumindest im Vergleich zum Werwolf, dem Vampir oder dem Zombie. Letztendlich ist das aber auch egal, da dieser Aspekt eine derart winzige Randerscheinung inmitten einer Geschichte um Wahn, Krankheit und Unterdrückung ist, dass eine Erwähnung diesbezüglich im Vorwort ohnehin falsche Erwartungen setzt. Dieses reißerische Vorgehen ist jedoch so augenzwinkernd gemeint, wie der komplette Film und soll ohnehin nichts anderes als Schaumschlägerei sein. Und gerade aufgrund dieser schelmischen Herangehensweise verzeiht man dem flott inszenierten Film offenherzig all seine Schwächen - zumal einige, zumindest rückwirkend nach all den Jahren in Form von Retrocharme, zu Stärken werden. OFDb
Kategorien:
1960-1969,
Filmbesprechung,
Horror,
unterhaltsam,
USA,
William Castle
03.12.2016
SCHREI, WENN DER TINGLER KOMMT (1959)
Obwohl er der alten Gattung Film inhaltlich kaum ferner sein könnte, versteht sich William Castles „The Tingler“ (Originaltitel) als Hommage an den Stummfilm, lässt er Nebenfiguren des Streifens doch nicht nur ein Kino besitzen, in welchem lediglich stumme Filme laufen, der Streifen selbst bekommt Szenen geschenkt, die nah am Stil vergangener Zeiten orientiert sind. Wenn einer taubstummen Frau in der wohl besten Szene des Filmes Angst eingejagt werden soll, dann agiert besagte Frau wie einst die Schauspieler der vergangenen Kinodekade, und das Schwarz/Weiß des Streifens, zu das man sich trotz der Farbfilmzeit entschied, weiß mehr denn je zu wirken.
So herrlich unsinnig die Thematik des Filmes ist, und so sehr das titelgebende Monster zum Schmunzeln animiert, egal wie sehr man dem Film eine ehrliche Chance geben will, William Castle schafft es tatsächlich trotz des naiven Retrocharmes des öfteren einen wirksamen Spannungsbogen aufzubauen. Und diesen verdankt „Schrei, wenn der Tingler kommt“ eben nicht dem so gar nicht angsteinflößendem Monster, sondern jenen Szenen, in welchen die Angst vordergründig thematisiert wird. Wenn der Arzt in seinem Wahn nach der Einnahme eines Halluzinogen glaubt die Wände des Raumes würden ihn erdrücken, während wir das ganze Szenario aus dem realistischen Blickwinkel heraus betrachten, dann sorgt allein die Vorstellung des Protagonisten zusammen mit dem exzellenten Mimenspiel Vincent Prices für wohliges Unbehagen jenseits des verspielten Charmes, von dem der restliche Großteil des Filmes lebt.
Eindringlicher spürt man diesen Spannungsmoment in besagter Angstszene um die taubstumme Frau, die einen geradezu zu fesseln weiß. Diese Szene funktioniert auf verschiedenen Ebenen zugleich. Der Zuschauer kann sich mit dem Opfer identifizieren, ihr Angstgefühl überträgt sich im herabgeschraubten Sinne auf das Publikum, und stilistisch weiß der Aufbau des Stummfilmszenarios zu gefallen, der mit dem überraschenden Einzug von Farbe einen beabsichtigten Bruch erhält und die Spannungsschraube mit diesem Gimmick tatsächlich zu erhöhen weiß. Selten vertrugen sich die Gegensätze des verspielten Schundes und des wirksamen Horrors so harmonisch wie in dieser liebevoll gestalteten Szene, die zudem als Paradebeispiel dessen dient, dass man bei Castles Werk mit allem rechnen muss. Selbst die Schuldzuweisungen, die einem während des Sichtens dieser Sequenz durch den Kopf geht, wird sich noch als trügerisch herausstellen.
Zugegeben, dieser überraschend wirksamen Horrormomente gibt es wenige im hier besprochenen Film, aber dass sie in einem eher wegen des Retrocharmes heutzutage so interessantem Streifen überhaupt enthalten sind, ist schon eine kleine Überraschung für sich, die das schmackhafte grundlegende naive Programm, wegendessen man überhaupt zugegriffen hat, erst zum kulinarischen Hochgenuss werden lässt. „Schrei, wenn der Tingler kommt“ steht ziemlich für sich allein, ist im Gegensatz zu „Die Fliege“, der ebenfalls wirksamen Horror mit naivem Nonsens vereinte, in seinem Mix dieser beiden Einflüsse zu unausgegoren ausgefallen, da sich belustigender Retrocharme und wirksame Horrorsequenzen meist abwechseln anstatt dauerhaft insgesamt zu harmonieren, so wie es im Vergleichsfilm der Fall ist. Castles Werk verkommt dabei jedoch nie zur Witzfigur seines Genres, auch in den Monsterszenen nicht, da der Streifen nie zu billig und reißerisch daher kommt. Ein gewisses Niveau wird immer beibehalten. Und dass man weiß, dass man eigentlich gerade ziemlichen Unsinn erzählt, ist den Verantwortlichen des Tinglers stets bewusst.
Dennoch richtet sich Castle an den besonders naiven Part des Publikums zu Beginn des Streifens. Er warnt es, so als würde man mit dem bevorstehenden Film wahres Grauen erleben. Castle geht hierbei jedoch weiter als ein Hitchcock, der mit selbigen Methoden die Werbetrommel mancher seiner Filme zu rühren wusste. Richtung Finale unterbricht der Horrorregisseur parallel zu den Geschehnissen im Film das zu sehende Werk, lässt uns lediglich auf einen dunklen Bildschirm starren, während er dem Publikum Verhaltensregeln zum Schutz gegen den Tingler in uns gibt. Da diese Unterbrechungen während jener Szene eingebracht werden, in welcher der Tingler in einem Kino wütet, wird mit diesen Zwischensequenzen stets kurzfristig der Eindruck eines Metabebenen-durchbrechenden Stilmittels suggeriert, obwohl die beiden Ebenen Film und Unterbrechung eigentlich sauber getrennt sind.
Wie bereits erwähnt, im höchst charmanten „Schrei, wenn der Tingler kommt“ muss man immer wieder mit Überraschungen rechnen. Dies zeigt sich auch in der Schlusssequenz, die zu den Höhepunkten des Streifens zählt und uns eigentlich einen Moment präsentiert, der einer Fortsetzung eigenständige Möglichkeiten bieten würde, ohne Teil 1 lediglich zu wiederholen. Leider ist es zu einer solchen Fortsetzung nie gekommen, was schade ist, gilt „The Tingler“ heutzutage doch als Geheimtipp unter Monsterfilm-Fans und ist damit längst zum Kultfilm geworden, dessen Geschichte man als Freund des nostalgischen Kinos gerne weitererzählt bekommen hätte. OFDb
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